Interview mit Thomas Silberhorn: „Eine ständige Herausforderung“

Vorstellung der Zukunftscharta in Berlin: Das 68-seitige Dokument soll die Entwicklungszusammenarbeit langfristig neu ausrichten. Julian Friesinger von politikorange und Matthias Berghoff vom Deaf Magazine trafen Thomas Silberhorn. Im Interview sprach der Parlamentarische Staatssekretär über seinen eigenen Beitrag zu einer gerechteren Welt und die weltweite Umsetzung von sozialen Mindeststandards.

politikorange: Herr Silberhorn, die Zukunftscharta dreht sich vor allem um das Thema Nachhaltigkeit. Wie nachhaltig leben Sie eigentlich?

Thomas Silberhorn: Nachhaltig zu leben ist eine ständige Herausforderung. Ich bemühe mich durchaus darum. Das beginnt beim Einkauf von Lebensmitteln, die fair gehandelt oder regional hergestellt werden. Das geht weiter mit dem Einkauf von Kleidern. Im Entwicklungsministerium bemühen wir uns sehr darum, transparenter zu machen, ob die Kleidung, die wir tragen, auch fair hergestellt wurde.
Aber es gibt sicherlich auch Bereiche, wo es schwierig wird, gerade wenn ich an Flugreisen denke. Ich bin recht häufig unterwegs. Wenn wir die Auswirkungen auf den Klimawandel in nachhaltiges Handeln miteinbeziehen, gibt es noch vieles, das wir verbessern können.

1.500 Beiträge und Kommentare gab es zur Zukunftscharta. Bei einer Bevölkerung in Deutschland von knapp 82 Millionen ist das ziemlich wenig. Ist es nicht frustrierend, dass es eine so geringe Beteiligung gab?

Wir haben ja gerade ein halbes Jahr über den Entwurf dieser Zukunftscharta verhandelt. 1.500 Beiträge sind eine ganz erkleckliche Zahl. Wir erwarten nicht, dass 82 Millionen Deutsche sich mit diesen Details beschäftigen. Aber es sind doch eine ganze Menge junger Leute, die sehr profund mit ihrem Wissen beigetragen haben zu dieser Zukunftscharta.
Die Veranstaltung heute zeigt, dass viele junge Leute da sind. Das stimmt uns sehr zuversichtlich, denn es geht eben darum, dass wir in Zukunft eine Ordnung verwirklichen können, die nachhaltiges Leben und Wirtschaften ermöglicht. Es geht um die nächste Generation und deswegen müssen Politiker heute so handeln, dass es langfristig, auch morgen, noch tragfähig ist. Und das müssen wir vor allem mit den jungen Leuten diskutieren.

Ah ja. Und was wird jetzt konkret besser mit der Zukunftscharta?

Die Zukunftscharta hat das Ziel, mit allen beteiligten Gruppen, mit allen Interessenten darüber zu sprechen, was wir international angehen müssen, welche Ziele wir vereinbaren müssen, damit wir unsere Lebens- und Arbeitsweise nachhaltig gestalten können. Dazu wird es im nächsten Jahr Beschlüsse geben im Rahmen der Vereinten Nationen. Wir wollten das nicht als Regierung alleine verhandeln, sondern wir wollen die Anregungen, die Ideen aus der Zivilgesellschaft einbeziehen. Deswegen haben wir alle eingeladen, daran mitzuwirken.

Diese Veranstaltung heute wird das Ergebnis, die Zukunftscharta, präsentieren. Wir wollen das nicht nur als ein Dokument sehen, sondern als einen Prozess. Denn die Ziele, die wir uns setzen, müssen auch umgesetzt werden. Das schafft die Regierung nicht allein. Wir wollen uns diese Ziele schon so setzen, dass wir gemeinsam mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen, mit der Privatwirtschaft, mit der Wissenschaft, mit den Medien daran arbeiten, dass wir auch zu konkreten Verbesserungen kommen, was nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise angeht.

Zum Thema Umsetzung: Das von Gerd Müller initiierte Textilbündnis versucht die Durchsetzung von Arbeitsstandards in anderen Ländern anzustoßen. Doch kaum ein großes Unternehmen macht mit. Ärgert Sie das nicht?

Wir halten an dem Ziel fest, dass wir soziale und ökologische Mindeststandards brauchen für die Produktion in allen Ländern der Welt. Die Verbraucher haben daran ein großes Interesse. Sie wollen Transparenz, sie wollen wissen, wo die Kleidung herkommt und wie sie hergestellt wurde. Diese Transparenz wollen wir auch in Deutschland herstellen. Nicht nur mit 82 Millionen Verbrauchern in Deutschland, sondern wir sind Bestandteil des europäischen Binnenmarktes mit 500 Millionen Verbrauchern. Diese Nachfragemacht wollen wir mit auf die Waagschale legen.

Ich glaube, dass sich kein Unternehmen dauerhaft seiner internationalen Verantwortung entziehen kann. Man kann nicht einfach den deutschen und europäischen Markt nutzen und dabei ignorieren, unter welchen Bedingungen Produkte in anderen Ländern hergestellt werden. Wenn ich ein Beispiel nennen darf: Ein Auto hat Tausende von Teilen und bei jedem einzelnen Teil wird für jeden Hersteller bis ins Letzte zertifiziert, dass Mindeststandards in der Produktion eingehalten werden. Und die Hersteller zeichnen ihre Lieferanten dafür aus, dass sie qualitative Produkte liefern. Ich glaube, es ist möglich diese Transparenz zu schaffen, auch für ein Kleidungsstück. Das, was in der Automobilindustrie bereits erfolgreich vorgelebt wird, das muss auch in der Textilindustrie Einzug halten. Das ist ein langer Weg, aber wir machen uns auf diesen Weg mit den ersten Schritten. Dass manche diese Schritte noch nicht gehen, zeigt natürlich, dass es ein ehrgeiziger Weg ist und dass man dafür einiges tun muss.

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