Sinnloses vorgipfeln oder unverzichtbare Vorbereitung?

Im Vorfeld der großen Gipfel dieser Welt finden gewöhnlich etliche Vorbereitungsveranstaltungen statt, welche sich zum Ziel setzen ihre ausgearbeiteten Leitlinien in die Abschlusschartas der jeweiligen Hauptgipfel einfließen zu lassen. Ob das tatsächlich funktioniert? Julius Geiler hat sich umgehört.

Es wird viel diskutiert beim Rural Future Lab. Finden die Ideen später auch Gehör? Foto: Jonas Walzberg

Die zwölfte Zusammenkunft der zwanzig wichtigsten Industrie-und Schwellenländer im Juli 2017 wird zu einer Mammutveranstaltung. Circa 9000 Polizisten und über zehntausend zu erwartende Anti-G20-Demonstranten werden Hamburg in eine Hochsicherheitszone verwandeln. Weit weniger Aufmerksamkeit genießen diverse Vorveranstaltungen, die darauf abzielen, ihre eigenen Visionen von einer besseren Welt in der offiziellen G20-Agenda platzieren zu können. Beispiele hierfür sind der hochkarätig besetzte W-20-Frauengipfel oder die aktuell in Berlin stattfindende „Future of the Rural World“-Konferenz.
Doch wie sinnvoll sind solche Vorkonferenzen als Vorbereitung auf den G20-Gipfel? Kritiker und Kritikerinnen halten sie für reine Zeitverschwendung, unnötigen Austausch von Ideen und Zukunftsplänen, die von der großen Politik eh nicht berücksichtigt werden. So einfach sollte man es sich jedoch nicht machen.

wichtige Signale

Olaf Deutschbein vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dem Veranstalter der „Future of the Rural World“-Konferenz, ist von den positiven Impulsen der Tagung überzeugt. Allein durch die Tatsache, dass das bei den G20-Staaten normalerweise unterpräsentierte Thema der Entwicklungspolitik hier im Blickpunkt steht, sorgt für die dringend notwendige Aufmerksamkeit, so Deutschbein. Tatsächlich hat sich das unter dem Motto „EINEWELT ohne Hunger ist möglich“ stehende Zusammentreffen die Entwicklungspolitik, unter besonderer Berücksichtigung des ländlichen Raums, als Schwerpunkt gesetzt.

Die Teilnehmenden kommen nicht nur aus den G20-Staaten, sondern aus der ganzen Welt, vor allem aus Afrika. Zusätzlich zu prominenten Teilnehmenden wurden mehr als hundert Jugendliche und junge Erwachsene aus aller Welt eingeladen, um ihre eigenen Visionen einer Welt ohne Hunger und Mangelernährung vorzustellen. Für Deutschbein ein wichtiges Zeichen mit Signalwirkung. Junge Menschen haben die Chance ihre Stimme zu erheben, auf Augenhöhe mit Ministern und Ministerinnen, Wirschaftsbossen und hochrangigen Expertinnen und Experten.

Ob die konkreten Bestandteile der bei der „Future of the Rural World“ ausgearbeiteten „Berliner Charta“ dann tatsächlich in der G20-Agenda landen, ist keinesfalls sicher. Beispiele für im Voraus ausgearbeitete Grundsätze, die sich schließlich in Abschlusserklärungen der G7 beziehungsweise G20 wiederfanden sind zwar rar, kommen aber vor. So geschehen im Jahr 2015 beim G7-Gipfel in Deutschland. Das Bundesministerium für Entwicklung hatte das im Vorfeld formulierte Ziel ausgegeben, 500 Millionen Menschen in Entwicklungsländern bis 2030 komplett von Hunger und Mangelernährung zu befreien. Eben dieses Bestreben findet sich schließlich auch prominent platziert im Abschlussbericht der „big seven“ wieder. Ob das funktioniert, ist völlig offen – für die Gipfelteilnehmer und -teilnehmerinnen zählt hier vor allem der Wille.

Unwichtiges Geschwafel

Für Achim Heier von der globalisierungskritischen Nichtregierungsorganisation Attac ist die Versammlung der G20-Staaten keine legitime Vertretung der Weltbevölkerung. „Hier kommt ein Club der Mächtigen zusammen, der sich anmaßt, über die Probleme unserer Zeit zu diskutieren. Gleichzeitig wird versucht, Lösungen zu finden, ohne überhaupt die Länder, die am meisten unter Armut, Hunger und fehlender Bildung leiden, einzubinden“, so der Aktivist.
Aus diesem Grund laden Attac und 64 weitere Organisationen und Verbände zum sogenannten „Alternativen G20-Gipfel“ ein, um dem „sinnlosen Geschwafel“ der G20 etwas entgenzusetzen. Hier sollen all jene zum Wort kommen, die am 7. und 8. Juli in Hamburg nicht gehört werden, verspricht Heier. Ähnlich wie beim eigentlichen G20-Gipfel werden hier Strategien und Pläne für eine bessere Welt ausgearbeitet, nur hat jeder die Chance, seine Stimme zu erheben.

Anders als den mit Angela Merkel, Ivanka Trump und Co. prominent besetzen Frauengipfel hält er die „Future of the  Rural World“-Konferenz nicht für vollkommen zwecklos. Schließlich kämen Jugendliche aus der ganzen Welt zusammen, um sich auszutauschen und den Versuch zu wagen, durch selbst kreierte Zukunftsvorschläge Druck auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auszuüben. Laut Heier sei dieses Bemühen gar nicht so weit entfernt von den Zielen des alternativen G20-Gipfels.

Austausch

Vielleicht ist genau das der eigentliche Sinn von G20-Vorveranstaltungen wie eben jener in Berlin. Gipfel-Befürworter, -Befürworterinnen sowie Kritikerinnen und Kritiker kommen sich bei dem Wunsch nach internationalem und interkulturellen Austausch überraschend nahe. Debatten im Plenum, Knüpfen von neuen Kontakten und der von Berlin ausgehende Impuls für eine nachhaltige Landwirtschaft, um Hunger in der Welt langfristig zur Randerscheinung zu machen, könnte vielleicht schon reichen, um den Zweck der Veranstaltung zu erfüllen. Das breite Spektrum der Teilnehmenden sorgt dafür, dass die positiven Signale aus der deutschen Hauptstadt in die ganze Welt getragen werden. Ein konkretes Umsetzen der Forderungen der „Berliner Charta“ durch die G20 wären für die Teilnehmenden natürlich das I-Tüpfelchen, muss jedoch nicht der Maßstab für eine gelungene G20-Vorveranstaltung sein.

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