„Wenn die Pressefreiheit hüstelt…“

Wieder einmal war politikorange am Internationalen Tag der Pressefreiheit in Berlin mit einem Plakatbike des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) unterwegs, um auf das Thema aufmerksam zu machen und mit Passantinnen und Passanten ins Gespräch zu kommen. 2018 haben sich Sascha Kemper und Lennart Glaser am 3. Mai aufs Rad geschwungen.

Das Plakatbike unterwegs in Berlin Foto: Sascha Kemper/Lennart Glaser

#FreeThemAll – ein quasi omnipräsenter Hashtag der heutigen Zeit. So omnipräsent, dass man sich eigentlich schon daran gewöhnt hat. Er ist, zumindest hierzulande, ein Überbleibsel, ein Rudiment der Empörungswellen über die Festnahme sowie die Freilassung Deniz Yücels in der Türkei.
Dabei entwickelt er sich eigentlich zu einem Symbol des Kampfes für Pressefreiheit weltweit: Hinter jedem Tweet zu diesem Thema, hinter jedem Beitrag steckt ein brutales und vor allem undemokratisches Ereignis. Nach wie vor werden Journalistinnen und Journalisten auf der ganzen Welt angefeindet, festgenommen und getötet – nur weil sie ihre Arbeit machen. „Mitglied einer terroristischen Vereinigung“ zu sein, ist gerade als Vorwurf in Mode, um Reporterinnen und Reporter aus dem Verkehr zu ziehen.

Das ist tragisch und erschreckend zugleich, spielt die Presse doch eine entscheidende Rolle in einem Rechtsstaat: Sie stellt eine Instanz dar, die von Regierung und Wirtschaft unabhängig ist und „denen da oben“ auf die Finger schauen kann – was auch hierzulande nicht jeder und jede verstanden hat und was weiterhin zu Anfeindungen und Einschränkungen des Journalismus führt.

Um für diese Rolle des Journalismus einzustehen und weiterhin auf dieses Thema aufmerksam zu machen, war politikorange am 3. Mai, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit in Berlin unterwegs – mit einem Plakatbike des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, sowie mit Stift und Block und Kamera, um an diesem Tag Menschen zur Pressefreiheit zu befragen.

Den Start in den Tag und gleichzeitig das Motto des Tages lieferte der Hauptgeschäftsführer des BDZV, Dietmar Wolff, der die Pressefreiheit als Essenz für ein funktionierendes Zusammenleben sieht: „Pressefreiheit ist, genauso wie die Meinungsfreiheit, konstitutiv für eine Gesellschaft.“

Mit diesen Worten im Gepäck machte sich der Plakatbike-Trupp um die beiden politikorange-Redakteure Sascha und Lennart auf den Weg durch das politische und touristische Berlin. Beginn war am Checkpoint Charlie, wo erwartungsgemäß viele Tourismusgruppen Sightseeing betrieben und junge Schülerinnen und Schüler auf Abschlussfahrt dem kompletten Platz sowjetische Flaggen, die sie an Straßenständen erworben hatten, als Mitbringsel für ihre Großeltern präsentierten. Reflektierter äußerten sie sich zur Pressefreiheit. Sie sei wichtig, damit es nicht wieder dazu komme, „dass Meinungen von Personen unterdrückt werden, wie es zum Beispiel zu Zeiten des Nationalsozialismus der Fall war.“ Eine Schülerin bemerkte, die Pressefreiheit sei unverzichtbar, wenn eine Demokratie funktionieren wolle.

Ähnlich äußerten sich Passantinnen und Passanten bei den nächsten Stops am Gendarmenmarkt, vor dem Reichstagsgebäude oder am Potsdamer Platz. Eine Touristin adelte die Pressefreiheit gar als „Grundbestandteil der Freiheit an sich“.

Allgemein war auffällig, wie viele Menschen sich zu dem Thema äußern wollten und wie viele die gleiche, klare Meinung vertraten: Pressefreiheit ist Grundbestandteil der Demokratie. Kritische Stimmen waren rar, lediglich ein norddeutscher Tourist am Brandenburger Tor, der namentlich nicht erwähnt werden wollte, kritisierte primär die Homogenität deutscher Medien. Anders sah das eine Berliner Medizinstudentin: Pressefreiheit bedeute für sie die Möglichkeit, die Medien, durch die sie sich informieren möchte, frei wählen zu dürfen.

Überraschend war allerdings, wie sehr sich junge Menschen sträubten, ein Statement vor der Kamera zu geben. Ältere Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner hatten da deutlich weniger Berührungsängste und zogen diese Umfragevariante der schriftlichen teilweise sogar vor.

Sascha Kemper und Lennart Glaser interviewen bei der re:publica den YouTuber Mirko Drotschmann

Den Abschluss der Fahrradtour bildete ein Spontanbesuch der Internet-Konferenz re:publica, der von einem Interview mit Fernsehmoderator und YouTuber Mirko Drotschmann gekrönt wurde. Als Insider der deutschen Journalismusszene betonte er die Wichtigkeit der Pressefreiheit, kritisierte aber auch die Situation in Deutschland: „Bedrohungen gegen Journalisten nehmen zu. Ich kenne Journalisten, die nicht mehr ohne Personenschutz auf Demonstrationen gehen können. (…) Es gibt Leute, die versuchen (…), die Schere im Kopf zu erzeugen, dass man seine Arbeit nicht mehr frei ausüben kann und das ist eine Gefahr. Diese Gefahr nimmt zu und der müssen wir uns ganz entschieden entgegenstellen.“

Mit der anschließenden Rückkehr endete ein Tag der gemischten Gefühle: Fast schon ein Fünkchen Euphorie hinterließen die Äußerungen der Passantinnen und Passanten, die generationenübergreifend die Pressefreiheit als einen der fundamentalsten Werte der Demokratie definierten und um jeden Preis schützen wollten. Andererseits wurde auch deutlich, welchen Gefahren die Pressefreiheit ausgesetzt ist, welche sichtbaren und unsichtbaren Faktoren die objektive Berichterstattung einschränken können. Selbst in Deutschland hat die Pressefreiheit Probleme: allein durch die finanzielle Situation der Verlage und Zeitungen, oder aber auch, wie Mirko Drotschmann es formulierte, durch die Gefahr, die von menschlichem Hass ausgeht. Unser Fazit an diesem Tag: Der Kampf für die Pressefreiheit ist ein Kampf, den wir alle führen müssen. BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff bringt es auf den Punkt: „Wenn die Pressefreiheit hüstelt, krankt der ganze Staat.“

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