Stadt und Land im Vergleich: Die politische Partizipation von Jugendlichen

Ob in pulsierenden Metropolen oder abgelegenen Dörfern unseres Landes – Politik ist überall zu finden. Doch welche Beteiligungsmöglichkeiten bestehen vor allem für Jugendliche? Und sind sie in Stadt und Land gleich?

Bushaltestelle im Herbst. Foto: pixabay (MAILAI)

Politische Partizipation umfasst die Teilnahme an politischen Diskussionen, die Mitgliedschaft in Jugendorganisationen von Parteien, das Engagement in Bürgerinitiativen und Protesten, sowie die Nutzung von Sozialen Medien, um politische Meinungen auszudrücken und Veränderungen voranzutreiben.

Um herauszufinden, wie sich die Beteiligung von Jugendlichen in der Stadt und auf dem Land unterscheidet, wurden 9 Passant*innen im Alter von 16-25 Jahren in Berlin, Rheinland-Pfalz und dem Saarland befragt.

Engagement auf dem Land schwierig

Eine große Gemeinsamkeit der befragten Jugendlichen auf dem Land war, dass diese sich aufgrund der zu geringen Bandbreite an Jugendorganisationen von Parteien, wenig beteiligen. Stella aus dem Saarland sagt: „Ich finde es sehr schwierig, überhaupt in unserer Region außerhalb der etablierten Parteien wie CDU und SPD politisch aktiv zu werden, da das Angebot an anderen politischen Gruppierungen hier begrenzt ist.“ Diejenigen Jugendlichen, die sich engagieren, berichteten, es sei oft schwer, regelmäßig zu Parteitreffen und Sitzungen zu erscheinen. Dies liege auch an der fehlenden Infrastruktur in ländlichen Regionen. Es sei schwierig von A nach B zu gelangen.

Das bestätigt auch die jüngste Bundestagsabgeordnete Emily Vontz, die selbst aus einer ländlichen Gegend im Saarland stammt. Sie hätte als Bewohnerin eines kleinen Dorfes auch nicht immer die Chance gehabt, sich zu beteiligen: „Es ist total schwierig in höheren Ämtern von Jugendorganisationen mitwirken zu können, wenn man es aus zeitlichen Gründen nicht immer zu den Parteitreffen in die Städte schafft“, erinnert sie sich. „Ich habe dann erstmal versucht, mich in meinem nahen Umfeld zu engagieren und habe zum Beispiel bei der Bürgermeisterwahl ausgeholfen.“ Die Situation in der Stadt schätzt sie ähnlich wie die Befragten ein. In der Stadt sei die Bandbreite an Parteien viel größer. „Bei mir in der Heimat sind da eher nur zwei Parteien wirklich greifbar und aktiv“, so Emily Vontz.

Aktivismus in der Stadt hoch

Auch bei den Befragten in der Stadt spielte die Infrastruktur eine Rolle: Die gute Anbindung ermögliche es Jugendlichen, selbstständig politische Veranstaltungen zu erreichen. Diejenigen, die in der Stadt befragt wurden, sind überwiegend aktivistisch aktiv, zum Beispiel bei Fridays for Future, oder engagieren sich in Jugendorganisationen von Parteien. Einige der Befragten erzählten davon, regelmäßig Demonstrationen zu besuchen. „Ich denke, besonders in der Stadt hat man viel Zugang zu Politik und auch Jugendparteien. Da findest du an jeder Ecke eine andere Organisation“, sagte ein gebürtiger Hamburger in Berlin.

Eine Aussage war von mehreren der Befragten in der Stadt zu hören: In den Jugendorganisationen von Parteien hätten sie vermehrt „extreme“ Haltungen wahrgenommen. Deshalb seien sie auch bei keiner Partei. Auffällig ist, dass die befragten Bewohner*innen ländlicher Gegenden diese Beobachtung nicht gemacht haben.

Unterschiedlicher politischer Diskurs

Auf dem Land wurde die Dorf- und Kommunalpolitik sehr hervorgehoben. Diese fände meist „unmittelbar an den Menschen“ statt. Anna aus Rheinland-Pfalz empfindet das Landleben auch für den politischen Diskurs als positiv. „Es herrscht weniger Anonymität als in der Stadt, wodurch sich mehr unterschiedlichen Menschen zum Beispiel auf der Straße über Politik unterhalten. Das kann zu einer stärkeren Meinungsbildung führen.“, sagte sie.

Eher negativ wird in der Umfrage die oft fehlende Tiefe von politischer Partizipation von städtischen Bewohnern beleuchtet. Eine 21-jährige Berlinerin erklärte: „Die Menschen aus der Stadt verfügen meist über so eine Art Roundaboutwissen. Das wird dann oft nicht vertieft.“ Aufgrund der Anonymität in den Städten falle zudem eine Meinungsbildung, die auf anderen Meinungen basiere, schwer.

Eingeschränkte Vergleichbarkeit

Natürlich fällt die Kommunal- und Dorfpolitik im direkten Vergleich deutlich kleiner aus. „Der Vorteil dieser kleinen Politik ist, dass jeder in irgendeiner Weise einen Zugang dazu hat. Oft kennt man jemanden, der entweder im Dorf- oder Stadtrat ist, was einem natürlich das Gefühl von mehr Möglichkeiten der Beteiligung gibt“, sagte Paula aus dem Saarland. Über die kommunale Ebene hinaus habe man jedoch keine Chance.

Allgemein würden laut den befragten Jugendlichen in ländlichen Regionen jedoch viele Bürger*innen aufgrund von Unzufriedenheit gar nicht partizipieren. „Man hat das Gefühl, die Bundespolitik vergisst die ländlichen Regionen und führt eine Politik für die Stadt. Das 9-Euro-Ticket war das beste Beispiel dazu: Es sollte zur Entlastung für uns dienen und im Endeffekt hatte ich gar nichts davon, da hier nur vier Busse pro Tag fahren“, sagte eine Passantin aus dem Landkreis St. Wendel im Saarland. Andere Jugendliche sehen das ähnlich. Auch berücksichtige die Politik die junge Generation in Entscheidungen nicht ausreichend.

Wie geht es besser?

Emily Vontz hat einen Vorschlag zur Verbesserung: „Ich denke, dass Jugendparteien auch in Dörfern und Kleinstädten politische Partizipation attraktiver machen können, indem sie Veranstaltungen planen, die auch für Jugendliche interessant sind.“ Auch die Befragten aus Berlin und den ländliche Regionen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland haben Verbesserungsvorschläge: Die Schulen sollten mehr Aufklärungsarbeit betreiben, um eine frühe Meinungsbildung zu fördern. Dadurch könne die politische Beteiligung zunehmen. In diesem Punkt waren sich ein 19-jähriger Berliner und eine 20-jährige Saarländerin einig. Ebenfalls ist von mehr Jugendpolitik die Rede. „Ich denke, das Augenmerk der Bundespolitik sollte auch wieder mehr auf uns, der Jugend, liegen. Immerhin sind wir die Zukunft“, so eine Jugendliche aus Stuttgart in Berlin. Die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung vieler Jugendlicher könne so verringert werden. Dadurch wachse auch die Begeisterung für Engagement im politischen Bereich.

Die geografische Herkunft von Jugendlichen beeinflusst zweifellos ihre politische Partizipation. Ob in Stadt oder in ländlichen Gebieten, junge Menschen tragen unterschiedliche Perspektiven und Herausforderungen in die politische Arena. Es liegt an der aktuellen Politik, diese Vielfalt wertzuschätzen und politische Partizipation für alle unabhängig von deren Herkunft sicherzustellen.

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