Junge Menschen wollen sich einbringen und gehört werden. Warum es also so wichtig ist, den Schwachstellen der vorhandenen Partizipationsformen zu begegnen und wohin es mit der Stimme der Jugend in der Politik gehen soll – damit hat sich Clara Hümmer beschäftigt.
Politisches Engagement ist in seinen Definitionen und Ausprägungen ebenso vielfältig wie die Menschen, die dahinter stehen. Darunter fällt die Tätigkeit in der Freiwilligen Feuerwehr genauso wie die Unterschrift, die wir bei manch einer Petitionen an den Schluss setzen. Was diese Handlungen laut Politikwissenschaftler Max Kaase jedoch verbindet, ist das Ziel, „Entscheidungen auf den verschiedenen Ebenen des politischen Systems zu beeinflussen“.
Ergänzt und gelenkt wird sie in großem Maße von sozialer Partizipation – von Aktivitäten also, die laut Bundesamt für politische Bildung auf soziale Integration gerichtet sind. Reden wir über politische Mitbestimmung, müssen wir uns demnach nicht nur über politische Teilhabemuster unterhalten, sondern auch über die des sozialen Engagements.
„Es ist schwierig wahrgenommen zu werden“
Um dabei den bestehenden Strukturen Verbesserungspotential zu attestieren, muss engagierten Jugendlichen lediglich zugehört werden. Cara Speer nahm an den JugendPolitikTagen 2019 im Mai teil. Für sie, die selbst in einem Jugendparlament sitzt, ist es „schwierig wahrgenommen zu werden, wenn man jung und weiblich ist“. Ob und inwiefern sie sich vertreten fühlt, sieht sie vor allem als „Frage der Ebene“.
Was in kommunalen Dimensionen noch vorhanden ist, geht auf Landes- und Bundesebene häufig verloren. Schon im Kleinen haben Jugendliche wie sie zu kämpfen, die Anliegen der Jugend zu vertreten – die „Blase“, aus der laut Cara die politische Interaktion oft nicht nach Außen wahrnehmbar tritt und die mit geringer Wahlbeteiligung einhergeht, kommt ihnen meist in die Quere.
Wertvolle Ressource: Die Perspektive der Jugend
Auf der anderen Seite sind da die Lauten und Gehörten, die ihre Freitage für die Zukunft auf den Straßen verbringen und nach und nach mehr Menschen abholen. Unter dem Titel „Eine Generation meldet sich zu Wort“ zeichnet die 2019 veröffentlichte Shell-Studie das Bild von Jugendlichen, die stärker eintreten möchten für die Anliegen der Zeit – und einer Politik unter Zugzwang. 71 % der Jugendlichen bereitet dort beispielsweise die Umweltverschmutzung Sorgen und 65 % der Klimawandel Angst.
In dieser Diskrepanz zwischen Weghören und sich zu Wort melden, gerade in Bezug auf Themen, die die Lebensrealitäten der jungen Generation nachhaltig prägen und dies weiterhin tun werden, liegt das Problem. Dabei birgt eine stärkere jugendliche Perspektive immense Chancen. Themen wie Toleranz und Vielfalt sind laut Shell-Studie schon als „Bestandteil jungen Lebens in Deutschland“ in der Mentalität fest integriert.
Außerdem können Jugendliche demokratische Interaktion und Muster erlernen, wenn sie von Anfang an politisch eingebunden sind. Dazu gehören „Diskussionen und das Ringen um Mehrheiten und Lösungen“, wie es Bundesministerin Dr. Franziska Giffey in einem Brief an die Teilnehmenden der JugendPolitikTage 2019 ausdrückt.
Selbstwirksamkeit erzeugen
Ausschlaggebend ist jedoch grundsätzlich das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Nur wenn wir sehen, dass wir etwas bewirken können, sind wir auch bereit, Zeit und Energie zu investieren. Für Cara Speer ist es deshalb essenziell, dass die Jugendlichen erkennen, „was sie mit ihren kleinen Dingen bewegen können“. Das beginnt bei der Wahl der Ernährung und endet damit, auf Augenhöhe mit Politikern zu verhandeln.
Wenn Heranwachsende Vereine, Verbände, Demonstrationsgruppen und andere Partizipationsformen mitgestalten und zu den ihren machen, dann „wird oft Neues gewagt, werden nachhaltige Entwicklungen angeregt und notwendige Veränderungen angestoßen“, wie es die Deutsche Sportjugend auf den Punkt bringt.
Politik gestalten – von Jugendlichen für Jugendliche
An Umsetzungsvorschlägen, wie sie ebenfalls in der Jugendstrategie formuliert sind, mangelt es dabei nicht. Es bräuchte inklusiveres, intergenerativeres Denken und innovative Angebote, die medienwirksam verbreitet werden. Auch der Ruf nach flexibleren Partizipationsformen wird lauter, um der Problematik der Vereinbarkeit mit Schule und Studium zu begegnen. In schulischen Pflichtveranstaltungen ließen sich neue Zielgruppen erschließen und dem Anspruch der breiten Beteiligung nachkommen – mit den Worten der Bertelsmann Stiftung aus dem „Wegweiser breite Bürgerbeteiligung“ gesagt: „Vielfalt statt Vielzahl“. Auch Maßnahmen wie Quotenregeln für die Ämtervergabe oder ein Überdenken des Wahlalters stehen seit Jahren in der Diskussion.
Das zeigt, dass Jugendliche nicht nur bei der politischen Partizipation an sich beteiligt werden müssen. Es gilt ebenso, sie zu der Art und Weise ihrer Beteiligung zu Wort kommen zu lassen. Welche qualitativ hochwertigen Strukturen, Visionen und Zukunftsbilder die Betroffenen dabei entwerfen, wird dann sichtbar, wenn wir genau das tun, was sie von uns verlangen – hinhören und einbeziehen.