Linksextremismus und Antifaschismus – zwei Begriffe, die Konservative häufig synonym verwenden. politikorange-Redakteur Joel Feil spricht sich für eine überlegte und ausgewogene Debattenkultur aus. Ein Kommentar.
Antifaschismus – staatsbürgerliche Grundhaltung
Wehende Fahnen, in Flammen stehende Autos und verwüstete Straßenzüge – die Bilder von den G7-Protesten in Hamburg verbinden viele mit der Antifaschistischen Aktion, kurz Antifa. Eines muss ich klarstellen: Antifaschismus ist kein Aufruf zur Gewalt, ganz im Gegenteil.
Antifaschismus positioniert sich gegen Rechtsradikalismus – eine Kampfansage an den rechten Mob. Das macht ihn zu einer tragenden Säule in dem Wertesystem unseres Staates, insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg und der Nazidiktatur. Wer sich nicht klar vom rechten Rand abgrenzt, toleriert ihn. Was nebenbei bemerkt genau das Problem der AfD ist. Die Partei besteht nicht ausschließlich aus Nazis. Aber diejenigen, die keine Nazis sind, akzeptieren sie neben sich in der Partei. Der Antifaschismus als Säule des Wertesystems ist deshalb so wichtig, weil er das Bekenntnis ist zu „Nie wieder“, damit Nazi-Deutschland nicht noch einmal passiert. Und genau das ist Staatsbürgerlichkeit und nichts anderes!
Konservative bringen der Debatte keinen Mehrwert
In der allgemeinen politischen Debatte werden häufig Begriffe vermischt. Grund dafür ist die Ignoranz, insbesondere von Union und FDP sowie die mangelhafte Bereitschaft, die Begriffe zu sortieren: Die beschriebene staatsbürgerliche Grundhaltung wird hier mit gewaltbereitem Linksextremismus konsequent gleichgesetzt. Dabei müsste eigentlich gerade die Union, mit Konrad Adenauer als Bundeskanzler nach der Nazidiktatur, den Antifaschismus für sich gepachtet haben. Müsste. Stattdessen liefern Konservative, wie sie sich heute verstehen, der politischen Debatte keinen Mehrwert. Im Gegenteil: Sie führen eine rückwärtsgewandte, eintönige Debatte. Diese Haltung ist nicht im Sinne des Konservativismus, der durchaus eine Berechtigung hat – nur nicht so, wie die Union ihn betreibt. Und darüber hinaus: Diese Haltung ist nicht im Sinne unserer demokratischen Debatte.
Antifaschismus gehört in die Parteienlandschaft
Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos sagte dazu in einem Interview gegenüber represent (Anm. d. Red.: Format von Funk und ZEIT online auf YouTube): „Die SPD ist aus ihrer ganzen Geschichte heraus eine antifaschistische Partei“. Doch solche Bekenntnisse sind selten.
Dennoch: Während die Unionsparteien und die FDP den Fehler begehen, die Begriffe Antifaschismus und Linksextremismus synonym zu verwenden, schreiben sich „linkere“ Parteien den Begriff offen auf die Fahne. Und soll Politik nicht die Gesellschaft spiegeln? Wenn Antifaschismus die staatsbürgerliche Grundhaltung ist, erwarte ich als Bürger von den Parteien, dass sie diese Haltung teilen. Lippenbekenntnisse gegen Rechts reichen nicht aus. Sie sind nicht deutlich genug. Sie schaden der Gesellschaft.
„Die Antifa“ – Alles gewaltbereite Terroristen?
Einer ist wohl auch unangefochten, wenn es darum geht, der Gesellschaft zu schaden: Donald Trump. Er bezeichnet die Antifa als Terroristen. Im Deutschen Bundestag wettert alles rechts der SPD gegen „die Antifa“. Die Antifa als „Organisation“ wird dabei schnell als Gruppierung demokratiefeindlicher und gewaltbereiter Brandstifter*innen dargestellt. Die Junge Union fordert von allen Demokrat*innen eine klare Abgrenzung von der Antifa.
Klar ist daran aber nur, dass diese Wortführer*innen vor allem eines tun: Sich mit der Antifa von einer klaren, antifaschistischen Position gegenüber Rechts abzugrenzen. Personen, die die politische Rechte verurteilen, sollten es auch beim Namen nennen: Antifaschismus.
Aufrührerisch, verfassungsfeindlich, gewaltbereit – Begriffe mit denen „die Antifa“ kritisch beschrieben wird. Und doch zeigt die Struktur: „Die Antifa“ gibt es nicht.
Die Antifaschistische Aktion besitzt keinen Dachverband „Antifa Deutschland“ oder ähnliches. Die Teilnehmenden sind häufig nur in Ortsgruppen miteinander vernetzt, ähnlich der Struktur von Fridays for Future. Trotzdem kommen sie gelegentlich zusammen, um größere Aktionen durchzuführen. Dabei macht die Antifa vor allem eines: Aufklären. Ungebildeten Rechten kann man nur eines entgegensetzen: Bildung. Denn rechtes Gedankengut, salonfähiger Rassismus und menschenverachtende Ansichten zeugen vor allem von mangelnder Bildung.
Dennoch besitzt natürlich auch die Antifa ihre schwarzen Schafe. Immer wieder werden Proteste von Gewaltbereiten unterwandert. Aber alle Aktivist*innen direkt als gewaltbereite Extremist*innen zu bezeichnen, bringt der Debatte keinen Mehrwert. Nur weil ein Fußballverein gewaltbereite Anhänger*innen hat, fordern politische Vertreter*innen deshalb nicht, den gesamten Verein als gewaltbereite Schläger*innen einzustufen.
Differenzierung macht eine Debatte erst möglich
Antifaschismus ist die staatsbürgerliche Grundhaltung, die Mitte der Gesellschaft, die wir alle vertreten müssen. Die meisten von uns tun dies auch. Nur einige scheuen sich, es beim Namen zu nennen. Schwarze Schafe machen es nötig, dass wir zwischen dieser Grundhaltung und gewaltbereiten Ausschreitungen differenzieren. Gewaltbereite Ausschreitungen von Linken sind genauso zu verurteilen wie die der Rechten. Extremismus ist nicht Teil unserer Demokratie – Antifaschismus ist ihre Basis.
Deshalb müssen wir differenzieren. Davon profitiert auch die AfD. Sowohl ihre Jugendorganisation (Junge Alternative für Deutschland) als auch der so genannte „Flügel“ der AfD, werden vom Verfassungsschutz wegen (rechts-)extremistischer Ansichten überwacht. Und dennoch kann im Rechtsstaat nicht die gesamte AfD als rassistisch, faschistisch und undemokratisch bezeichnet werden. Im Gegenzug macht die AfD genau das: Staatsbürgerlichen Aktivismus mit linkem Extremismus über einen Kamm scheren. Und genau das macht die Notwendigkeit deutlich: Der*die durchschnittliche deutsche Staatsbürger*in sollte sich nicht auf dieses Niveau der Vereinfachung herabbegeben.
Und so werden wir wohl auch weiter eine Partei, die einen Björn Höcke – einen als solchen gebrandmarkten Faschisten – als die Mitte der Partei bezeichnet, nicht als generell faschistisch einschätzen können. Wir können nur sagen: Die Mitglieder der AfD haben kein Problem damit, in einer Partei mit Faschisten zu sein. Das können wir dann aber mit allem Niveau der politischen Debatte.
Was ist Antifaschismus?
Faschismus ist nach seiner Definition eine „nach dem Führerprinzip organisierte […] rechtsradikale Bewegung [oder] Ideologie.“ Die Vorsilbe „Anti“ bedeutet „dagegen“. Antifaschismus ist deshalb die Abkehr vom Rechtsradikalismus. Nach dem zweiten Weltkrieg vor allem gegen die Nazidiktatur und deren Nachfolger.
Was ist die Antifa?
Die Antifaschistische Aktion, kurz Antifa, wurde 1932 von der KPD ausgerufen. Der Zweck war der Kampf gegen die völkische Bewegung und das Aufstreben der NSDAP. Die Mitglieder der Antifa wurden in der Nazi-Zeit genau wie Kommunist*innen und Sozialdemokrat*innen systematisch verfolgt und ermordet. Nach dem Sieg über das Deutsche Reich bildeten überlebende Mitglieder sog. Antifaschistische Aktionsausschüsse. Seitdem streitet die Antifa für eine Befreiung vom Nazismus und das Herbeiführen einer friedlichen Welt. In der heutigen Zeit macht die Antifa in Deutschland in erster Linie Informationsarbeit. Aufdecken von Geldströmen und Widersprüchlichkeiten in Parteiprogrammen gehört zu den wichtigen Arbeiten der Antifa.
Dieser Beitrag ist im Rahmen eines gemeinsamen Projekts von sagwas.net und politikorange.de entstanden.