„Ein paar Spinner gibt es immer“

In den kommenden Wochen stellt Marcel Kupfer die Wahlprogramme vor. Zu jedem führt er ein Interview mit einem Parteimitglied. Diese Woche geht es um die AFD: Er fragt den Bundestagskandidaten und Sprecher des AfD-Kreisverbandes Reutlingen in Baden-Württemberg, Wolfram Hirt, zu der Situation der AFD in der Gesellschaft, den Euro und der Flüchtlingssituation.

Wolfram Hirt ist seit November 2013 Sprecher des AfD-Kreisverbandes Reutlingen. Er kandidiert für seinen Landkreis für den Bundestag und ist auf Platz 16 der baden-württembergischen Landesliste gewählt worden. Foto: Lilith Grull

Wolfram Hirt beschreibt sich in drei Sätzen: Ich bin ein offener und gesprächsfreudiger Mensch. Ich habe einen unheimlichen Gerechtigkeitssinn. Ich bin gelernter Bankkaufmann und Familienvater.

Die AFD steht immer wieder in Kritik: Sie gilt als homophobe, ausländer- und frauenfeindliche Partei – sie gilt rechts. Sie spaltet Deutschland und widerspricht mit diesen Vorwürfen den demokratischen Grundwerten unseres Staats. Warum sind sie Bestandteil dieser Partei? 

Ich war schon immer sehr an Politik interessiert. Als mein Sohn bei der letzten Bundestagswahl Erstwähler war, haben wir uns mit jeder Partei auseinandergesetzt. Schlussendlich konnten wir uns am meisten mit der AfD identifizieren. Und mit einer lesbischen Spitzenkandidatin, die mit einer Frau zusammenlebt: Was ist da homophob? Außerdem, ein paar Spinner gibt es immer.

Warum braucht Deutschland die AFD? 

Ob das die verkorkste Energiewende, Flüchtlingspolitik oder Eurorettung ist, wenn es die anderen Parteien schon richtig gemacht hätten, bräuchte es die AFD nicht. Es gibt immer eine Alternative, die zeigen wir auf. Und wenn wir unsere Anträge nicht durchbekommen aber die anderen Parteien anstoßen, etwas zu ändern, dann ist das schon mal was.

Ihre Partei möchte die Wehrpflicht wiedereinführen. Warum?

Ich persönlich würde nicht nur die Wehrpflicht einführen, sondern ein verpflichtendes soziales Jahr. Somit würde jeder etwas für unser Land beitragen. Ich denke, das tut gut.

Die Mehrwertsteuer soll um sieben Prozent gesenkt werden. Ist dieses Versprechen in der Realität umsetzbar? 

Es ist vor allem wichtig, weil man damit jeden Haushalt entlastet. Wir haben offiziell einen Haushalt ohne Neuverschuldung und die Einsparungen der Nullzinspolitik reichen aus, um auszugleichen. Herr Schäuble hat für die nächsten drei Jahre einen Überschuss von bis zu 60 Milliarden Überschuss errechnet, damit sollte schon ein Großteil bezahlt sein.

In Ihrem Regierungsprogramm steht, dass die D-Mark wieder eingeführt werden soll. Kann man auf den Euro nicht stolz sein?

Nein, auf den Euro als Gemeinschaftswährung kann man nicht stolz sein. Er schadet mehr, als er schützt. Wenn man in die südeuropäischen Länder schaut, hat der Euro eine hohe Arbeitslosigkeit beschert. Davor müssen wir uns schützen. Eigentlich haben wir eine No-Bale-Out-Klausel, mit der Eurorettung wird darüber hinweggesehen. Der Euro führt auch dazu, dass es keine Zinserträge mehr gibt. Ob wir uns von dem Euro verabschieden müssen, weiß ich nicht. Zwischen gleich starken Ländern kann er weiter bestehen. Aber es sollte für die betroffenen Länder wie Griechenland die Möglichkeit geben, auszusteigen.

Braucht Deutschland Europäische Union? 

Die Zusammenarbeit in der EU hat einige Vorteile. Es darf nur nicht alles nach Brüssel zentralisiert werden. Die Länder müssen die Möglichkeit haben, Sachen selber entscheiden zu können.

Auf Facebook teilen Sie den Slogan „Lieber ehrlich im Diesel als abgehoben in der Luft“. Dieser bezieht sich auf die Hubschraubernutzung der Bundeskanzlerin währen des Wahlkampfes. Braucht guter Wahlkampf diese Sticheleien oder braucht die AfD diese? 

Wenn es nach mir ginge, bräuchte es dieses nicht. Bei vielen politischen Diskussionen kommt es kaum zum Austausch von Sachargumenten, vielmehr geht es um Angriff. Diese Leute gibt es in allen Parteien. Bestes Beispiel ist die TV-Show aus dem ZDF dieser Woche, als Alice Weidel den Raum verlassen hat, weil nur angegriffen wurde, incl. einer parteiischen Modoratorin. Politische Ziele müssen mit guten Argumenten vorangebracht werden, ohne Angriffe.

Holger Arppe, Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, ist zurückgetreten. Der Grund sind Chatverläufe, unteranderem mit Beleidigungen gegenüber Parteikollegen. Wie sollen die Wählerinnen und Wähler noch Vertrauen in die AfD haben, wenn es innerhalb der Partei auf diese Art kracht? 

Krachen tut es überall. Das Herr Arppe ausgeschieden ist, ist richtig und ich würde mir auch wünschen, dass er sein Mandat ablegt. Menschen die so ein Gedankengut haben gehören in keine Partei. So etwas geht gar nicht. Es ist schwierig, dass wir solche Leute in der AFD haben, nicht nur einen.  Aber ich hoffe, dass wir uns über kurz oder lang von ihnen trennen werden.

Welchen Einfluss haben diese auf die Wählerinnen und Wähler? 

Wenn wir diese Leute nicht hätten, dann hätten wir hier in Baden-Württemberg mindestens fünf Prozent mehr Stimmen.

Wie wird nach ihrer persönlichen Prognose die Bundestagswahl allgemein und wie für die AfD ausfallen? 

Der Wahlkampf findet in der Bevölkerung leider kaum statt, sie kommt oft lediglich mit den Wahlplakaten in Berührung. Wenn man die aktuellen Prognosen betrachtet, werden wir wieder auf eine Große Koalition zusteuern. Die CDU mit 35 bis 40 Prozent. Die SPD mit knapp über 20 Prozent. Ich persönlich sehe die AfD aber als drittstärkste Partei. In der Umfrage liegen wir bei neun bis zehn Prozent. Ich denke, dass wir auf 15 kommen können.

Haben Sie das Gefühl, die AFD vertritt die breite Masse der Wähler und Wählerinnen? 

Ja.Wenn ich mit den Menschen über unser Programm spreche, dann bekomme ich nur Zustimmung. Das sind die Punkte, die die Menschen bewegen. Wenn ich rein über das Programm mit den Leuten sprechen, dann müssten wir die absolute Mehrheit haben.

Die AFD ist eine noch recht junge Partei und hat auch deswegen noch wenig Stammwähler und -wählerinnen. Doch verhältnismäßig viele Protestwähler. 2016 waren es in Berlin 79 Prozent. Wie gehen Sie damit um? Die breite Masse kann das so nicht sein.

Meines Wissens haben wir ca. 7 % Stammwähler. Das dürfte etwa die Hälfte von unserem aktuellen Potential sein. Wenn sich tatsächlich 45 % der Wähler noch nicht entschieden haben, dann sieht es bei den anderen Parteien auch nicht anders aus.

Warum will keiner mit der AfD koalieren?  

Weil sie sich nicht mit uns unterhalten und Sachargumente auszutauschen. Vielleicht haben sie auch Angst, dass eine richtige Opposition heranwächst. Es ist das leichteste, jemand der neu kommt, als Schmuddelkind zu bezeichnen um ihn klein zu halten. Die Wahlprogramme überschneiden sich viel von dem der AfD, als immer behauptet wird. Immer mehr von unseren Forderungen werden von den anderen Parteien übernommen.

Ihre Spitzenkandidatin Alice Weidel ist der Meinung, Frau Merkel müsse vor ein Gericht, unter anderem wegen der Flüchtlingssituation. Wie postioniert sich die Partei? 

Da stehen wir voll und ganz hinter Alice Weidel, weil Frau Merkel Recht gebrochen hat. Sie hat im Herbst 2015 in einer einsamen Entscheidung die Grenzen aufgemacht. Sie hat jeden, mit oder ohne Ausweis hier ins Land gelassen.

Finden Sie die Situation nicht menschlich?  

Menschlich kann ich die Situation vielleicht noch nachvollziehen. Was aber viel schlimmer ist, ist dass Frau Merkel eine Einladung ausgesprochen hat und sich somit viel mehr Menschen auf den Weg machen und versuchen nach Deutschland zu kommen. Und zwar mit Schleppern, für viel Geld übers Mittelmeer. Hätte Frau Merkel diese Einladung nicht ausgesprochen, dann wären wohl weniger gestorben. Hier sollen wir jetzt von Menschlichkeit reden? Es ist leicht zu sagen kommt alle rein. Von denen die jetzt da sind haben weniger als ein Prozent Asylanspruch. Außerdem soll Anfang 2018 der Familiennachzug kommen, was mindestens 1,5 Millionen Menschen ins Land bringt.

Auf der Webseite der AFD werden Problematiken wie Landflucht, Ehe- und Kinderlosigkeit angesprochen. Können Flüchtlinge die Lösung sein?

Da brauchen wir keine Flüchtlinge, sondern Zuwanderer. Die kommen nämlich nach ihrer Qualifikation. Wenn jemand ins Ausland möchte, um zu arbeiten, dann bewirbt man sich aus seinem Heimatland auf eine Stelle.

Das ist ja eine ganz andere Position der Menschen. Wie sieht es mit denen aus, die aus einer humanen Notlage kommen?

Wenn die Leute ausgebildet sind. Viele sind Analphabeten und oder sprechen kein Deutsch. Das ist ein langer Prozess, vielleicht zehn Jahre. Mit den Voraussetzungen, die die Flüchtlinge bringen kann das nicht funktionieren.

Haben Sie das Gefühl, dass die AFD manchmal zu extrem ist? 

Die AfD nicht, einzelne Personen vielleicht.

 Können Sie für eine Person, die derzeit noch in der Partei ist, ein Beispiel geben?

Sie wollen mir jetzt unbedingt den Namen Höcke herauslocken. Es läuft ein Parteiausschussverfahren gegen Herrn Höcke, da möchte ich mich aber eigentlich nicht einmischen, denn das liegt bei den Schiedsgerichten. Man muss aber auch sagen, dass diese Leute bei vergangen Wahlen mit über 20 % gewählt wurden. Dieser Wählerwille muss akzeptiert werden.

Was sollte sich als Erstes nach der Bundestagswahl am 24. September verändern?   

Wenn wir in den Bundestag einziehen, würden wir einen Untersuchungsausschuss über die Rechtsbrüche von Bundeskanzlerin Angela Merkel beantragen.

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