Vom Privileg, privilegiert zu sein

Deutschland: Ungleiche Chancenverteilungen trotz Sozialstaat. Ist das gerecht? Auf den Jugendpolitiktagen diskutierten Jugendliche über das Thema. Unsere Reporterin Lilian Sekkai war dabei. 

Chancengleichheit
Chancengleichheit für Frauen – Rezan Oraki.   Foto: Christopher Folz

Chancengleichheit hört bereits im Elternhaus auf. Der Zugang zu Bildung entscheidet sich, sobald du geboren bist. Entweder du hast Glück – oder eben nicht. Fördermöglichkeiten ziehen sich von der Grundschule über die weiterführende Schule bis hin zum Schulabschluss. Für manche junge Menschen endet der Bildungsweg bereits beim Hauptschulabschluss. Dies belegt auch der Hochschul-Bildungs-Report, eine neue Studie des Stifterverbands und der Unternehmensberatung McKinsey. Durchschnittlich besuchen nur 21 von 100 Kindern aus Arbeiterfamilien Universitäten, während 74 von 100 Akademiker-Kinder studieren gehen.

Wer in der gesellschaftlichen Pyramide „unten“  steht, hat auch im Sozialstaat weniger Möglichkeiten aufzusteigen. Trotz einiger Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit ist es klar, dass der Weg nach oben für jene die sowieso schon „oben“ sind immer kürzer und vor allem leichter ist. Dieser Meinung ist auch Kevin Saukel. „Kinder aus besseren Bildungsschichten, die Hilfe vom Elternhaus oder Nachhilfemöglichen beanspruchen können, haben es immer einfacher, als junge Bürger aus ärmlicheren und bildungsfernen Familien, die auf sich alleine gestellt sind“, sagt der 18-jährige.

Individualität und Diversität bieten die Möglichkeit für eine vielfältige Gesellschaft, sorgen aber auch für Ungleichheit zwischen Geschlechtern, Herkunft, Einkommen und sozialer Schicht. „Ich finde interessant, was die Jugendlichen diesbezüglich von Deutschland oder von Europa erwarten und wie sie mit dieser Ungerechtigkeit umgehen“, sagt Saukel.

Gleiche Bedingungen für alle vs. gleiche Chancen für alle….

… das ist nicht das Gleiche. Soll der Staat sich für Frauenquoten einsetzen, um das benachteiligte Geschlecht zu stützen oder wird dadurch das männliche Geschlecht in Teilen seiner Chancengleichheit beraubt? „Jeder hat einen unterschiedlichen Hilfe-Bedarf, und der sollte auch hergestellt werden“, sagt Saukel. Genauso sieht das auch Rezan Oraki. Die 21-jährige Studentin aus Bonn wünscht sich, dass Frauen nicht mehr zwischen Familie und Karriere abwägen müssen. „Es müssen Bedingungen geschaffen werden, sodass Frauen die gleichen Chancen wie Männer haben“, sagt Oraki.

Nur eine Quote

Oraki, die in Niedersachsen das Gymnasium besuchte und aus einer eingewanderten Familie stammt, erlebt das selbst. „Als Schülerin mit Migrationshintergrund bist du oftmals nur eine Quote und wirst auch anders behandelt“, sagt sie. In Familien mit Migrationshintergrund herrschen andere Bedingungen und das müsse auch in der Schule berücksichtigt werden.

Meinungsbildung beginnt in der Schule, was Oraki und Saukel nur bestätigen können. „Die Schule ist der beste Ort dafür, zu lernen, sich eine Meinung zu bilden – aber nicht in der momentanen Form“, sagt Saukel. Es müsse sich pädagogisch grundliegend etwas ändern.

Alles Neu in der Schule

Chancengleichheit
Pädagogische Veränderung und Chancengleichheit fordert Kevin. Saukel Foto: Christopher Folz

Schule in der heutigen Form fördere für viele keine vernünftige Bildung und müsse umstrukturiert werden, so Saukel. Auch Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Diskriminierungen sollten behandelt und aufgezeigt werden. Die so genannte intersektionale Pädagogik sei eine Chance auch durch Bewegungs- und Tanzpädagogik die Gesellschaft widerzuspiegeln und bewusst wahrzunehmen.

Durch die spielerischen Übungen könnten die Schüler die Dimensionen und das Ausmaß von Chancenungleichheiten viel besser vor Augen geführt bekommen. Außerdem solle Bildung nicht immer nur aus Büchern gelehrt, sondern spannend gestaltet werden. Dies schaffe mehr Interesse und fördere die Meinungsbildung der jungen Menschen, sagt Saukel.

Dabei benennt Saukel eine Digitalisierung von Schulen als mögliche Lösung. Das sei zwar kein Ersatz für analoge Mittel, aber ein Start. „Digitale Medien zerstören alte Grenzen und schaffen vielseitige, neue Möglichkeiten“, sagt Saukel. Das Schreiben mit Papier und Stift solle aber unbedingt weitergeführt werden. Hierfür müssten nicht nur neue Lehrkräfte fortgebildet werden, auch digitale Geräte müssten in Medienzentren zur Verfügung stehen. Nur so hätten alle Jugendlichen die gleichen Chancen.

Lösungsansätze

Als mögliche Lösungsansätze, um ausgeglichene Bildungs- und Arbeitschancen zu schaffen, wurden auch bei den Jugenpolitiktagen 2019 einige Vorschläge erarbeitet.

  1. Kostenlose Kitaplätze für ALLE.
  2. Ein kostenloses öffentliches Personennahverkehrs- Ticket (ÖPNV-Ticket) besonders für Schülerinnen und Schüler, Aauszubildende und Studierende in ganz Deutschland.
  3. Anonyme Bewerbungen, die die selben Möglichkeiten für alle schaffen.

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