2065 brauchen ein Zuhause

Geflüchtete konnten bisher in Potsdam untergebracht werden, ohne in städtischen Turnhallen auf Feldbetten zu schlafen. Anfänglich fanden die Neu-Potsdamer noch in Wohnhäusern Platz. Nun muss die Stadt bis Ende des Jahres Schlafplätze für mehr als 650 neue Geflüchtete auftreiben, erklärt der Flüchtlingskoordinator der Stadt den Teilnehmer*innen des Jugendforums.

Beim Jugendforum Stadtentwicklung stellte Jörg Bindheim die aktuelle Lage Potsdams vor. (Foto: Benedikt Bungarten)
Beim Jugendforum Stadtentwicklung stellte Jörg Bindheim die aktuelle Lage Potsdams vor. (Foto: Benedikt Bungarten)

„Wir sind ja dafür, dass Flüchtlinge kommen – aber bitte nicht zu uns.“ Diese Standardreaktion erlebt Jörg Bindheim  meistens, wenn er Anwohner*innen erstmalig darüber informiert, dass eine Flüchtlingsunterkunft bei ihnen in der Nachbarschaft entstehen wird. Den Flüchtlingskoordinator der Stadt Potsdam erreichen viele Beschwerden darüber, dass die Anwohner*innen nicht vernünftig informiert würden und nicht mitentscheiden dürfen, wo die Unterkünfte gebaut werden. Dabei vergäßen sie jedoch, so Bindheim, dass diese Entscheidung nicht bei ihnen, sondern bei den von ihnen gewählten Vertretern in der Stadtverwaltung  liegt. „Wenn die Geflüchteten dann da sind, klappt es mit der Integration meist wie von selbst“, berichtet Bindheim stolz.

Aus 500 wurden 2065 – innerhalb eines Jahres

Bisher hat er mit seinem Team 1362 geflüchtete Menschen in Potsdam untergebracht, ohne auf Turnhallen oder Stoffzelte zurückgreifen zu müssen. Das schaffen nicht viele Kommunen.14 Einrichtungen gibt es schon, drei weitere sind in Planung. Anfang 2015 war noch von 500 Geflüchteten im Raum Potsdam die Rede. Inzwischen ist die Zahl drastisch gestiegen. 2065 Geflüchtete sollen bis Ende des Jahres ein Dach über dem Kopf haben. Eine Situation, die nicht nur für Potsdam neu ist, doch bei einem Wohnungsleerstand von nur knapp über einem halben Prozent, gerade hier eine Herausforderung darstellt. Im Durchschnitt stehen ungefähr vier Prozent aller Wohnungen in Deutschland leer.

„Zeit ist unser ärgster Feind“

Dafür zu sorgen, dass die Menschen nicht auf verschneiten Straßen schlafen müssen bedeutet eng getaktete Arbeit. Zeit spielt laut Bindheim nicht nur eine Rolle bei der Erstunterbringung, sondern auch bei der langfristigen Planung. Feste Wohnunterkünfte zu bauen, wäre finanziell die beste Lösung, doch die Erstunterbringung muss sofort verfügbar sein. Daher gibt es in Potsdam unterschiedliche Unterkünfte, vom Containerdorf bis zu Wohnverbünden.

Die Wohnverbünde haben ein besonders Konzept: Geflüchtete und Einheimische leben in einem festgelegten Verhältnis von eins zu sechs zusammen in Plattenbauten. Auch leerstehende Regierungsgebäude wurden in Potsdam schon umfunktioniert. Dem Vorbild des ehemaligen Landtages folgend, in welchem heute ca. 470 Menschen wohnen, soll nun auch der alte Ministeriumssitz 1000 Menschen als Erstaufnahmestelle dienen.

Und dann wurden sechs aus acht

Ursprünglich hatte sich die Stadt Potsdam als Ziel gesetzt, nicht mehr als 200 Menschen in einer Unterkunft zu beherbergen. Kompromisse wurden aufgrund der drastisch ansteigenden Flüchtlingsanzahl auch schon in anderen Bereichen gemacht. Damit das Land Brandenburg Unterkünfte für Geflüchtete finanziert, muss die Wohn- und Schlaffläche mindestens sechs Quadratmeter groß sein. Acht Quadratmeter wollte die Stadt Potsdam jedem Geflüchteten zur Verfügung stellen, was sie jedoch nicht mehr realisieren könne, erklärt Bindheim. Mittlerweile bietet die Stadt nicht mehr als den gesetzlichen Mindestwohnraum.

Mülltrennung und Kehrwoche

Bindheim erweckt den Eindruck, als liefen alle Motoren in Potsdam auf Hochtouren, um auf viele Neuankömmlinge vorbereitet zu sein. Außerdem sprächen zahlreiche Initiativen und Ehrenamtliche für eine integrative Zukunft. In der Erstaufnahme sollen die Geflüchteten auch auf das Leben in Deutschland vorbereitet werden – inklusive Mülltrennung und Kehrwoche. ­­­­­

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