Datenklau, ganz legal

Die Große Koalition plant, noch in dieser Legislaturperiode das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu verabschieden. Dadurch werden die Daten von Millionen Deutschen gespeichert. Gibt es noch Hoffnung auf Privatsphäre? Ein Kommentar.

Protest vor dem Bundestag: Was weiß der Staat über seine Bürger, wenn er Daten auf Vorrat speichert? (Foto: Nicor, Wikimedia Commons, CC-BY 2.0)
Protest vor dem Bundestag: Was weiß der Staat über seine Bürger, wenn er Daten auf Vorrat speichert? (Foto: Nicor, Wikimedia Commons, CC-BY 2.0)

Ich surfe im Internet. Nicht mit einem konkreten Ziel, sondern ganz klassisch: Einfach den aktuellen Top-Begriff „Hacker im Bundestag“ in eine Suchmaschine eintippen, und schon erscheinen die News-Feeds von Bild, Spiegel, Tagesschau. Bin ich also ein Terrorist? Oder doch ein Hacker, der schon bald ein anderes Parlament dieser Welt virtuell angreifen will?

Verbindungsdaten bleiben zehn Wochen gespeichert

Das wird mir anhand dieser Suchanfrage niemand sagen können. Noch niemand. Denn ein einziges Schlagwort reicht dafür nicht aus. Bisher können Geheimdienste und Polizei diese nicht zuordnen. Aber schon bald wird das geändert: In Deutschland soll die Vorratsdatenspeicherung eingeführt werden. Das heißt, dass alle Verbindungsdaten wie IP-Adresse, ungefährer Ort und die Zeit meiner Zugriffe auf jede einzelne Webseite gespeichert werden, und das über einen Zeitraum von etwas mehr als zehn Wochen.

Die Verbindungsdaten von Telefongesprächen sollen genauso lang gespeichert werden, die Ortungsdaten von Mobiltelefonen höchstens vier Wochen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), eigentlich Gegner der Vorratsdatenspeicherung, hat das Vorhaben unter dem neuen Schlagwort „Höchstspeicherfrist“ gemeinsam mit Bundesinnenminister Thomas De Maizière (CDU) auf den Weg gebracht.

Jeder PC kann zugeordnet werden

Damit sind wir als Bevölkerung transparent: Sobald ein Internetnutzer in Verdacht gerät, eine Straftat begangen zu haben, können die Daten ausgelesen werden. Denn anhand der IP-Adresse oder der Telefonnummer ist jede einzelne Mitbürgerin und jeder einzelne Mitbürger über den Internetprovider eindeutig identifizierbar. Das ermöglicht die Zuordnung von Suchbegriffen, besuchten Webseiten, Verbindungsdaten. Das gesammelte Profil wird dann analysiert und Experten der Polizei versuchen, anhand der Sammlung Beweise für das Verbrechen zu finden.

Das Ganze bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone, denn die massenhafte Überwachung und Ausspähung von Bürgern ohne konkreten Verdacht ist in der Verfassung nicht vorgesehen. Auch mit dem Europarecht scheint der Entwurf nicht konform. Juristen des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kritisieren den Gesetzesentwurf sogar in gleich zwei Gutachten: Bestimmte Gruppen der Bevölkerung, die Berufsgeheimnisträger wie Ärzte oder Journalisten, seien bedroht, heißt es. Zudem meinen die Experten, das Gesetz sei „unklar formuliert“.

Große Koalition ist gespalten

Nicht nur Datenschützer und Juristen, auch Mitglieder der Großen Koalition lehnen die Vorratsdatenspeicherung deshalb kategorisch ab, Sozial- und Christdemokraten sind sich uneinig. Abgeordnete der CDU befürworten das geplante Gesetz, aus SPD-Kreisen gibt es heftigen Widerspruch. Grüne und FDP planen sogar, gegen den geplanten Beschluss vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Schon ihre letzte Klage zu diesem Thema war erfolgreich, 2010 wurde die Vorratsdatenspeicherung für „nicht verfassungsgemäß“ erklärt.

Hoffentlich kann auch in der aktuellen Sache ein solches Urteil aus Karlsruhe Klarheit schaffen. Denn nur dann können wir sicher sein, dass wir nach Verfassung und Europarecht leben können, keine Daten widerrechtlich über uns gesammelt werden und im Netz auch eine gewisse Privatsphäre bestehen bleibt.

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