Hausgemachter Hunger

In Ostafrika sind aktuell zwanzig Millionen Menschen akut von Hunger bedroht. Die Vereinten Nationen sprechen von der größten Hungerkatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. Hätte man die Krise voraussehen können? Julius Geiler kommentiert eine unterpräsentierte Tragödie.

Gerd Müller (2.v.l.) bei der Buchpräsentation von „Stimmen gegen den Hunger“                                Foto: Jonas Walzberg

Somalia, Südsudan, Jemen und Nord-Nigeria – wenn man sich die Auflistung der von Hunger betroffenen Länder anschaut, fällt schnell auf, dass es sich bei allen um Konfliktherde handelt, in einigen ist der Krieg im vollen Gange. Millionen Menschen sind auf der Flucht, nicht fähig, ihre Äcker zu bestellen oder zu ernten. Im Kombination mit dem alle vier Jahre auftretenden Wetterphänomen El Nino und damit zusammenhängenden Dürren beziehungsweise Überschwemmungen lässt sich die Intensität der aktuellen Hungersnot erklären.

Eine Krise zu viel

Der aktuelle humanitäre Notstand am Horn von Afrika scheint in Europa wenig bis gar nicht präsent. Die Suche nach Solidaritäts-Demonstrationen, Benefizkonzerten oder konkreten Initiativen gegen den Hunger in Deutschland ist vergeblich. Hilfsorganisationen beklagen sich über eine verhältnismäßig geringe Spendenbereitschaft. Zu erklären ist das vor allem mit dem subjektiven Empfinden vieler, dass unsere Zeit eine besonders unruhige ist. Kriege in Syrien und dem Irak, der Nuklearkonflikt zwischen Nordkorea und den USA, Terror in Europa und viele andere Brennpunkte tragen dazu bei und verstärken dieses Gefühl. Der Hunger in Ostafrika ist schlicht eine Katastrophe zu viel.

Versagen der Staatengemeinschaft

Bei der G20-Vorkonferenz „Future of the Rural World“ steht der Hunger in aller Welt im Mittelpunkt. Am Rande einer vom Bundesentwicklungsministerium organisierten Buchpräsentation kommt in der anschließenden Diskussion mit den sechs Autorinnen und Autoren des Buches „Stimmen gegen den Hunger“, die Hungersnot in Ostafrika zur Sprache. Verfasserinnen und Verfasser der Gastbeiträge im Buch sind unter anderem Bundesentwicklungsminster Gerd Müller und die Präsidentin der Deutschen Hungerhilfe, Bärbel Dieckmann. Beide sprechen von einer vorhersehbaren Katastrope am Horn von Afrika. Vor allem das mittlerweile längst erforschte Wetterphänomen El Nino, eine unmittelbare Folge des Klimawandels, hätte ausgereicht, um sich prophylaktisch auf eine Dürre in den jetzt betrofffenen Regionen einstellen zu können. Während El Nino in anderen Gebieten der Erde für katastrophale Überschwemmungen sorgt, sind die Staaten Ostafrikas vor allem von Dürren bedroht.

Ein Faktum, dem sich Klimaexperten, -expertinnen, Meteorologen und Meteorologinnen schon einige Zeit bewusst sind, gehandelt wurde nicht. Warum also hat die Welt nicht reagiert? Laut Müller ist gerade das die Frage, die sich die Staatengemeinschaft stellen muss, eingeschlossen wird dabei natürlich auch die Bundesrepublik. Der Minister wünscht sich eine von der G20-Vorkonfernez ausgehende Signalwirkung und die Frage nach dem eigenen Gewissen: „Warum nehmen die Staaten in humanitären Notsituationen, wie jener in Ostafrika, ihre dringend notwendige Verantwortung nicht wahr?“

Präventiver Krisentopf

Um ähnlichen Katastrophen in Zukunft vorbeugen zu können, schlägt Müller einen globalen UN-Krisenfonds vor, in den jedes Land präventiv einen gewissen jährlichen Beitrag einzahlt, um in akuten Krisensituationen die Möglichkeit zu haben, sofort auf nötige Hilfsgelder zurückgreifen zu können. Sollten die Gelder am Ende des Jahres nicht genutzt worden sein, werden sie nach Müllers Plänen einfach in den Fonds des folgenden Jahres einfließen. Getreu dem Motto: „Die nächste Katastrophe kommt bestimmt.“ Details wie die Frage, wonach sich denn die jeweilige Beitragshöhe eines Landes richtet, lässt er offen. Unterstützung für seinen Vorschlag erhält er von Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Deutschen Hungerhilfe. Sie hält Müllers Modell generell für sinnvoll, fügt jedoch hinzu, dass man gleichzeitig auch die Situation vor Ort verbessern muss. Sprich: sich für Frieden einsetzen und Fluchtursachen bekämpfen, um von Menschen gemachte Hungersnöte, wie jene im Osten Afrikas, perspektivisch zu verhindern. Gleichzeitig appelliert sie an die Spendenbereitschaft der Deutschen, Europäerinnen und Europäer.

Final hebt der Minister die besondere Aufgabe der Bundesregierung beim G20-Gipfel in Hamburg hervor, das Thema Hunger prominent auf der Agenda zu platzieren. Schließlich leiden die Länder am meisten unter meteorologischen Veränderungen und damit zusammenhängenden Hungersnöten, die am wenigsten Mitschuld an den Ursachen des Klimawandels tragen. Hier müssen sich vor allem die großen Industrienationen in der Pflicht sehen.

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