Wahlen ab 16 auf Bundesebene- Entwicklung und Meinung aus der Gesellschaft

Die Anträge zum Wahlrecht ab 16 Jahren scheiterten im Bundestag an der Zweidrittel-Mehrheit, die notwendig ist, um das Grundgesetz zu ändern. 2023 lehnen 62 Prozent der Deutschen das Wahlrecht ab 16 auf Bundesebene weiterhin ab. Das ergab eine Studie des Meinungsforschungsinstituts INSA. Aber wo stehen wir in der Diskussion gerade?

Unterschiedliche Wahrnehmungen im Diskurs 

Tilmann Weickmann, Leiter des Landesjungendrings Berlin, äußerte sich bereits 2017 zu diesem umstrittenen Thema. Seiner Meinung nach führe die Art und Weise, wie Jung und Alt aufeinandertreffen, und welche Erfahrungen gemacht werden dazu, wie Jugendliche wahrgenommen würden. Laut einer Studie des Deutschen Kinderhilfswerks von 2023 ist die öffentliche Meinung zum Thema geprägt von den älteren Generationen. Während junge Menschen von 10 bis 18 Jahren es zu 69 Prozent noch als sinnvoll erachten, das Wahlalter zu senken, sinkt diese Zustimmung mit zunehmendem Alter.

Für den Verfassungsrechtsexperten Prof. Dr. Christoph Müllers ist die Entscheidung des Absenken des Wahlalters eher sozial als demokratisch. „Die Geschichte des Wahlrechts ist gepflastert von Behauptungen von Unmündigkeit. Und auch davon, dass diese Unmündigkeit irgendwann mal überwunden wurde“ sagt er. Die Behauptungen hätten sich eigentlich nie bewahrheitet. Die Änderung oder Beibehaltung des Grundgesetzes basiere neben rechtlichen Grundlagen eben auch auf guten und aussagekräftigen Argumenten, bestärken auch die Deutschen Jugendverbände. Der Landesjugendring Berlin erwähnt ebenfalls, dass die bestehende Diskussion Grundlage unseres Demokratieverständnisses sei.

Politische Reife als Grundlage  

Dauerhaftes und meist zentrales Argument gegen das Wahlrecht ab 16 Jahren ist die angeblich fehlende Reife von Jugendlichen. Stochastik-Professor Dr. Friedrich Pukelsheim, ist sich sicher, dass Bürger*innen unter 18 Jahren, wenn sie ein Wahlrecht besäßen, ihre eigene Meinung bilden könnten und würden. Das belegt auch eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung aus dem Jahr 2021. Bei den 5000 Befragten zwischen 15 und 20 Jahren sei klar sichtbar, dass die politische Reife der unter 18-Jährigen die gleiche sei wie die der über 18-Jährigen. Außerdem wird klar, dass das Interesse an Politik stetig steigt.

Bei der letzten Absenkung des Wahlalters von 21 auf 18 Jahre im Jahr 1970 und dem damit verbundenen Gesetz war das Wahlalter an die Volljährigkeit geknüpft. Damals wurde argumentiert, dass junge Menschen bereits die nötige politische Bildung besäßen. In der Diskussion hat sich also nicht viel geändert. Laut der Professorin für öffentliches Recht Prof. Dr. Silke Ruth Laskowski brauche es die Erfahrung mit dem Wahlrecht ab 16, um wissenschaftlich fundiert darstellen zu können, ob Jugendliche die nötige Reife besitzen. Die Auswertung der bereits umgesetzten Wahlen mit jungen Menschen unter 18 zeige jedoch, dass das Alter 16 Jahre angemessen sei, um das aktive Wahlrecht daran zu knüpfen.

Umsetzung von Wahlen ab 16

Bereits im Jahr 1999 wurde das Projekt „Juniorwahlen“ durch die Robert-Bosch-Stiftung umgesetzt. Als ein großes, finanziertes Schulprojekt, erreichte der Veranstalter Kumulus e.V. in gemeinsamen Projekten mit weiteren Partizipationseinrichtungen wie „Jugend debattiert“ und Partner*innen wie der Bundeszentrale für politische Bildung eine Wählerschaft von 3,6 Millionen Schüler*innen. Sie konnten parallel zu Landtags-, und Bundestagswahlen an Schulen und Lerneinrichtungen ihre Stimme abgeben. Laufende wissenschaftliche Studien zeigen, dass die deutschlandweite Ausbreitung der Juniorwahlen zu einer Erhöhung der allgemeinen Wahlbeteiligung führt. Bei den Eltern von Jugendlichen, die bei den Juniorwahlen wählen, steigt die Wahlbeteiligung um bis zu 9 Prozent. Auch eine Erstwähler*innen-Studie der Universität Stuttgart beweist, dass der Anteil der Nichtwähler*innen durch das Projekt um 15 Prozent sank.

2015 erfasste die Bertelsmann-Stiftung in einer Studie, dass die Erstwahlbeteiligung um 20 Prozentpunkte steigen könnte, wenn Jugendliche wählen gehen dürften. Offen bleibt jedoch, wie viele der Jugendlichen tatsächlich auf Bundesebene wählen gehen möchten. Statistiken über Landtagswahlen, bei denen das Wahlrecht ab 16 bereits durchgesetzt wurde, zeigen einen durchwachsenen Trend. Obwohl die Gruppe der unter 18-Jährigen als offen für das Wählen galt, lag deren Wahlbeteiligung in den letzten Jahren bei nur knapp 50 Prozent.

Ergebnisse von Jugendwahlen

Spannend ist vor allem die Auswertung der Juniorwahlergebnisse der diesjährigen Landtagswahlen im Vergleich zu denen im Jahr 2018. Während die Grünen von unter 30-Jährigen weit weniger gewählt wurden, hat sich die Wahlquote der AfD in Bayern fast verdreifacht und auch die CDU gewann einen Zuwachs an Wähler*innenstimmen. Funk, das junge Angebot von ARD und ZDF, verglich in einem Beitrag die Wahlergebnisse der unter 30-Jährigen mit denen von älteren. Heraus kam, dass fast doppelt so viele junge Menschen kleine Parteien wählen. Die Begründung dafür scheint zu sein, dass die großen Parteien nicht das umsetzen, was von jungen Menschen erwartet wird, wie eine Befragung zum Wählen von kleinen Parteien der Nachrichtensendung ZDFheute ergab.

Tillmann Weickmann vom Landesjugendring Berlin ist sich sicher, „dass im Zusammenhang mit der nächsten Bundestagswahl, also 2025, das Thema wieder stärker auch öffentlich diskutiert wird“. Es ist schwer zu sagen, wie lange die Diskussionen um das Wahlalter 16 noch anhalten. Fest steht, das Thema wird vor allem unter 18-Jährige noch weiter beschäftigen.

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