Digital geboren

Nachdem meine Mutter nach einer zweistündigen, durch mich erfolgten Einweisung in ihr neues Smartphone immer noch nicht schlau daraus wurde, begann sie mir von damals zu erzählen. Von damals, als sie meinen Vater kennengelernt hatte und als es diesen ganzen „technischen Firlefanz“ noch nicht gab.

Ein „Endgerät für Sprachkommunikation im Fernsprechnetz“ (Foto: Herr Olsen, flickr.com, CC-BY-NC 2.0)
Ein „Endgerät für Sprachkommunikation im Fernsprechnetz“ (Foto: Herr Olsen, flickr.com, CC-BY-NC 2.0)

Im Jahr 1980 saß sie am Küchentisch und schrieb einen Brief an meinen Vater, der gerade im weit entfernten Algerien war. Sie hoffte, dass ihn der Brief über den Seeweg in den nächsten sechs Wochen erreichen würde und dass es ihm gut ginge. Sie hatten schon länger keinen Kontakt mehr. Die letzten Informationen hatte sie aus einem Telefonat, als sie vor zwei Wochen das Mobiltelefon in der Größe einer Werkzeugtasche von einem benachbarten Autohändler ausgeliehen hatte.
Auf dem Weg zum Briefkasten beschloss sie, sich in der Videothek eine VHS-Kassette von „Krieg der Sterne“ auszuleihen, der – nebenbei erwähnt – bereits 1978 in den Kinos lief, allerdings erst zwei Jahre später in den Videotheken erhältlich war. Gerne hätte sie sich mit meinem Vater darüber ausgetauscht, allerdings war die Kommunikation damals sehr beschwerlich.

Mit den Jahren durchlief die Kommunikation eine Wandlung. Durch die Fortschritte in der Pränataldiagnostik und meiner daraus folgenden Geburt brach die Ära einer neuen Generation an. In der dritten Klasse besaß ich bereits ein Handy und nur wenig später ein Smartphone. Facebook war nicht mehr nur ein Name, sondern eine Religion und wer dieser nicht folgte, wurde als Aussätziger abgestempelt.

WhatsApp statt Wählscheibe

Um mit Freunden auf der ganzen Welt in Kontakt zu bleiben, öffnet man bequem eine App auf dem Smartphone und erhält auch innerhalb weniger Sekunden eine Antwort. Essen wird nicht mehr gegessen, sondern fotografiert. Und anstatt sein Gehirn in irgendeiner Form anzustrengen, fragt man einfach Google. Den Landkarten wird keine Beachtung mehr geschenkt, schließlich kann man einfach dem Navigationssystem folgen, Kommunikation erfolgt von Touchscreen zu Touchscreen.

Sie sind vor 1980 geboren? Sie kennen analoge Telefone? Das sind die moosgrünen oder bundespostgrauen, gefühlt 10 Kilogramm schweren „Endgeräte für Sprachkommunikation im Fernsprechnetz“ mit den Wählscheiben, die sich damals unter modisch-hippen Brokatbezügen versteckten. Sie haben Telefonzellen gesehen, ohne dafür ins Museum gehen zu müssen? Dann gehören sie laut einer Definition von Marc Prensky aus dem Jahre 2001 zur Generation der „Digital Immigrants“.

Ich hingegen, als nach 1980 Geborene, darf mich zu den „Digital Natives“ zählen. Und mir vielleicht sogar, als nach 1990 Geborene, das Mantra „Ich surfe, also bin ich“ auf die Stirn schreiben. Eine digitale Generation erobert die Gesellschaft – passender kann man es nicht ausdrücken.

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