Werden auch wir einmal unsere Heimat verlassen müssen?

Nicht nur aufgrund von Kriegen und Verfolgung müssen Menschen ihre Heimat verlassen. Auch das Klima, ausbleibende Regenfälle, Überschwemmungen und Naturkatastrophen zwingen Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Und daran sind wir selbst schuld, schlussfolgert Johann Stephanowitz.

Ein Meter klingt nicht viel – kann aber viel bedeuten. Wenn der Meeresspiegel um einen Meter steigt, wird ein Viertel der Landesfläche von Bangladesch untergehen. Schon heute hat das Land in Südasien mit Ernteausfällen durch unregelmäßige Regenzeiten, extreme Wirbelstürmen und der zunehmenden Versalzung des Gangesdelta durch den Anstieg des Meeresspiegels zu kämpfen. „Ein Großteil der Bevölkerung in Bangladesch lebt von der Landwirtschaft. Und wenn diese Einkommensquelle versiegt, weil die Ernte verloren geht, dann ist das dramatisch“, sa Dirk Saam, Koordinator des Bangladesch-Forums in Berlin.
Bangladesch ist ein durch Migration geprägtes Land. Der Klimawandel verstärkt diese. Immer mehr Menschen müssen in die Slums der Großstädte ziehen, weil ihre Dörfer weggeschwemmt werden oder ihre Felder keine Erträge mehr abwerfen.

Klimamigration – Ein globales Phänomen

Nicht nur in Bangladesch müssen Menschen aufgrund des Klimas ihre Heimat verlassen – klimabedingte Migration ist ein globales Phänomen. In westafrikanischen Staaten wie Senegal oder Mali sind die Menschen von Dürren betroffen, und Südseestaaten wie Tuvalu oder Fitschi werden in wenigen Jahrzehnten unter der Meeresoberfläche verschwunden sein.
Doch warum bekommt man davon so wenig mit?
Zum einen liegt das daran, dass der Begriff „Klimaflüchtling“ bei vielen Migrationsforschern höchst umstritten ist. „Ich wundere mich über die Konjunktur des Begriffs“, meint Carsten Felgentreff, der am Institut für Geographie der Universität Osnabrück tätig ist. „Doch der Zusammenhang, dass mehr Klimawandel mehr Migration bedeutet, scheint vielen unglaublich plausibel.“ Doch das Thema ist komplexer.
„Die Zahl der Geflüchteten ist ein schlechter Messfaktor für das Fortschreiten des Klimawandels“, betont auch Benjamin Schraven vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik.
Denn definiert man einen Kleinbauern aus dem Senegal, der aufgrund einer Dürre auswandert als Klima- oder als Wirtschaftsmigrant? Eine einheitliche Definition existiert bis heute nicht und das macht nicht nur verlässliche Angaben über die tatsächliche Zahl an Klimaflüchtlingen schwierig, sondern auch die Anerkennung dieser Geflüchteten. Denn als asylberechtigt gilt nur, auf wen die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 zutrifft. Und diese definiert Verfolgung und militärische Konflikte als Fluchtursachen.

Wir müssen unser eigenes Konsumverhalten ändern

Eine Lösung wäre es, eine eigene Konvention zu schaffen, die den Klimawandel als Fluchtursache anerkennt. Doch dazu wird es aufgrund der aktuellen politischen Lage, in der sich die Staaten Europas eher gegen Flüchtlinge abschotten, als Fluchtursachen zu bekämpfen, nicht kommen. „Das Umfeld, um Schutzlücken zu schließen, ist im Moment denkbar schlecht, deshalb ist es wichtig, bilaterale und lokale Initiativen zu unterstützen“, sagt Benjamin Schraven.
Noch wichtiger ist, die Flucht an sich zu begrenzen, indem man Unterstützung vor Ort leistet. Auf Bangladesch bezogen heißt das, dass man internationale Fonds einsetzt, um mit den Menschen vor Ort neue salzresistentere Reissorten einzuführen und beim Hausbau stabilere Baumaterialien zu nutzen. Wichtig dabei ist, dass die lokale Bevölkerung und deren Traditionen einbezogen werden und die Gelder auch bei denen ankommen, die sie benötigen. Dirk Saam weist hier auf die immer noch hohe Korruptionsrate in Bangladesch hin.
Doch letztendlich sind wir es, die ihren Lebensstil ändern müssen, damit Menschen nicht mehr aufgrund des Klimas ihre Heimat verlassen müssen. Denn das ist das Zynische am Klimawandel: Die Staaten, die am wenigsten verantwortlich sind, sind am stärksten betroffen. Das im letzten Jahr beschlossene Abkommen von Paris schafft hier eine gute Grundlage, doch Papier ist geduldig. Wenn wir weiterhin einen derartig ressourcenverschwendenden Lebensstil führen und die Treibhausemmissionen nicht drosseln, werden auch wir irgendwann fliehen müssen. Es liegt also in unserem Interesse, den Klimawandel aufzuhalten.

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