Plötzlich gehört das Feld nicht mehr dir, sondern einem Sojaproduzenten. Ist Landraub überhaupt erlaubt? Vanessa Reiber beleuchtet die Ursachen für die Enteignung indigener Völker und wirft einen Blick auf die Rechtslage.
Südamerika. Samba beim Karneval in Rio de Janeiro, die Iguaçu-Wasserfälle, die Atacamawüste in Chile und die Ruinenstadt Machu Picchu in Peru. Dazu noch Sommer, Sonne, türkisfarbenes Meer und lange Sandstände. So stellen wir uns den viertgrößten Kontinent der Erde vor. Doch abseits der Touristenmagneten und Großstädte bestimmt ein Problem das Leben der im Agrarsektor arbeitenden Bevölkerung: Durch Landraub, also den großflächigen Aufkauf von fruchtbaren Böden, verlieren viele Bauern und Bäuerinnen ihre Existenzgrundlage.
Landraub ist kein neues Phänomen
Schon während der Zeit der Kolonialisierung eigneten sich fremde Siedler*innen riesige Landstriche an und vertrieben die vormals dort lebende indigene Bevölkerung oder zwangen sie zur Arbeit auf ihren Baumwoll- oder Zuckerrohrfeldern.
Auch in Zeiten der Globalisierung werden noch immer viele, seit Generationen in der Landwirtschaft arbeitende Menschen enteignet. Anders als zu Kolonialzeiten sind heute Großinvestor*innen, zum Teil auch aus dem Ausland stammend, und die Regierungen am Landraub beteiligt. Das Problem: Die Bauern haben in der Regel keine Besitzurkunden für ihre Ländereien. Besonders betroffen sind die Bewohner*innen der Region Gran Chaco in Südamerika. Der Großteil der mehr als 100 Millionen Hektar großen Fläche gehört zu Argentinien.
Argentinien ist nach den USA und Brasilien der drittgrößte Sojaproduzent der Welt. Auf über 50 Prozent der Ackerbaufläche werden Sojabohnen angebaut. Damit passt sich die argentinische Wirtschaft der steigenden globalen Nachfrage nach Fleisch und Agrartreibstoffen an. Das aus den Sojabohnen gewonnene Sojaschrot wird vor allem von den EU-Ländern importiert und an Tiere verfüttert. In der Produktion von Öl und Biodiesel auf Sojabasis ist Argentinien Weltmarktführer. Auch hier sind die Hauptabnehmer die Staaten der Europäischen Union. Die argentinische Regierung ist an einem Ausbau der Sojaproduktion interessiert, da sie durch eine Exportsteuer von 35 Prozent beteiligt ist.
Argentinische Regierung verweigert Pflichten
Der Staat profitiert also und die indigene Bevölkerung verliert ihre Felder oder leidet unter dem massiven Einsatz von Pestiziden. Dabei hat sich die argentinische Regierung bereits 1991 mit der Ratifikation des sogenannten „ILO 169“ dazu verpflichtet, die Grundrechte von indigenen Völkern zu schützen. Das Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern ist ein Übereinkommen der International Labour Organization, kurz ILO, die die Rechte indigener Völker schützt.
Die Unterzeichner*innen des Untereinkommens verpflichten sich in Artikel 14 dazu, die Eigentums- und Besitzrechte der betreffenden Völker an dem von ihnen von alt her besiedelten Land anzuerkennen. „Außerdem sind in geeigneten Fällen Maßnahmen zu ergreifen, um das Recht der betreffenden Völker zur Nutzung von Land zu schützen, das nicht ausschließlich von ihnen besiedelt ist, zu dem sie aber im Hinblick auf ihre der Eigenversorgung dienenden und ihre traditionellen Tätigkeiten von alters her Zugang haben.“
Auch Artikel 75 der argentinischen Verfassung sichert den indigenen Völkern den Besitz ihrer traditionell angestammten Territorien zu. Davon merken die beraubten Bewohner*innen allerdings zu wenig. Die Anbauflächen für die Sojaproduktion werden stetig erweitert, damit die Wirtschaft weiter wächst.