Ende der Eine-Welt-Konferenz 2020

Die Eine-Welt-Konferenz 2020 und die sie begleitende politikorange-Berichterstattung kommen zum Ende. Wie genau wir mit der weltweit zunehmenden Einschränkung der Zivilgesellschaft umgehen sollen, wissen wir noch immer nicht. Also Konferenz vorbei und alle Fragen offen? Nicht ganz.

Auf der Eine-Welt-Konferenz kamen die Diskussionen direkt zu uns an den Tisch. I Foto: Jason Strull on Unsplash

Wir wissen vielleicht nicht alles, aber sicher mehr als vorher. In Diskussionen, Vorträgen und Workshops brachten die unterschiedlichsten Akteur*innen ihre Perspektive ein. Die Redakteur*innen von politikorange haben für euch darüber berichtet – und führen die Diskussion selbst weiter.

So wirft Leon Lobenberg eine kritische Perspektive  auf Entwicklungszusammenarbeit und wartet mit einem flammenden Plädoyer gegen Freiwilligendienste im globalen Süden auf. Hannan El Mikdam-Lasslop beschäftigte sich mit der Kritik, die die Sea-Watch-Kapitänin Pia Klemp an Abschottung der EU übte. Marlene App wirft ein Schlaglicht auf die Menschen, die auch unter diesen erschwerten Bedingungen versuchen, Menschen in Seenot zu helfen. Durchaus selbstkritisch setzt sich Hannah Lee dem Hashtag-Aktivismus der Generation Y auseinander, und kommt doch zu dem Ergebnis, dass die Kinder der Digitalisierung toleranter und bewusster leben als die Generationen davor.

Die nicaraguanische Aktivistin und Musikerin Gaby Baca Vaughan hätte eigentlich ein Konzert auf der Konferenz geben sollen, das aufgrund der Corona-Situation ausfallen mussste. Hannan El Mikdam-Lasslop hat mit ihr gesprochen – über die Musik, ihren Kampf für die Natur, Frauen- und Menschenrechte und gegen soziale Probleme.

Auf diese Weise haben wir versucht, die Nachteile einer nicht-physischen Konferenz mit den Vorteilen des Internets auszugleichen, bei der die Diskussionen direkt zu uns an den Küchentisch kamen. Das ist gut, weil es das Zuhören und auch das Mitmachen vereinfacht, Barrieren abbaut. Doch es ist auch schwierig, weil es die besondere Atmosphäre einer Konferenz, die für das Nachdenken und Reflektieren eine besonders geeignete Atmosphäre ist, zerstören kann. Im digitalen Überall gibt keinen gesonderten und klar abgegrenzten Raum mehr für das Nachdenken. Wenn es schlecht läuft, endet die Reflexion deshalb, sobald wir unsere Laptops zuklappen. Und was ist mit den Gesprächen zwischen den Veranstaltungen, mit den zufälligen Begegnungen beim Mittagessen oder den Leuten, die man noch von der Konferenz kennt und im Zug wiedererkennt? Die Pandemie zwingt uns zu einem Experiment, das ohne sie vermutlich die Wenigsten gewagt hätten. Welche Schlüsse wir jedoch daraus für zukünftige Konferenzen oder Redaktionen ziehen wollen, bleibt allein uns überlassen. Vielleicht bietet sich für die Zukunft ein Mix aus physischen und digitalen Treffen statt, um die Vorteile beider Räume zu verbinden. Vielleicht müssen wir lernen, mehr auf eine Art „digitales Cool-Down“ zu achten, wie nach einem anstrengenden Training. Dass wir nicht unvermittelt aus einem Konferenzbeitrag ins Alltagsleben zurückzukehren, sondern uns eine Übergangsphase schaffen. Wie digitale und nicht-digitale Räume koexistieren und einander positiv beeinflussen sollen, wird uns in Zukunft mit oder ohne Pandemie weiter beschäftigen.

Wer wird die Zukunft gestalten? 

Der Hashtag #eineweltdeinewelt verweist auch darauf, dass es an uns liegt, den weiteren Verlauf der Entwicklung zu beeinflussen – an jedem und jeder Einzelnen und an den Gruppen und Organisationen, denen wir angehören. Online oder offline, als Politiker*in oder Journalist*in, in einer NGO oder im privaten Sektor – vielleicht ist es gar nicht so wichtig, sofern es nur geschieht. Selten sind es die großen Konferenzen, die große Veränderungen in Gang setzen. Sie sind vielmehr Momente des Innehaltens, des Austauschs, der Reflexion. Die uns die Kraft, die Ideen, die Kontakte, die Inspiration geben sollen, notwendige Veränderungen in die Tat umzusetzen. Das muss überall passieren – in den Parlamenten und Kabinetten, in den Unternehmen und der Zivilgesellschaft, im den Familien, Städten und Kommunen, den individuellen Leben. Ein wichtiger Anfang für viele Veränderungen ist es, von ihnen zu sprechen.

Philipp Neudert

Philipp studiert Philosophy & Economics in Bayreuth, schreibt und schrieb für verschiedene Medien. Aus ökonomischer Sicht interessiert ihn, wie Menschen und verschiedene Organisationen mit Knappheit umgehen, aus philosophischer Sicht, wie man diesen Prozess ("das Wirtschaften") fair und gerecht gestalten kann. Daneben verschiedene Grundsatzfragen (Warum das alles? Ist das Leben nur eine Simulation? Warum fällt das Brot immer auf die geschmierte Seite?) und eine Leidenschaft für Literatur.

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