Klimagerechtigkeit braucht Feminismus

Klimagerechtigkeit kann es nicht ohne Antirassismus, Dekolonialismus und Feminismus geben, findet politikorange-Redakteurin Constanze North. Aber wie positionieren sich eigentlich Klimabewegungen in Deutschland zu Intersektionlität im Kampf gegen die Klimakatastrophe? Ein Kommentar.

Foto: Foto von Markus Spiske, Pexels
Foto: Foto von Markus Spiske, Pexels

Die Klimakatastrophe ist mehr als nur ein Umweltproblem, sie ist eine politische und ethische Herausforderung. Denn sie verdeutlicht bestehende Ungleichheiten und Machtverhältnisse auf der Welt und zeigt die Ungerechtigkeiten einmal mehr auf, die bereits jahrhundertelang durch Kolonialismus, Kapitalismus, Patriarchat und Ausbeutung bestimmter Regionen unsere Welt bestimmen. Der Klimawandel ist also ein Gerechtigkeitsproblem, denn unter seinen Folgen leiden besonders die Bevölkerungsgruppen, die am wenigsten für ihn verantwortlich sind. Oft im Globalen Süden gelegen, sind sie dem Klimawandel ausgeliefert, während sich die Länder des Globalen Nordens, die stark umweltverschmutzend wirtschaften, die meisten Ressourcen besitzen, um sich weitaus besser gegen die Folgen der Klimakrise schützen zu können.

Gleichzeitig spielt hierbei auch das soziale Geschlecht eine Rolle, einerseits bei der Frage, wer am stärksten von Klimafolgen betroffen ist und andererseits bei der Entwicklung von Lösungsansätzen für Klimagerechtigkeit, bei denen – bedingt durch patriarchale Strukturen – Frauen, sowie nicht-binäre und queere Menschen nicht gleichberechtigt am Diskurs beteiligt sind. Um dies zu ändern, muss der Kampf für Klimagerechtigkeit intersektional(-er) werden. Langfristig sollte ein globales, gleichberechtigtes Netzwerk etabliert werden, sodass neue ökologische Perspektiven nachhaltig etabliert werden. Folglich muss Klimagerechtigkeit also die Klimakatastrophe als politisches und ethisches Problem anerkennen, welches im Einklang mit anderen Kämpfen gegen Diskriminierungen gelöst werden muss.

One struggle, one fight

Auch die deutschen Klimabewegungen beispielsweise Fridays for Future oder Ende Gelände setzen ihren Fokus gezielt auf das Konzept der Klimagerechtigkeit. So positioniert sich beispielsweise die Ortsgruppe in Hannover von Fridays for Future konkret zur Verbindung von feministischem Kampf und Klimakrise. Im Gespräch mit Helen und Zora, zwei Aktivist*innen dieser Fridays for Future Gruppe, wird deutlich, wofür eine klimagerechte Politik steht: „Wir möchten, dass eine Klimapolitik so geführt wird, dass soziale Ungerechtigkeiten aufgelöst werden, sodass niemand stärker benachteiligt wird als andere und dass gegenwärtige Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen, oder auch gegenüber PoCs (Anmerkung der Redaktion: People of Color), die durch die Klimakrise noch verstärkt werden, gemeinsam durch eine klimagerechte Politik bekämpft werden.”

Plattform der Stimme

Der Kampf gegen die Klimakatastrophe muss also intersektionell geführt werden, da die Probleme, die durch Rassismus und Kolonialismus in einer patriarchalen Gesellschaft  entstehen, unmittelbar damit verbunden sind. Jedoch bleibt die Frage, inwiefern Aktivist*innen beispielsweise aus dem Globalen Süden wirklich mit in Entscheidungsprozesse von Fridays for Futures einbezogen werden. Auch die Darstellung von Fridays for Future in der Öffentlichkeit wird sehr stark durch einige wenige Personen, wie Greta Thunberg oder in Deutschland Luisa Neubauer dominiert, weshalb selten andere Positionen zur Geltung kommen. Auch Helen und Zora erklären, dass sie sich bewusst seien, dass in der Debatte momentan Aktivist*innen aus dem Globalen Norden stärker vertreten sind und dass sie deswegen speziell in ihrer Ortsgruppe aktiv dagegen arbeitende Projektgruppen bilden, beispielsweise zu Themen wie „Internationalismus”. Trotzdem bleibt zu bedenken, dass, wenn bestimmten Aktivist*innen des Globalen Süden eine sogenannte „Plattform oder Stimme gegeben wird”, kolonialen Kontinuitäten mitschwingen.

Foto: Lindsey LaMont, Unsplash
Foto: Lindsey LaMont, Unsplash

Feminismus bei Fridays for Future

Über die Rolle des Feminismus bei Fridays for Future, sagen Zora und Helen: „Feminismus spielt für uns eine Rolle, indem wir uns einerseits über die Wichtigkeit der Bekämpfung des Patriarchats in der Bekämpfung der Klimakrise bewusst sind. Andererseits versuchen wir natürlich auch in unserer Arbeit gegen patriarchale Strukturen vorzugehen, indem wir uns zu Themen positionieren, die eben im Zusammenhang mit Feminismus stehen und dass wir auch in unserer ortsgruppen-internen Arbeit versuchen, so antisexistisch zu arbeiten, wie nur möglich.” Auch auf Bundesebene bemüht sich die Bewegung antipatriarchale Strukturen zuerschaffen, zum Beispiel durch FINTA*-Quoten (FINTA* steht für Frauen, Inter, Nicht-Binär, Trans, Agender) in all ihren Gremien und Organen. Lässt sich deswegen auch erklären, dass sich nicht nur bei Fridays for Future, aber auch in anderen Klimabewegungen, vor allem Frauen engagieren und die Personen, die in der Öffentlichkeit stehen weiblich sind?

Deutsche Klimabewegungen sind weiblich

Die taz-Redakteurin Katharina Schipkowski, die häufig über verschiedene deutsche Klimabewegungen berichtet, findet dass „diese aktuell auf jeden Fall sehr weiblich geprägt seien. ,,Die Klimabewegung in Deutschland hat ja schon häufig den Vorwurf bekommen, dass sie vor allem weiß und akademisch geprägt ist und deshalb hat sie nun in den letzten Jahren versucht, andere Themenfelder in ihr großes Themenfeld ‘Klimakatastrophe und Klimagerechtigkeit’ zu integrieren.’’ Gerade weil Fridays for Future eine globale Bewegung ist, bleibt es unausweichlich, dass sie eine dekoloniale Perspektive annimmt. Denn es kann für sie keine Klimagerechtigkeit ohne Antirassismus, Dekolonialismus und Feminismus geben. Aber die Frage bleibt: muss in einem kapitalistischen System, welches Ungleichheiten verschärft und auf bestehenden Machtstrukturen und der Ausbeutung von Mensch und Umwelt basiert, nicht auch gleichzeitig das System in Frage gestellt werden ?

Die Systemfrage stellen

Andere Bewegungen, wie beispielsweise Ende Gelände sehen den Kampf gegen die Klimakatastrophe und die Systemfrage in unausweichlicher Verbindung. Das bedeutet, dass soziale und ökologische Fragen zusammen betrachtet und gelöst werden müssen.

Die Überwindung des Kapitalismus ist für sie unumgänglich und der Systemwechsel dieeinzige Möglichkeit, die Klimakatastrophe zu bekämpfen. Daher ist es wichtig, unverzüglich mit der Abschaffung des kapitalistischen Systems unter Beteiligung aller Gruppen aus dem Globalen Süden und dem Norden zu beginnen und auf neue ökologische Alternativen umzubauen. Wenn das nicht gelingt, wird das jetzige System in absehbarer Zeit wohlmöglich zusammenbrechen.

 

Dieser Artikel entstand im Rahmen des Projekts ‚#greenjournalism – Klimaschutz und Journalismus‘, welches gefördert wurde durch den Jugend-Demokratiefonds Berlin.

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