Mach ich Revolution, tu ich Facebook

Malcolm X sagte einst: „Wenn du nicht dazu bereit bist, dafür zu sterben, dann streich das Wort ‚Freiheit‘ aus deinem Vokabular.“

Soziale Netzwerke waren für den Arabischen Frühling 2011 von enormer Bedeutung (Foto: Essam Sharaf, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0)
Soziale Netzwerke waren für den Arabischen Frühling 2011 von enormer Bedeutung (Foto: Essam Sharaf, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0)

Er war der Überzeugung, ernsthafte Veränderungen ließen sich nur durch radikales Vorgehen gegen die Unterdrücker herbeiführen – unter Einsatz des eigenen Lebens. Kurzum: Keine Revolution ohne Tote. Ein trauriges Fazit. Aber sollte sich das heutzutage nicht anders lösen lassen? Schließlich erleben wir die Blütezeit des Internets; weltweit findet Kommunikation online statt. Lassen sich womöglich auch Revolutionen in die digitale Welt verlagern?

Es gibt für alles eine App. Offenbar auch, um Präsidenten zu stürzen. Diesen Schluss legen zumindest die Erfahrungen der Jasmin-Revolution in Tunesien nahe. Ein erheblicher Anteil des sozialen Netzwerks Facebook am Verlauf und der Explosivität der Ereignisse ist kaum bestreitbar. Die Plattform erlaubte den streng überwachten Tunesiern, sich weitestgehend frei von Zensur zu verständigen und wurde daher kurzerhand Info-Portal und Bühne der Widerständler.

Die Revolutionäre selbst ließen alle Welt durch Videoclips am Geschehen teilhaben. Trotz der meist schwachen Aufnahmequalität lieferten sie ein unverfälschtes Bild der Lage vor Ort. Sie zeigten Menschen, die ihre Zukunft nicht allein dem Schicksal überlassen wollten und sich zur Wehr setzten gegen ein System, das ihnen keine Perspektive bot. Ihre Welle des Widerstandes riss das ganze Land mit. Urplötzlich trauten sich die Menschen allerorts, die Regierung kritisch zu hinterfragen.

„Ich habe solche Videos gebraucht“

Nuri Chamari, damals 17 Jahre alt, erlebte den Umsturz selbst mit. Er verließ frühzeitig Tunis, das Zentrum der Proteste, seine Familie verschanzte sich. Das Land war in heller Aufruhr, nachdem sich ein junger Gemüsehandler in aller Öffentlichkeit selbst verbrannt hatte. Ein Zeichen der Empörung über hohe Lebensmittelpreise und schlechte Aussichten der Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt. Anschließend schoss die Polizei bei Demonstrationen in die Menge. Unmissverständlich wollte das Regime so seine Macht untermauern. Doch die Schüsse gingen nach hinten los: Das Volk wehrte sich.

Nuri sagt, in den ersten Tagen des Umschwungs habe er außer allgemeiner Anspannung nichts wahrgenommen. Auf Facebook jedoch entwickelte sich derweil ein beispielloses Forum des Widerstands. Alle Absprachen wurden online getroffen. Hinzu kamen unzählige Videoaufnahmen der Proteste. „Hier auf der Straße, die ich kenne, fällt ein Kind um, weil es wegen dem Tränengas nicht atmen kann. Ich habe solche Videos gebraucht, um zu begreifen, was los ist“, erklärt Nuri.

Ob die Revolution ohne Facebook nicht möglich gewesen wäre? Das Netzwerk habe die Organisation erleichtert und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt, entscheidend sei aber die Willenskraft des Volkes gewesen, antwortet er. Und sagt grinsend: „Außerdem hatte ich schon immer das Gefühl, die Tunesier sind facebooksüchtig.“

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