Europäische Jugendforen 2018/19: Es geht los!

Umwelt, Ernährung, Handel: Beim Europäischen Jugendforum im Berliner Abgeordnetenhaus kommen die ganz großen Themen aufs Tableau. Lucie Reinecke und Alanza Schmidt haben den Verlauf dieses ersten Forums in der Reihe 2018/2019 verfolgt und mitgeschrieben, wie Politikerinnen und Politiker die Ideen der Jugendlichen finden.

An diesem Tag versammeln sich Schülerinnen und Schüler des Lette-Vereins, des Schiller-Gymasiums, der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule und des Willi-Graf-Gymnasiums im Plenarsaal des Berliner Abgeordentenhauses. Ungeduldig zupfen sie an ihren Namensschildern, quasseln mit ihren Sitznachbarn und Sitznachbarinnen oder starren Löcher in die Luft. Doch als der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland, das Podium betritt, verstummt der Saal schlagartig. Gespannt schauen die jungen Gesichter zum „Hausherren“. „Ich hoffe, euch auch noch ein andermal als Besucher oder sogar als zukünftige Abgeordnete begrüßen zu dürfen“, sagt Wieland.

Frank Piplat, Leiter des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in Deutschland, freut sich, dass die Schülerinnen und Schüler so zahlreich erschienen sind, denn globale Themen sind auch für die Jugend relevant. Diese schauen nämlich der politischen Welt, unter anderem dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump, via soziale Medien wie Twitter zu und fragen sich, was denn unsere EU dazu sage. „Die neue Reihe des Jugendforums 2018 beginnt zu einer spannenden Zeit. Ab heute sind es nur noch genau 409 Tage bis zur Europawahl und viele von euch sind Erstwähler und dürfen 2019 also das erste Mal überhaupt von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen“, erklärt Piplat. Auch die Beziehungen zwischen Europa und dem Bundesland Berlin sei äußerst wichtig.

Parlamentarischer Crashkurs: Ernährung, Handel und Umwelt

Für heute genügt zunächst ein parlamentarischer Crashkurs: Zu den Themen gehören Ernährung, Handel und Umwelt – zu jedem Thema wurde schon im Vorfeld ein Ausschuss aus Schülerinnen und Schülern verschiedener Schulen gebildet. So haben sich die Jugendlichen bereits Gedanken über Probleme und jeweilige Lösungen gemacht. Diese stellten sie sich in den Ausschüssen gegenseitig vor und entschieden dann, welche die wichtigsten und stärksten Argumente und Ideen sind, die sie später im Plenum vorstellen wollen. In der Vollversammlung, in der alle Schülerinnen und Schüler anwesend sind, wird dann über die Vorschläge abgestimmt, um sie später, in der letzten Phase des Tages, „echten“ Abgeordneten vorzustellen und diesen die Möglichkeit zu geben, ihre Ansichten zu teilen oder abzulehnen. Über Themen wie Plastikmüll über Massentierhaltung bis hin zu Steuerhinterziehung wird viel diskutiert. Aber ein Satz prägt das Event und die Reden der Abgeordneten besonders: „Es geht nur gemeinsam!“, sagt Frank Zimmermann (SPD), Mitglied des Abgeordnetenhauses.

In der Diskussion wird deutlich: Schon jetzt haben wir ein Europa der zwei Geschwindigkeiten. Während einige Staaten eine stärkere Integration anstreben, sind andere zurückhaltender. Dies ist besonders im Bezug auf die Steuereinheitsdebatte relevant: Sollte es eine einheitliche EU-Steuerregelung geben, so wäre nur ein Teil der Staaten mit im Boot. Weiterhin wäre ein System nötig, um Länder vor den Risiken des Finanzmarkts zu schützen. Wie dies realisiert werden soll, ist jedoch noch nicht klar.

Auch in Bezug auf die von den Jugendlichen vorgeschlagene Plastiksteuer, um Plastikmüll zu reduzieren, geht es wieder um europäische Einheit. Die EU könne selbst keine Steuern festlegen, also müssen sich die Mitgliedsstaaten einigen, so Michael Cramer (Grüne), Mitglied des Europäischen Parlaments. Schon die Einführung einer Plastiksteuer in Deutschland würde aber andere Staaten mitziehen. Mithilfe des Live-Umfrage-Tools slido.com können die Teilnehmenden des Jugendforums zwischen den Ausschuss-Debatten über Fragen wie: „Benutzt du beim Einkauf Plastiktüten?“ abstimmen. 63 Prozent geben zu, dass sie manchmal auf die Plastikhilfe zurückgreifen. Durch solche Kurz-Umfragen zu Alltagsthemen erhalten die Ausschussmitglieder einen besseren Überblick über Meinungen zu ihrem Fachgebiet.

Im Gespräch mit den Abgeordneten

Überraschend waren die klaren Mehrheiten im Thema Massentierhaltung: Die Vorschläge der Schülerinnen und Schüler, die Massentierhaltung zwar zu begrenzen, aber aus preislichen Gründen nicht vollständig zu verbieten, wird von den Abgeordneten mit gemischten Gefühlen empfangen. Während sich Michael Cramer (Grüne) strikt für die vollständige Abschaffung der Massentierhaltung positioniert, ist Sylvia-Yvonne Kaufmann (SPD), ebenfalls Mitglied des Europäischen Parlaments, der Meinung, dass dies in unserer heutigen Gesellschaft noch nicht realisierbar sei. Im Bezug auf die den Tieren verabreichten „präventiven Antibiotika“ und Hormone jedoch sind alle Abgeordneten wie die Mehrheit der Jugendlichen der Meinung, dass diese unbedingt abzuschaffen seien.

„Lebensmittel müssen europaweit anders gekennzeichnet werden, um das Missverständnis zu vermeiden, dass sie nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums nicht mehr genießbar sind“, sagt Kaufmann, als dies von den Schülerinnen und Schülern des Ernährungsausschusses angesprochen wurde. Der Vorschlag, die nicht mehr für den Verkauf zugelassenen aber noch genießbaren Lebensmittel an Obdachlose zu verteilen, trifft auf allgemeine Zustimmung.

Beim Thema erneuerbare Energien wird Cramer ein bisschen emotional. „Es ist unglaublich, dass sich eine Generation anmaßte, die folgenden Generationen so zu belasten“, sagt er. Als ein Schüler über das Thema Transparenz bei der Setzung von EU-Standards, etwa bei Lebensmitteln, spricht, wird er wieder etwas lauter. Wenn man das Europäische Parlament mit dem Deutschen Bundestag vergleiche, so erneut Cramer mit empörter Stimme, dann sei das „sowas von transparent“.

Schüler und Schülerinnen hinterlasse eine Spur für das zukünftige Europa

Einen Tag voller Ideen, Anregungen, und Debatten haben die Schüler und Schülerinnen der vier Schulen hinter sich, nachdenkliche Gesichter und angeregt diskutierend verlassen sie nach und nach den Plenarsaal. Eine Fahne der Diskussion folgt der Gruppe. Auch die Abgeordneten scheinen von den Ideen der jungen Menschen nachdenklich gestimmt worden zu sein und werden diese hoffentlich in ihre jeweiligen Ausschüsse weitertragen. Im Großen und Ganzen war der Tag zwar anstrengend, aber erfolgreich und jeder hat sich auf seine Art eingebracht: ob nun leise im Hintergrund oder voller Selbstbewusstsein am Podium – so hat jeder seine Spur in den Ergebnissen des heutigen Tages hinterlassen. So wie es auch mit dem zukünftigen Europa sein sollte: Jeder Gedanke und jede noch so kleine Tat oder Idee zählt und genau das haben die Schülerinnen und Schüler heute gelernt.

 

 

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