Die Demokratie der Alten: Warum gerade junge Menschen wieder an die Urne gehen sollten

Brexit, Trump und Co. haben gezeigt, was passiert, wenn die „Rentnerdemokratie“ die Wahl beherrscht. Immer weniger junge Erwachsene gehen wählen: Dabei sind die Alten sowieso schon zahlenmäßig überlegen. In einem Monat wird es daher gerade für junge Leute Zeit, ihr Kreuz zu setzen, findet Marlene Resch.

Foto: Johannes Kolb

„Meine Eltern waren die ersten Menschen, mit denen ich konfrontiert wurde, die die Ehe für alle nicht gut finden“, erzählt ein Freund. Wir sprechen über die Unterschiede der Generationen, unser Leben in der Jung-und-studentisch-Blase, in der wir von Gleichberechtigung, Globalisierung und grenzenloser Freiheit träumen. Da hakt Marie ein: „Diese Kontraste gibt es doch nicht nur zwischen den Generationen. Meine Schwester meinte letztens zu mir, dass sie nicht wählen gehen wird.“ Wir sitzen bei Raki und Mezze in der Türkei und schauen uns betreten an. Nach einem Jahr in der Türkei, in der momentan so viele Menschen verzweifelt um Demokratie ringen, leuchtet mir eines definitiv nicht mehr ein: Menschen, die ihr demokratisches Recht verwerfen und nicht wählen gehen.

Und doch ist Marie Schwester keineswegs ein Einzelfall. Die Wahlbeteiligung sinkt beständig – in allen Altersschichten. Und die jungen Menschen, sie bilden das absolute Schlusslicht.  Bei der Bundestagswahl 2013 gingen nur 60 Prozent der 21- bis 25-Jährigen zur Wahl. Von den 60- bis 70-Jährigen setzten 80 Prozent ihr Kreuz. Das wiegt umso schwerwiegender, betrachtet man den demographischen Wandel: Die Alten übertreffen uns zahlentechnisch sowieso schon. Rund 9,4 Millionen Wählerinnen und Wähler zwischen 18 und 30 Jahren stehen am 24. September rund 22,3 Millionen Stimmberechtigten über 60 gegenüber. Wir müssten also umso lauter sein, umso zahlreicher zu Wahl gehen, um diese Kluft ein wenig kleiner zu machen.

Wenn Wähler und Wählerinnen alt sind, wird für diese Zielgruppe Politik gemacht

Damit setzen wir nicht nur ein Zeichen an die ältere Generation, sondern auch an die Politikerinnen und Politiker. Was in der Politikwissenschaft so schön als „Einfluss auf das Agendasetting“ bezeichnet wird, bedeutet konkret: Politik wird für alte Menschen gemacht, weil das die Wähler sind. Was 2009 Rentengarantie und 2013 Rentenerhöhung waren, ist im jetzigen Wahlkampf das Thema Haltelinie beim Rentenniveau. Warum sollten die Parteien auch Dinge bewerben und umsetzen, die der Jugend zu Gute kommen, wenn die doch eh nicht zur Urne geht? Es ist ein Teufelskreis. Werden wir erst aufwachen, wenn für uns plötzlich keine Rente mehr übrig bleibt? Wenn der Klimawandel uns mit all seinen Ausmaßen trifft? Wenn die „Nach mir die Sintflut“-Politik ihr wahres Gesicht zeigt?

Wir müssen den Teufelskreis durchbrechen, indem wir politisch werden, indem wir wählen gehen und damit eines klarmachen: Hey, uns gibt es auch noch! Beim Brexit und der Wahl von Trump haben wir gesehen, was passiert, wenn die Jungen auf der Couch bleiben. Nur 37% der jungen Briten ging zur Wahl. 100% von ihnen wachten am nächsten Morgen in einem Land fern des europäischen Traums auf: Eine Zukunft, die sie intensiver und länger miterleben werden als ihre Eltern und Großeltern, die größtenteils für den Austritt aus der EU gestimmt haben.

Wer nicht wählt, spielt rechten Parteien zu

Doch wen soll ich wählen bei den Parteien, die alle gleich erscheinen? Wenn ich mich von niemandem repräsentiert fühle, niemandem mehr vertraue – oder wenn ich selbst nicht glaube genug über Politik zu wissen, um zu wählen? Die einfachste Antwort: Setz‘ ein Zeichen gegen Rechts! Je höher die Wahlbeteiligung, desto geringer sind die Chancen für rechtspopulistische Parteien wie die AfD, in den Bundestag einzuziehen. Doch wer sein Kreuz nicht macht, verschenkt seine Stimme an jemand Anderen. Das ist nicht die Idee von Demokratie. Demokratie gelingt nur mit Bürgerbeteiligung. Und mit der Wahl wird es dir so verdammt einfach gemacht, dich zu beteiligen. Raff‘ dich auf – sonst hast du im Nachhinein auch kein Recht, dich über die Politikerinnen und Politiker und ihre Entscheidungen zu beschweren.

 

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