5 Lehren aus der Sachsenwahl

Einen Tag nach dem Wahlausgang analysiert politikorange-Redakteur Julius Kölzer die Ergebnisse der Parteien in Sachsen, von denen nur eine wirklich gewonnen hat.

Michael Kretschmer ist mit seiner CDU knapper, aber glücklicher Gewinner der Wahl. Foto: Jonas Gebauer

1. Die Sachsen-CDU ist noch am Leben und Kretschmer der Gewinner

Mit einem Ergebnis von rund 32 % kann die sächsische CDU sich als stärkste Kraft behaupten und vermeidet damit das Schreckensszenario, das viele im Angesicht vorheriger Umfragen befürchtet hatten. Auch wenn der Ausgang sieben Prozentpunkte schlechter ist, als noch bei der Wahl 2014, und man zudem besonders in Ostsachsen viele Direktmandate an die AfD verlor, schaffte es Ministerpräsident Kretschmer, den großen Wählerschwund nach rechts zu verhindern. Vor allem durch seine Offenheit gegenüber unzufriedenen Wählern auf einer marathonartigen Vielzahl von Wahlkampf-Veranstaltungen, die er im Rahmen seiner Zuhör-Tour organisierte, gelang es ihm, im eigenen Lager wie parteiübergreifend hohe Beliebtheitswerte zu erzielen. Die CDU verspürte auch deswegen von SPD, Grünen und Linken einen beachtlichen Wählerzufluss, da man sich dennoch klar nach rechts abgrenzte. Auch seinen eigenen Wahlkreis in Görlitz konnte der Ministerpräsident verteidigen. Die „Methode Kretschmer“ könnte sich auch bundesweit für die CDU zu einer möglichen Methode im Umgang mit frustrierten AfD-Sympathisanten etablieren.

Die Koalitionsbildung wird für die CDU vor allem aufgrund des starken Ergebnis der AfD deutlich schwieriger als noch 2014. So wird sich Ministerpräsident Kretschmer mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie viele Überschneidungen es mit den Grünen in einer möglichen Kenia-Koalition gibt und ob man sich mit so einem Bündnis für die AfD noch mehr zur Zielscheibe macht.

2. Die AfD ist im Aufwind

Für Jörg Urban, dem sächsischen AfD-Spitzenkandidaten, reichte das ostdeutsche Mobilisierungspotenzial der AfD zwar nicht aus, um sich nahezu aus dem Stand an die Spitze des Landtags zu katapultieren, dennoch ist das Ergebnis der Rechtspopulisten beachtlich und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen gelang es der Partei, in absoluten Zahlen ihr Ergebnis bei den Zweitstimmen zu vervierfachen und bei den Erstimmen zu versechsfachen. Keiner anderen Partei gelang es zudem, so viele Stimmen ehemaliger Nichtwähler zu mobilisieren wie der AfD. Nach aktuellen Zahlen zur Wählerwanderung, entschieden sich insgesamt 250.000 Menschen die beim letzten mal nicht den Weg zur Urne machten, dieses Mal dazu, ihr Kreuz bei der AfD zu setzen. Das sind in etwa genau so viele, wie der gesamte Zufluss an Wählenden von allen anderen Parteien zusammen. Laut Zeit Online sind somit ganze 41 % des AfD Ergebnis allein auf ehemalige Nichtwähler zurückzuführen. Zusätzlich gaben 70 % der Personen, die in Sachsen AfD wählten, an, die Partei nicht aus Protest sondern aufgrund ihrer Inhalte zu wählen.

Ein Radikalisierungsprozess? Sicher ist: Wie und ob das Verhalten anderer Parteien gegenüber den Rechtspopulisten dadurch beeinflusst wird, könnte kommende Wahlkämpfe deutlich interessanter machen.

3. Die Linkspartei versackt in der Orientierungslosigkeit

Betrachtet man die prozentualen Verluste der Linken in Sachsen, steht die Partei von Spitzenkandidat Nico Gebhart an der Spitze. Mit dem Ergebnis von 10% hat die Linke inzwischen Werte erreicht, wie sie sonst nur aus den alten Bundesländern kennt. Das Image als Ostpartei, das ihr aufgrund ihrer Verwurzelung in den neuen Bundesländer häufig zugetragen wird, schwindet allmählich. Zwar sagen nach gestrigen ARD-Umfragen immer noch 25% der Sachsen, dass die Linken am ehesten ostdeutsche Interesse vertreten, doch schreiben ihr gleichzeitig 68% der Sachsen zu, ideenlos zu sein. 59% meinen, dass ihre Ansicht zu Geflüchteten „viel zu positiv“ seien.

Besonders der Verlust der Linken in der Altersgruppe 60+, also in der klassischen Vorwende-Generationen, ist brisant. Dort erleiden sie Verluste in zweistelliger Höhe.

Der Streit vergangener Jahre zwischen Sahrah Wagenknecht und Parteichefin Katja Kipping, lässt ähnliche Fragen aufkommen: Für wen macht die Linke Politik? Für ein liberales Großstadtmilieu, für abgehängte Protestwählende, oder für radikale Vertreter einer sozialistischen Idee? Dieser Frage wird man sich beim richtungsweisenden Parteitag im kommenden Februar stellen müssen.

4. Realitätscheck für die Grünen

Auch wenn es ein wenig charmant klingt, aber mit 8,6% erreichen die Grünen bei den Landtagswahlen in Sachsen einen neuen Höchstwert. Trotzdem war auch im Gesicht der Spitzenkandidatin Katja Meier am gestrigen Wahlabend  Ernüchterung zu erkennen. Vor allem in den Studierenden-Städten, Leipzig und Dresden hatten sich die Grünen bessere Zweitstimmen-Ergebnisse erhofft. Auch die neu gewonnen Direktmandate konnten die Hoffnungen aus den Umfragen auf ein zweistelliges Ergebnis, nicht erfüllen. Für den bundesdeutschen Höhenflug der Partei ist die Wahl daher eine Art Realitätscheck. Themen wie Umwelt- uns Klimaschutz, mit denen man zur Europawahl in westdeutschen Flächenländern Rekordergebnisse erzielte, wirken in Sachsen eher polarisierend.

5. Die SPD im gewohnten Abwärtstrend

Für die SPD verlief der Abend mit gemischten Gefühlen. Während sich Dietmar Woidke in Brandenburg mit souveränen 26% stabilisieren konnte, erlebte Martin Dulig in Sachsen eine Katastrophe und wurde mit seiner Partei nur noch fünftstärkste Kraft. Die Probleme in Sachsen sind ähnlich wie die auf Bundesebene: Kein klares Profil, keine Nachricht und keine Sichtbarmachung eigener Erfolge in der Großen Koalition. Trotzdem werden die Sozialdemokraten wohl auch in der kommenden Regierung eine Rolle spielen: Da die CDU nicht mit AfD und Linken koalieren möchte, ist die SPD zum Regieren gezwungen.

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