Isabel Knippel analysiert, ob Secondhandklamotten, fleischlose Produkte und Petitionen gegen Zigarettenstummel die neue Revolution der Jugendlichen sind.
Engagement ist für die Gesellschaft wichtig. Doch ist es heute auch noch selbstverständlich? Die Generation Z wird häufig als politikverdrossene Kohorte dargestellt, die lieber Stories über Avocado-Toasts auf Instagram teilt, als Missstände anzuprangern. Es gibt immer weniger Jugendliche, die sich mit einer Partei identifizieren und sich dort engagieren. Der Zustrom zu Bewegungen wie „Fridays for Future“ zeigt allerdings ein anderes Bild. Demonstrationen – beispielsweise zu Artikel 17 (früher 13) – zeigen, dass die heutige Jugend ihre Stimme als Digital Native in der Gesellschaft wahrnimmt.
Doch wie revolutionär ist unsere Generation wirklich? Hört man sich auf den Jugendpolitiktagen um, dann werden große Änderungen und radikale Umstürze geplant. Einige engagieren sich – und die Ideen und Projekte der Teilnehmenden sind zudem sehr vielfältig.
Viele Jugendliche sind schon aktiv
Ein Teilnehmer will eine Organisation für vielfältigere Städte, frei von Schmutz und mit mehr grünen Flächen gründen. Auch Zigarettenstummel auf den Böden sollen angeprangert werden. Andere haben in ihren Wohnorten „Fridays for Future“ aufgebaut oder kandidieren sogar für die Kommunalwahlen. Eine Teilnehmerin macht klar, dass man sich auch als weiße, eigenbestimmte und nichtmuslimische Frau für die Islamkonferenz einsetzen kann. Manche arbeiten schon jetzt mit in der Regierung, in Familienausschüssen oder nutzen die Tage, um für ihre Partei Werbung zu machen.
Ein Arbeitsgruppenleiter stellt die Organisation vor, die er gegründet hat, „Demokratie Innovation“ heißt sie. Es geht um Bürgerräte, die – durch Losziehen – aus der Bevölkerung bestimmt werden sollen. Diese geben dann auf Bundesebene Empfehlungen an die Regierung weiter. Er selbst sagt, dass seine Idee nur schwer Anklang finde, weil es uns in Deutschland noch zu gut gehe. Auch die Frage, ob es den jetzigen Jugendlichen in Zukunft besser oder schlechter, als ihre Eltern haben gehen werde, beantworten viele positiv. Wenige Stimmen positionieren sich auf der negativen Seite und sehen unsere Zukunft, aufgrund von einschlägigen Veränderungen des Klimas und einer Ausgrenzung von Minderheiten, pessimistischer.
Wie kann ich mich noch mehr beteiligen?
Wieviel engagierst du dich selbst für eine nachhaltigere Zukunft und ein geeintes Miteinander? Das ist eine Frage, die über den gesamten Jugendpolitiktagen schwebt. Individuelle Handlungsmöglichkeiten sind ein Thema in jedem Forum. Bei der Einschätzung in einer Arbeitsgruppe positionieren sich die meisten bei über 50 Prozent, manche sogar bei 100 Prozent – mehr Engagement ist für sie nicht möglich. „Das hört sich vielleicht blöd an, aber alle meine Klamotten wurden schon einmal von einer anderen Person getragen und benutzt“, sagt eine Teilnehmerin. Dafür erhält sie Unterstützung. Viele kaufen Secondhand-Klamotten, ohne es peinlich oder unhygienisch zu finden.
Auch wichtig: „Engagement bedeutet ja nicht unbedingt Veganer zu sein.“ Viele essen kein Fleisch oder Produkte tierischen Ursprungs, regen somit Diskussionen im Freundeskreis oder gelten als Vorbild für bewusste Ernährung. Doch Engagement kann auch sein, sich für andere einzusetzen: Ob in der Leitung einer Gruppenstunde bei den Pfadfindern, als Aushilfe im Seniorenheim oder damit, Geflüchteten bei bürokratischen Angelegenheiten unter die Arme zu greifen.
Luft nach oben gibt es immer!
Eine Teilnehmerin widerspricht den anderen aus ihrer Gruppe in einem bestimmten Punkt. Auch wenn sie sich alle schon engagieren und vielleicht in diversen Vereinen oder Organisationen seien: Luft nach oben sei immer da. „Wir sollten nicht aufhören, darüber nachzudenken, was jeder Einzelne für die Gesellschaft verändern kann“, sagt sie. Sie wolle zwar nicht als „Social Warrior“ gelten, aber finde trotzdem, dass man immer mehr tun könne.
Das alles klingt sehr positiv. Doch ist die Klientel der Teilnehmenden eine Abbildung der Gesellschaft? Vielleicht erreicht man immer nur diejenigen, die sich sowieso schon engagieren. Aus der eigenen Blase herauszukommen und Leute zu überzeugen, die nicht der eigenen Meinung sind, ist oft schwer möglich.
Wenn man eine der wenigen Personen ist, die eine radikalere Position als der Mainstream vertritt, ist es nicht immer leicht, diese zu äußern. Bei Aktionen des zivilen Ungehorsams findet bei vielen Teilnehmenden das Engagement eine Grenze – selbst, wenn sie sich dabei für einen schnelleren Kohleausstieg einsetzen. Auf die Gleise setzen oder im Polizeikessel eingeschlossen zu sein, damit können die wenigsten Teilnehmenden etwas anfangen. Das war Revolution in der Vergangenheit – wie wird es in Zukunft sein?