Die Europameisterschaft der Männer wird begleitet durch eine reine Werbeschlacht. Chinesische und katarische Sponsoren stechen ins Auge. Kritik liegt hierbei nahe.
Deutschland. Ein Sommermärchen.
Ein Traum: Ein EM-Spiel im eigenen Land sehen zu dürfen. Schnell das Familiensilber für die teuren Tickets verscherbelt, Bezahlung mit Alipay und Trikot übergestülpt. Im Stadion begrüßt einen eine audiovisuelle Reizüberflutung an Werbung. Ob der von VIVO gesponserte Stadion DJ, blinkende Banden, auf denen Qatar Airways wirbt oder AliExpress Werbung auf dem Videowürfel. Besonders auffallend sind Werbungen katarischer und chinesischer Unternehmen.
Werbeschlacht und Fußballfest sind Begleiter der Fußball Europameisterschaft der Männer in Deutschland. Bei der WM 2022 allerdings war in Deutschland aufgrund des frühen Ausscheidens der Nationalelf niemandem so recht zum Feiern zumute. Außerdem hatten abseits des Spielfeldes andere Themen die Berichterstattung rund um die WM begleitet. Die Menschenrechtslage in Katar lag ganz im Fokus, die vielfach kritisch betrachtet wurde. Beispielsweise von Amnesty International die Vorwürfe erhoben, dass Arbeiter*innen mit Migrationshintergrund zu Tode kamen. Wegen schlechter Arbeitsbedingungen.
Auch dieses Jahr hat Katar seine Finger im Spiel. Und zwar mit der Tourismuskampagne „Visit Qatar“ oder Werbung von Qatar Airways. Darüber hinaus sind auch chinesische Unternehmen wie Elektronikkonzerne Vivo, BYD, Hisense oder Online-Einzelhändler AliExpress und deren Zahlungsdienstleister Alipay offizielle Partner der Europameisterschaft.
United by Football
„United by Football“ liest man überall rund ums Stadion. So lautet der offizielle Turnier-Slogan. Ob damit auch homosexuelle Menschen in Katar oder regierungskritische Stimmen in China gemeint sind, ist fraglich. Der chinesischen Regierung wird ein kultureller Genozid an den Uiguren vorgeworfen. Sponsor der EM Hisense wird vorgeworfen Uiguren zur Zwangsarbeit zu bringen. Des weiteren gibt es laut Amnesty International Folter und massive Unterdrückung der Meinungs- und Medienfreiheit. In Katar werden homosexuelle Menschen mit Peitschenhieben und Gefängnis bestraft. Im kurzen “Visit Qatar” Werbespot vor der TV-Übertragung sieht man vor allem zwei Dinge: abermals bunte Lichter und nur Männer. Bis auf die Ausnahme weniger kleinen Mädchen und Frauen mit dem Rücken zum Bild im Hintergrund. In einem längeren offiziellen EM-Werbespot zeigt sich das Land auch auf Hochglanz poliert. Peitschenhiebe sind eben nicht so gutes Werbematerial wie Wolkenkratzer und driften in der Wüste.
Durch die Partnerschaft mit “Visit Qatar” unterstützt die UEFA das touristische Ansehen Katars. Durch die Kooperation mit Qatar Airways und chinesischen Unternehmen stärkt sie Katar und China wirtschaftlich den Rücken. Neben der UEFA müssen sich auch die Verantwortlichen in Deutschland Kritik gefallen lassen. Anlässlich 75 Jahre Grundgesetz sprach sich die Bundesregierung im Mai noch für die unantastbare Würde des Menschen aus. Nun aber toleriert und unterstützt die Regierung die Austragung in Deutschland. Ein Turnier mit Partnern aus Katar und China, in welchen Ländern die Rechte von Kritiker*innen mit Füßen getreten werden.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums gibt bekannt, die Sponsorenauswahl sei ohne Beteiligung der Bundesregierung getroffen worden. Man begrüße das Bekenntnis zu den Menschenrechten seitens UEFA und DFB. Es herrsche die Erwartungshaltung vom Bundesinnenministerium für ein verantwortungsvolles Handeln in Bezug auf die Sponsorenauswahl.
Im Klartext heißt das: Innenministerin Faeser kritisiert Katar, aber gesteht der UEFA große Freiheiten bei der Sponsorenauswahl zu, inklusive katarischer Imagekampagnen. Die WM in Katar fand fernab vom Einflussbereich europäischer Politik statt. Dieses Turnier findet in Deutschland statt, wo das Grundgesetz gilt. Es wäre der Regierung möglich gewesen ein Zeichen zu setzen. Doch sobald es um eigene Interessen geht, schweigt das Innenministerium.
Doch wie gerechtfertigt ist es eigentlich, die UEFA anhand ihrer Werbepartner*innen zu beurteilen? Dazu äußert sich Professorin Dr. Michaela Haase, die im Rahmen eines DFG-Projekts zum Thema social value im Moment an der FU Berlin forscht, in einem Interview. Neben Umständen wie Ressourcen hänge die Partnerauswahl stark mit der Vermittlung selbst auferlegter Werte zusammen, meint Haase. Indem man gezielt Werte anspreche, in diesem Fall Nachhaltigkeit, und andere nicht, zeige man seine Priorisierung. Das heißt durch die eigens auferlegten Regeln diktiere die UEFA welche Werte berücksichtigt werden, führt die Professorin aus.
Die UEFA verschleiert durch eine Tirade an Imagekampagnen und Slogans die Gewinnabsichten von ihr und ihren Partnern. Die Sponsoren und UEFA sind wohl kaum “United by Football” in ihrem gemeinsamen Kampf gegen Diskriminierung und für Nachhaltigkeit. Der gemeinsame Nenner von UEFA und Sponsoren ist Geld. Treffender wäre also der Slogan “United by Money”.
Vor der eigenen Haustür kehren
Doch was ist eigentlich mit den anderen Sponsoren, die so blinkend auf den Videoleinwänden und Banden aufleuchten? Prof. Dr. Haase meint man müsse bei einer kritischen Sponsorenanalyse auch andere Unternehmen betrachten. So weise CocaCola beispielsweise immense Schwächen beim Thema Nachhaltigkeit als „größter Plastikverschmutzer auf“.
CocaCola wurde vom “Break Free From Plastic”-Netzwerk in Folge einer Müllsammelaktion zum größten Plastikverschmutzer deklariert. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland wirft CocaCola “Greenwashing im großen Stil” vor.
Und das bei einer EM, die von UEFA und DFB „zur nachhaltigsten EM aller Zeiten“ deklariert wurde. Aber es seien nicht nur die chinesischen Unternehmen, die ein Problem darstellen würden, findet Haase. Einerseits würden auch die Verbraucher eine gewisse Verantwortung ausüben. Andererseits kommuniziere die UEFA nicht auf Augenhöhe und diktiere ihre eigenen Regeln, erläutert sie ferner.
Es bleibt auch die Frage offen, welche Mängel die gesamte Organisationsstruktur der EM aufweist. Es ist zu einfach, nur nicht-westliche Unternehmen hervorzuheben. Die Probleme der UEFA oder der beteiligten amerikanischen und europäischen Unternehmen anzusprechen, liegt genauso auf der Hand. Es liegt auch an den Endverbraucher*innen Veränderungen einzufordern und so den europäischen Fußball als „Kraft positiver Veränderung“, wie Haase ihn bezeichnet, in eine zukunftsträchtige Richtung zu bringen.
Andererseits macht die Debatte um die Sponsoren noch einmal schmerzhaft deutlich, was für eine nahezu uneingeschränkte Vormachtstellung die UEFA im europäischen Fußball einnimmt. Das Sponsoring durch katarische und chinesische Unternehmen muss kritisiert werden. Die Regierung und der DFB haben es bei der Ausrichtung nicht geschafft, der UEFA die Stirn zu bieten und müssen sich das ankreiden lassen. Vielleicht sollte lieber “United by Money” auf Videobanden und Leinwänden zu sehen sein. Dann wäre die UEFA wenigstens ehrlich.