Moderiert vom TV-Meteorologen Sven Plöger diskutierten Staatssekretär Thomas Silberhorn, Landesminister Peter Friedrich und Prof. Dr. Liebig in der Politikarena über die Herausforderungen des Klimawandels.
Für 200 Menschen war die Politikarena bestuhlt. Schätzungsweise 500 wollten zuschauen. Der TV-Metereologe Sven Plöger, der die Veranstaltung moderierte, bat darum, der Diskussion auf in benachbarten Räumen angebrachten Monitoren zu verfolgen. Lobend erwähnte er, dass so viele junge Menschen anwesend waren, denn die zwei Grad Celsius, um die sich die Erde in den kommenden Jahrzehnten wohl erwärmen werde, würde vor allem die jüngere Generation betreffen. Vor der eigentlichen Diskussion rief er die bekannte, aber gern verdrängte Problematik des Klimawandels und die sich daraus ergebenden extremen Wetterereignisse ins Gedächtnis, die Fluten, Stürme und langen Dürren. Der fiktive Wetterbericht für den 7. August 2050 fiel düster aus. Der schwächelnde Jetstream wird dafür sorgen, dass Hoch- und Tiefdruckgebiete lange Zeit nicht weiterziehen, sodass extreme Hitze, Kälte oder Regen für lange Zeit an einem Ort stehenbleiben werden. Wenn man das verhindern wolle, käme es verstärkt auf den Einzelnen an, betonte Plöger und zog Parallelen zu den friedlichen Protesten in der DDR. Zwar habe auch die Natur ihren Anteil an der Erderwärmung, aber der Mensch beschleunige die Veränderung massiv. Was genau man dagegen tun könne, darüber solle die Zukunftstour informieren, dazu seien auch Diskussionen wie Politikarena da.
Neue Planeten suchen?
Thomas Silberhorn, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) begann seine Rede mit einem Verweis auf den Astrophysiker Stephen Hawkins. Dieser sei der Meinung, die Menschheit müsse andere Planeten besiedeln, denn auf der Erde sei die Belastungsgrenze bereits überschritten. Er, Silberhorn, müsse sich als Politiker jedoch auf die Erde und die hiesigen Probleme konzentrieren. Wichtig sei es, von der theoretischen Erkenntnis zur Aktion überzugehen. Und solche gebe es schon. Die Agenda 2030 der UN beinhaltet unter anderem den Kampf gegen den Klimawandel, für den die Weltgemeinschaft 100 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2020 aufbringen will. Die Zukunftscharta des BMZ ist ein Dokument, das ähnliche Ziele formuliert, unter anderem die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlage durch nachhaltige Bewirtschaftung. Für die UN-Klimakonferenz in Paris sei man verhalten optimistisch, die französische Diplomatie gehöre schließlich zu den besten der Welt. Wenn China umschwenke, was aufgrund der massiven Umweltverschmutzung im diesem Land heute wahrscheinlicher sei als noch vor einigen Jahren, könne in Zusammenarbeit mit Obama gegen Ende von dessen Präsidentschaft ein Konsens erreicht werden. Was ein Scheitern der Weltgemeinschaft bedeuten würde, verschwieg Silberhorn nicht: Ein Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter würde in Bangladesch schon 15 Millionen Menschen heimatlos machen. Mit 150 bis 300 Millionen Klimaflüchtlingen weltweit habe man bei einer Erwärmung um zwei Grad zu rechnen. Ein Problem sei unsere alternde Gesellschaft, die satt und langsam geworden sei. Man müsse jünger, schneller und agiler werden. Das junge Publikum fühlte sich geschmeichelt.
Erdbeobachtung per Satellit
Wie Silberhorn bezog sich Prof. Dr. Volker Liebig, der als Direktor für Erdbeobachtung bei der European Space Agency ESA tätig ist, am Anfang seines Vortrages auf Hawkins. Und wie Silberhorn hielt er Weltraumbesiedelung nicht für die beste Lösung, gestand jedoch ein, dass die Verletzlichkeit der Menschheit durch den Klimawandel ständig wächst. Sein Vortrag handelte von der Erdbeobachtung mittels Satelliten, die inzwischen große Möglichkeit bietet, beispielsweise das Abschmelzen von Gletschern genau zu dokumentieren oder Flüchtlingszelte aus dem Weltall zu zählen. Der Beitrag der Erdbeobachtung gegen den Klimawandel sind die wissenschaftliche Fakten und statistische Daten, die sie liefert.
Wie die gemeinsamen Ziele erreichen?
Im Anschluss hatten die Redner Gelegenheit, miteinander zu diskutieren. Zu Plögers Eröffnungsfrage, wo sie unsere Welt in dreißig Jahren sehen, fielen ihnen natürlich die abschmelzenden Polkappen, der steigende Meeresspiegel und die extremeren Wetterereignisse ein. Liebig wies auf die Probleme der Modellrechnung hin. Keine Prognose sei völlig gesichert. Indes herrschte Skepsis, was das Ziel von zwei Grad Celsius Erwärmung angeht, es werden wohl eher mehr werden. Den Leugner*innen des Klimawandels hielt Silberhorn die realen Auswirkungen entgegen. Von Anfang an herrschte in der Diskussion Einigkeit, dass sich etwas ändern muss. Aber wie man diese Änderung erreichen soll, das blieb die große Frage, deren befriedigende Antwort noch gefunden werden muss. Auch die Agenda 2030 und die Zukunftscharta formulieren letztendlich nur Ziele, ohne konkrete Strategien aufzuzeigen. Ein nachhaltiger Lebensstil ist jedenfalls ein wichtiger Schritt. Peter Friedrich, baden-württembergischer Minister für Bundesrat, Europa und internationale Angelegenheiten, hielt diesen Lebensstil auch für den angenehmeren, weil Verbraucher*innen ihr Gewissen nicht belasten müssen. Auch ökonomisch sei eine Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen sinnvoll, so Friedrich.
Keine bahnbrechenden neuen Ideen
Gegen Ende der Diskussion bekamen noch einige geladene Gäste aus Baden-Würtemberg Gelegenheit, ihre Thesen und Projekte vorzustellen. So wurde man über Smarthomes ins Bild gesetzt. Das bedeutet, dass beispielsweise die Heizung über das Smartphone an- und abgeschaltet werden kann. Auch Projekte wie „Bewegen statt Daddeln“ oder „Tausche neuen Schrott gegen alte Werte“ zu wurden vorgestellt. Und der Bau von Shoppingsmalls in Stuttgart wurde kritisiert. So war die Chance, ursächliche Lösungen für das weite Problemfeld zu diskutieren oder zumindest zu skizzieren, vertan. Das Gespräch fuhr sich an der Frage fest, wie viele Primarks es in Stuttgart gibt und welche alternativen Einkaufsmöglichkeiten. Letztendlich konnte man aus den Reden anregende Details mitnehmen. Wichtige Zusammenhänge wie der zwischen der Klimaerwärmung und dem steigenden Meeresspiegel wurden deutlich gemacht. Konkrete und ursächliche Lösungsansätze konnten aber nicht präsentiert werden. Die Zeit ging zu schnell vorbei.