Ein Jahr Café Ukraine

Das Café Ukraine feiert seinen einjährigen Geburtstag. Hier treffen sich ukrainische Geflüchtete, um sich zu vernetzen und gegenseitig zu stärken. Ohne einige Menschen wäre das nicht möglich.

Das Café Ukraine leistet wertvolle Flüchtlingshilfe für inzwischen 4500 Mitglieder. Mit großer Herzlichkeit kümmern sich Natalie und Maryna um ihre Gäste, die das Hilfsangebot dankbar entgegennehmen. Aber auch Menschen wie Dasha und Peter und Horst von der Mahnwache arbeiten mit und unterstützen den Verein. In den ersten Kriegsmonaten gab es eine sehr große Spendenbereitschaft, die allerdings jetzt stark nachgelassen hat. Überall herrscht ein Mangel an gezielten Spenden für ukrainische Menschen. Aktuell finanziert sich das Café durch die Berliner Stadtmission. Im Juni läuft die Unterstützung der kirchlichen Organisation allerdings aus. Wie es dann mit dem Café weitergeht, weiß niemand so richtig.

Dasha

Ganz anders als viele deutsche Medien die Ukraine derzeit porträtieren, ist das Café Ukraine ein fröhlicher Ort. Es scheint, als will der Ort das ganze Trübsal verdrängen, das derzeit mit der Ukraine verknüpft ist. Genau diese Fröhlichkeit strahlt auch Dasha aus. Dasha kommt ursprünglich aus Russland und ist vor 20 Jahren nach Deutschland gekommen. Auch sie ist heute, am ersten April, zur Geburtstagsfeier des “Café Ukraine” gekommen. Hier ist sie als Medienpädagogin tätig und betreut die Gäste des Cafés. Gemeinsam mit Ukrainer*innen, Deutschen und Kasach*innen wird sich hier ausgetauscht, werden ukrainische Spezialitäten verspeist und Figuren aus Salzknete gebastelt. Besonders die Selbstständigkeit, mit der sich die ukrainischen Frauen um die Flüchtlingshilfe kümmern, hat Dasha beeindruckt. “Was kann man gegen den Scheißkrieg schon tun?“, fragt sie. Definitiv sei es wichtig, für andere da zu sein. Für Geflüchtete aus der Ukraine sei dieser Ort die Rettung vor dem sozialen Abstieg.

Natalie

Natalie, die Gründerin des Vereins, hat am Geburtstag alle Hände voll zu tun. Als sie am vierten März letzten Jahres in Berlin ankam, suchte sie sofort Gleichgesinnte, mit  denen sie anderen Geflüchteten helfen konnte. Schon drei Tage später gründete sie mit Unterstützung der Berliner Stadtmission das “Café Ukraine”. Jeden Donnerstag gibt es hier im Café einen Treffpunkt: Es gibt Live-Musik, selbst gebackenen Kuchen und Raum für Austausch. Die Angebote sind kostenlos. Damit die Ukrainer*innen sich in Berlin nicht aus den Augen verlieren, sei es Natalie wichtig gewesen, einen geschützten Ort zu schaffen, an dem sie ihre Kultur pflegen können.

Ein größeres Problem ist die Sprachbarriere, meint Natalie.  Auch wenn Berlin als Stadt zugewandt und offen ist, gebe es nur wenige Menschen, die ukrainisch sprechen. Sprache ist ein elementarer Teil der eigenen Kultur, deshalb ist es für ukrainische Menschen so wichtig, in ihrer eigenen Sprache zu kommunizieren. Andererseits müssen sich Ukrainer*innen auch mit Deutschen verständigen können. Dafür haben sie eine neue Initiative ins Leben gerufen: Das Spiel-Sprach-Café. Hier lernen die Geflüchteten durch Spiele, wie Deutsch funktioniert. Ein stärkerer Austausch zwischen den ukrainischen und deutschen Menschen sei dringend nötig, damit Deutsch besser gelernt werden kann, findet Natalie. Meist kommen zwischen 15 und 30 Leute aus vielen osteuropäischen Ländern: Kasach*innen lernen mit Ukrainer*innen, Russ*innen und Belaruss*innen gemeinsam. Aber die Begegnungen gehen weit über Europa hinaus: Japanische, indische und somalische Gruppen kommen zusammen und reden über ihre Fluchterfahrungen und ihre Heimat aus. Ganz gleich, ob sie mit 150 Freiwilligen die Warschauer Straße aufräumen oder gemeinsame Yogastunden machen, das wichtigste ist das Gemeinschaftsgefühl. “Wir haben alle dasselbe erlebt. Darum sind wir für alle Begegnungen offen.”

Peter und Horst

“Die Ukraine wird siegen.” Das steht auf dem Rücken von Peters Pulli, den er stolz präsentiert. Er ist heute im Café, weil er den Geflüchteten unbedingt helfen möchte. Seit einem Jahr steht er als “Mahnwache” vor der russischen Botschaft und demonstriert gegen den russischen Angriffskrieg. Heute ist er mit seinem Kollegen Horst hier, der mit 82 Jahren eines der ältesten Mitglieder des Vereins ist. Auch er steht jeden Tag, bei “Wind und Wetter”, vor der Botschaft. Oft seien Peter und Horst das Ziel von Angriffen und Anfeindungen. Sie würden als Neonazis und Faschisten beschimpft werden, sagt Peter. Als Sarah Wagenknecht mit rund 13.000 Anhänger*innen für einen sofortigen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine demonstrierte, sei es am schlimmsten gewesen. Die Polizei habe Peter und Horst vor den gewalttätigen Angriffen schützen müssen. Die Angriffe sind auch von russischsprachigen Menschen ausgegangen, sagt Peter. “Wir wurden beleidigt und angespuckt.” Peter glaubt, dass der Krieg nicht am Verhandlungstisch beigelegt werden kann. Jetzt würden nur Waffenlieferungen helfen, findet Peter.

Maryna

Maryna ist ebenfalls eine der Organisatorinnen des heutigen Geburtstages. Sie kommt aus Winnyzja, einem kleineren Ort in der Ukraine, der viele Todesopfer zu beklagen hat. Um den furchtbaren Nachrichten zu entkommen, engagiert sie sich im Café. Heute ist sie mit Kochen beschäftigt: Es gibt Borschtsch, Wareniki und Knoblauchbrot.

Auf die Frage, ob sie sich manchmal überfordert fühlt, lacht sie nur: “Immer!” Weniger arbeiten möchte sie trotzdem nicht, denn das Café raubt ihr nicht nur Kraft und Nerven, es gibt ihr auch Energie und vor allem Ablenkung. Zuvor sei sie oft ängstlich gewesen, aber das habe sich mit dem Engagement geändert. Als sie noch neu in Deutschland war, sei sie oft gefragt worden, was ihr am Land  nicht gefalle. Darauf konnte sie nur immer wieder antworten, dass sie zufrieden sei. Sie hatten eine Unterkunft, sie waren sicher, und: „Es gibt keine Raketeneinschläge.” Trotzdem sei die Frage, ob sie bleiben möchte oder nicht, sehr schwer zu beantworten. Flucht in ein völlig neues Land ist immer mit Heimatverlust verbunden. Teilweise wohnt auch die eigene Familie in der Ukraine. Die Fahrten in die Heimat können sehr schmerzhaft sein, weiß Maryna. Sie vermisst ihr Land und ist hin- und hergerissen zwischen dem sicheren Ausland und ihrer Heimat. Ihr Ehemann konnte mit ihr die Ukraine verlassen, da er schon etwas älter war. Ganz allein ist sie also nicht. Maryna wird sich weiter um Geflüchtete kümmern, ganz gleich, was noch auf sie zukommt.

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