Bodo Ramelow: Beliebter Ministerpräsident einer unbeliebten Partei – wie passt das zusammen?

Bodo Ramelow

Ministerpräsident Bodo Ramelow ist der beliebteste Politiker in Thüringen. Seine Partei landet bei der Wahl allerdings auf dem vierten Platz. Warum wollen die Menschen ihn, aber nicht die Linke?

Freitag Nachmittag auf dem Anger im Zentrum von Erfurt: Die Sonne scheint, die Leute freuen sich auf ihr Wochenende und genießen den Tag. Die Linkspartei ist mit einer Bühne vor Ort und begeht ihren Wahlkampfabschluss mit politischer Prominenz. Linken-Ikone Gregor Gysi spricht über die Lage in der großen Welt, über Krieg in der Ukraine und in Nahost. Bodo Ramelow hingegen redet über die Themen im kleinen Thüringen: Den Schulgarten, den Borkenkäfer und die kommunale Wärmeplanung. Das mag die Leute etwas weniger mitreißen als die Rede seines Vorredners, aber so kennen und mögen die Thüringer*innen ihren Ministerpräsidenten. Praktisch, realistisch, volksnah. 

Diese Zustimmung zu Bodo Ramelow zeigt sich auch in Umfragen. Laut infratest dimap sind 51% der befragten Menschen zufrieden mit seiner politischen Arbeit. In seiner Regierungszeit baute sich Ramelow einen Ruf als Pragmatiker auf, mit dem man reden kann, auch wenn er politisch andere Positionen vertritt. Das brachte ihm parteiübergreifend und in Teilen der Gesellschaft, die sich normalerweise nicht mit der Partei identifizieren können, Anerkennung ein. Unter den 51%, die zufrieden mit der Arbeit von Bodo Ramelow sind, sind auch 92% der SPD-Wähler*innen. Ein Wert, der fast so hoch ist wie die 96% der zufriedenen Linken-Wähler*innen. Ramelow würde weniger in Verbindung mit seiner Partei gesehen, heißt es zur Erklärung aus Mitgliederkreisen der Linken. Während der Partei noch ihre Geschichte als SED-Nachfolgepartei anhänge, kennen und schätzten die Menschen Bodo Ramelow persönlich.  

Im Wahlergebnis der Linken bei der jetzigen Landtagswahl zeigt sich diese Anerkennung allerdings nicht. Mit mageren 13,1% und einem gigantischen Verlust von 17,9% liegt sie weit abgeschlagen auf dem vierten Platz hinter AfD, CDU und BSW und ist damit von einem realistischen Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten meilenweit entfernt. Aber woran liegt das? Warum mögen so viele Leute Bodo Ramelow, aber wählen dann nicht seine Partei?  

Die Linke: „Kannibalisiert durch das BSW“

Der Journalist Henry Bernhard sieht eine eindeutige Erklärung hierfür: „Das BSW hat hauptsächlich die Linke kannibalisiert“, erklärt er im Gespräch mit der Jugendpresse. Das zeigt sich auch in der Wählerwanderung. Die Verluste der Linken an das BSW sind mit 84.000 verlorenen Stimmen mehr als an alle anderen Parteien zusammen. Dass Viele statt der Linken das BSW gewählt haben, muss allerdings nicht heißen, dass die Menschen auch unzufrieden mit Bodo Ramelow sind. Laut infratest dimap sind 65% der BSW-Wähler*innen zufrieden mit seiner Arbeit.  

Warum wählen sie dann trotzdem das BSW und nicht die Linke? Bei der thüringischen Landtagswahl ginge es mehr um Bundes- als um Landespolitik, erklärt Henry Bernhard. Unzufriedene Wähler*innen würden mit ihrer Stimmentscheidung die etablierten Parteien in Berlin abstrafen. Themen wie Migration und innere Sicherheit wurden durch den Anschlag in Solingen im August für viele Menschen noch relevanter als ohnehin schon: Laut Wahlbefragung waren Kriminalität, innere und soziale Sicherheit sowie Zuwanderung die Inhalte, die für die Menschen bei ihrer Wahlentscheidung am wichtigsten waren. Das BSW spricht diese Wähler*innen, denen sowohl Sozialpolitik als auch die Begrenzung von illegaler Migration wichtig ist, besser an als die Linke. 

Politikwissenschaftler*innen bezeichnen das BSW deshalb häufig als „links-konservativ“, als eine Mischung aus linker Sozialpolitik und konservativer Gesellschaftspolitik. Die Linke hingegen gilt als „links-progressiv“ und steht für viele Wähler*innen für eine ausgeprägte Sozialpolitik und eine weniger harte Migrationspolitik. 

Auch die Position des BSW zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine schätzen viele der befragten BSW-Wähler*innen. 83% befürworten, dass sich das BSW gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine einsetzt. Der Linken sprechen die Befragten mit 8% nur halb so viel Kompetenz bei diesem Thema zu wie dem BSW mit 16%. 

Die Linke nicht wählen, um die AfD zu schwächen?

Neben dem BSW haben allerdings auch andere Parteien der Linken erhebliche Verluste zufügen können. Insbesondere die CDU konnte von der Linken zahlreiche Stimmen abwerben. Mit rund 39.000 Stimmen fällt die Menge der übergelaufenen Wähler*innen zumindest fast halb so hoch aus wie beim BSW. Das dürfte neben dem konservativen Profil der Partei, etwa bei der Migrationspolitik, vor allem an dem Zweikampf zwischen dem CDU-Kandidaten Mario Voigt und AfD-Bewerber Björn Höcke gelegen haben. Bei der vergangenen Landtagswahl 2019 prognostizierten schon Monate vor der Landtagswahl Umfragen Die Linke als stärkste demokratische Partei und somit als aussichtsreichste Kandidatin, um die AfD als stärkste Kraft zu verhindern. Das war eine mögliche Motivation für Wähler*innen die Linke zu wählen.  

Bei der diesjährigen Landtagswahl kam diese Motivation allerdings der CDU zugute. 55% der befragten Wähler*innen stimmten der Aussage zu, dass sie die Partei nur gewählt hätten, damit die AfD nicht zu viel Einfluss bekommt. Der CDU war dieses erhebliche Wählerpotential durchaus bewusst, nicht ohne Grund plakatierte sie: „Höcke stoppen. CDU wählen.“  

Ein Wahlplakat der CDU mit dem Titel Höcke Stoppen. CDU wählen.
Die CDU warb um Anti-AfD-Stimmen. Foto: Caroline Sauter

Den Eindruck zu erzeugen, nur die CDU sei eine ebenbürtige Gegnerin der AfD, dürfte auch ein strategisches Ziel der CDU gewesen sein. So inszenierte Mario Voigt bereits im April in einem Fernsehduell einen Zweikampf zwischen ihm und Björn Höcke. Das Medienecho war gigantisch. Voigt konnte sich als seriösen Politiker mit starker Verwurzelung in Thüringen inszenieren. 

Mit blauem Auge davongekommen

Trotz der schweren Niederlage in Thüringen scheint die Katastrophe im Vergleich mit anderen Ergebnis der Linken in Deutschland im Rahmen zu liegen. In Sachsen ist die Partei bei der zeitgleich stattfindenden Wahl unter die 5%-Hürde gefallen und nur durch das starke Abschneiden in zwei Wahlkreisen noch in den Landtag gekommen. In zahlreichen anderen Landesparlamenten ist die Linke mittlerweile gar nicht mehr vertreten und auch der Einzug in den nächsten Bundestag ist nicht sicher. Der beliebte Spitzenkandidat Bodo Ramelow konnte diesen bundesweiten Abwärtstrend für Thüringen zwar nicht aufhalten, aber zumindest eindämmen.  

Hierin liegt jedoch auch eine Gefahr: Ob die Linke in Thüringen auch ohne Bodo Ramelow weiterbestehen kann, ist unklar. Immerhin sagen 60% der Linken-Wähler*innen, dass sie ohne Bodo Ramelow die Linke nicht gewählt hätten. Noch will Ramelow auch im nächsten Landtag politisch aktiv sein, doch was kommt danach? Es bleibt abzuwarten, ob die Linke sich in Thüringen auch ohne ihn politisch beweisen kann oder nicht doch zu einem „Bündnis Bodo Ramelow“ verkommt.  

Anmerkung: Alle der im Artikel verwendeten Zahlen beziehen sich auf das vorläufige Endergebnis und die Befragung durch infratest dimap und sind unter https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-09-01-LT-DE-TH/index.shtml auffindbar. 

Leonardo Dimeo

Beginnt ab Oktober Politikwissenschaft in Leipzig zu studieren. Er interessiert sich für Politik, Musik und gutes Essen.

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