Von der Opposition zur Weltrevolution?

Mit 9,1 Prozent ist die Partei „Die Linke“ in Hamburg stärker geworden. Ihr Ziel war weiterhin eine starke Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft zu konstituieren. politikorange-Autorin Alexa Vaagt hat die Mitglieder und Kandidierenden der Linken gefragt: Was halten sie von einer Regierungsbeteiligung – in der Hansestadt und auf Bundesebene?

Die Rolle der SPD in der Großen Koalition wird häufig kritisiert. Die Sozialdemokraten würden bei der Zusammenarbeit mit der Union ihre eigenen Positionen verlieren und wären zu nachgiebig, heißt es von GroKo-Gegnerinnen und Gegnern. Diese Debatte spaltet auch die eigene Partei in zwei Lager. Zu viele Kompromisse würden zu einem Aufgeben ihrer sozialdemokratischen Ausrichtung führen. So ein Schicksal will die Linke in Hamburg vermeiden und positioniert sich klar: Sie will in die Opposition.

Die Linke wird mit 9,1 Prozent voraussichtlich zweitstärkste Oppositionskraft

Spitzenkandidatin Cansu Özdemir
Foto: Jonas Gebauer

Ohne Anspruch auf Regierungsbeteiligung führen die Linken ihren Wahlkampf – für ein solidarisches Hamburg und soziale Gerechtigkeit. Dabei stehen Themen wie der Mietendeckel, der öffentliche Nahverkehr und eine soziale Klimapolitik im Vordergrund. „Sie redet doch bestimmt von der Weltrevolution“ witzelt ein Zuschauer im Medienzentrum über Cansu Özdemir, während sie kaum 30 Meter entfernt in einer Live-Runde des NDR am Wahlabend spricht. Nein, von der Weltrevolution war nicht die Rede, sondern von dem Wahlergebnis der Linken, das mit 9,1 Prozent einen Zuwachs an Wählenden bedeutet. Aber auch die Erfolge der SPD und Grünen wurden besprochen, da bei einer rot-grünen Koalition die Regierung einen hohen Anteil der Bürgerschaft ausmachen würde, was gleichzeitig die Opposition schwächt. Gerade deshalb hält die Landesvorsitzende Olga Fritzsche die Verantwortung der Opposition für außerordentlich groß.

Bisherige Erfolge in der Bürgerschaft

In einem Interview des NDR verwies die Spitzenkandidatin der Linken auf Erfolge ihrer Partei, die aus der Position der Opposition zu verzeichnen sind. Darunter falle der Landesmindestlohn und die Enquete-Kommission für den Kinderschutz. Am Wahlabend betont sie die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern in Hamburg als Faktor für ihren Zuwachs an Wählenden. Die Zusammenarbeit mit Initiativen bringe die Anliegen direkt in die Bürgerschaft, erklärt auch Keyvan Taheri, der für den Wahlkreis Winterhude-Eppendorf kandidierte. Deshalb sei die Partei eine Bewegungspartei, die standfest bleiben muss. Kompromisse sollen kein Aufgeben der eigenen Standpunkte bedeuten. Standhaftigkeit steht über Konsensfähigkeit, dabei sind sich viele der Hamburger Parteimitglieder einig.

Regierungsbeteiligung auf Bundesebene vorstellbarer 

Auf gesamtstaatlicher Ebene steht eine Regierungsbeteiligung noch eher zur Debatte. Ende November letzten Jahres berichtet der SPIEGEL von Stimmen in der Linkspartei, die für eine Regierungsbereitschaft plädieren. Vor allem Katja Kipping übe Druck auf die Partei aus, welche sich auf die Möglichkeit einer Rot-Rot-Grünen, auch R2G genannten, Koalition vorbereiten soll. In der Hansestadt ist man sich größtenteils einig, dass das Bündnis auf Bundesebene eine denkbarere Option wäre.

Warum? Ulla Taha, Kandidatin für den Wahlkreis Süderelbe, stellt einen Unterschied in den Ausrichtungen der Landesparteien fest. Die Bundespartei der SPD hätte mit ihrem neuen Spitzenduo ein Statement gesetzt. Diese Diskrepanz lässt sich auch anhand der fehlenden Präsenz der Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans im Hamburger Wahlkampf demonstrieren. Diese seien „zu links“ für die Sozialdemokraten der Hansestadt, erklärt Ali Haydar Mercan, Fraktionsvorsitzender der Linken in der Ahrensburger Stadtversammlung. Das ist auf Bundesebene dann möglicherweise „links genug“ für eine Kooperation.

Den Linken gehe es aber hauptsächlich um Inhalte und welche davon umsetzbar seien, das wird immer wieder unterstrichen. Demnach muss sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene auf die Durchsetzbarkeit von Positionen geschaut werden. Cansu Özdemir sieht da vor allem die Außenpolitik der BRD als problematischen Gegenstand, der eine mögliche Einigung von SPD, Grünen und Linken verhindern könnte.

Das konsequente Einsetzen für soziale Gerechtigkeit wäre mit der SPD in Hamburg nicht möglich. Obendrein hätten die Grünen in der Bürgerschaft ihre Positionen auf Druck des Koalitionspartners aufgeweicht. Konkret benennt Taha dabei die Ablehnung eines Antrags der Linken für 70 minderjährige Geflüchtete aus den griechischen Lagern. Andere Mitglieder kritisieren zudem die Abschiebungen nach Afghanistan aus dem Hamburger Stadtstaat, das auch von den Hamburger Grünen unterzeichnet wurde.

Was sagt die SPD zu einem Bündnis?

Eine Kooperation der Linken mit einer beiden stärksten Parteien des Stadtstaats ist zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen. Da diese, wie schon in der letzten Legislaturperiode höchstwahrscheinlich wieder gemeinsam regieren werden, stellt sich diese Frage auch von Seite der anderen Parteien nicht. Gleichzeitig gibt es innerhalb der Bundespartei der SPD Stimmen für ein solches Bündnis auf gesamtstaatlicher Ebene, darunter der Regierende Bürgermeister Berlins Michael Müller. Nach Bericht des Tagesspiegels sollen ihm zufolge soziale Themen gestärkt werden, wie es aktuell unter der R2G-Koalition in der Hauptstadt zu beobachten sei. Auch Karl Lauterbach, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag spricht sich für das Bündnis aus, da man nur in dieser Konstellation bestimmte Ziele erreichen könnte. Das scheint parallel eine Kritik über die langjährige Koalition mit der Union zu sein. Dennoch gibt es, wie momentan bei mehreren Angelegenheiten, keine einheitliche Meinung innerhalb der Partei.

Die Verantwortung der Opposition

Es bleibt spannend, wie die Linke in Zukunft in der Hamburgischen Bürgerschaft agieren kann. Eine Herausforderung kann beispielsweise die Berufung parlamentarischer Ausschüsse darstellen. Dafür wird ein bestimmter Anteil an Stimmen vorausgesetzt, erklärt die Landesvorsitzende Olga Fritzsche.

Cansu Özdemir und Olga Fritzsche auf der Wahlparty Foto: Jilan Alsaho

Nach jetzigen Stand, in welchem SPD und Grüne zusammen regieren würden, teilt sich die Linke die Opposition mit der CDU und der AfD – den zwei Parteien, die politisch am weitesten von ihr entfernt sind. Mit der AfD wird jegliche Zusammenarbeit ausgeschlossen. Überraschenderweise gibt es mit den Christdemokraten eine Gemeinsamkeit im Bereich öffentlicher Mobilität. Da plädieren beide Parteien für ein 365-Euro Ticket und den Bau einer Straßenbahn in der norddeutschen Großstadt.

Ob Rot-Rot-Grün im Bund eine Alternative darstellen könnte, wird sich bei der nächsten Bundestagswahl zeigen. Aktuell hätte dieses Bündnis aber noch keine Mehrheit, das hebt Cansu Özdemir hervor. Regieren will die Linke nicht des Regieren willens. Da scheinen sie Christian Lindners Aussage nach Scheitern der Jamaika-Verhandlungen „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ zuzustimmen, auch wenn sie mit seiner Partei sonst nicht viel gemeinsam haben.

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