Mit Musik kennt er sich aus. Doch auch über Bartwuchs und die geplanten und ungeplanten Dinge im Leben kann Julian Wallisch hervorragend reden. Jan Blanke hat mit dem Gewinner des „Eine Welt Song Contests“ der Engagement Global Gesellschaft gesprochen.
„This world needs people, who fight for their freedom.
This world needs unity and I want you to be
nothing more, nothing less than a human being.
This could be your one last chance to understand
that you can change the world.“
(No Hero – Andas)
Für prominent hält er sich wohl nicht. Wallisch lächelt überrascht, als ich um ein Interview bitte. Nachdem ich ihm erzählt habe, dass politikorange bis jetzt nur ältere Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer interviewt hat und gern auch mal jemand Junges sprechen würde – ihr wisst ja, Diversität und so – ist der 24-Jährige dann aber bereit, mit mir zu reden.
Zu erzählen hat er einiges. Immerhin ist Wallisch einer der 23 Gewinnerinnen und Gewinner des „Eine Welt Song Contests“. Zum zweiten Mal hat die Global Engagement Gesellschaft dazu aufgerufen, das Thema globale Entwicklung als musikalische Message zu verpacken. Die Resonanz auf den Wettbewerb ist gewaltig gewesen: Über 2500 junge Menschen zwischen zehn und 25 Jahren haben sich mit selbst geschriebenen Liedern beteiligt. Wallisch, dessen Künstlername „Andas“ lautet, ist mit dem Song „No Hero“ angetreten – und hat die Jury überzeugt. Auf Soundcloud gibt es die Hymne an die „normalen Menschen“ schon. Im Frühjahr wird sie zusammen mit den anderen Gewinnerbeiträgen auf einer CD erscheinen.
Ich habe mal in „No Hero“ reingehört. Eine Zeile lautet „This world don’t need no, no superhero. This world needs people”. Sie begleitet uns von Anfang an durch das Gespräch, denn auch Wallisch sieht sich als einen dieser „normalen Menschen“, über die er auf Spanisch, Englisch und Deutsch singt.
Bescheidene Anfänge
Heute klingt Wallisch wie jemand, der das Musizieren liebt. Dabei ist er eher unfreiwillig dazu gekommen. Als Kind wollen seine Eltern, dass er Blockflöte und Gitarre lernt. Was wie ein Zwang klingt, kommt Wallischs Interessen ganz gut entgegen: Schon in seiner Jugend hört er AC/DC und träumt davon, Rockstar zu werden. Dafür reiche sein Talent jedoch leider nicht aus, meint Wallisch lachend. Trotzdem lässt ihn die Musik nicht los. Zunächst beginnt er, in Schulbandprojekten zu spielen. Doch erst kurz vor dem Abitur geht es für Wallisch richtig los mit Gesang und Gitarre. Anstatt zu lernen, schreibt er nämlich lieber Lieder.
Nachdem er mir das erzählt hat, klingelt Wallischs Handy. Am Apparat ist seine Mutter. Stolz erzählt Wallisch ihr, dass er gerade interviewt wird. Danach wendet er sich wieder mir zu.
Nach der Schule geht Wallisch für ein Jahr nach Paraguay. Dort schreibt er weiter eigene Songs und Texte. „Wenn man Pech hat, ist man in einem Auslandsjahr viel allein“, sagt Wallisch und schiebt nach: „aber vielleicht hat man eine Gitarre.“ Wallisch hat eine. Das Instrument wird für ihn schnell zum wichtigen Begleiter: Seine neu erworbenen Spanischkenntnisse verarbeitet er in Liedern.
Seine Songs seien damals wie heute zum Teil ein Selbstausdruck gewesen, erzählt der 24-Jährige. Sie reflektieren Erlebnisse aus dem fremden Land ebenso wie die „Teenager-Melancholie“, die Wallisch als 18-Jähriger mit nach Paraguay gebracht hat.
Der große Auftritt
Politisch werden Wallischs Texte erst, als er wieder nach Deutschland zurückkehrt. Plötzlich habe er gesehen, dass sein Heimatland ziemlich schön sei, erinnert er sich. Im Vergleich zu Paraguy funktioniere vieles.
Die Armut und Korruption, die Wallisch in Südamerika erlebt hat, inspirieren ihn zu „No Hero“. Bei der „Offenen Kulturbühne“ der Eine-Welt-Konferenz hat Wallisch erstmals die Gelegenheit, mit seinem eigenen Song allein auf der Bühne zu stehen. Ein ziemlicher Nervenkitzel: „Ich war mega aufgeregt. So aufgeregt, dass ich bei meinen beiden letzten Lieder einen Großteil des Textes vergessen hab.“
Zum Glück weiß sich Wallisch in dieser Situation zu helfen: Er wiederholt die erste Strophe einfach dreimal. „Ist keinem aufgefallen“, sagt er. Im Saal habe eh kaum jemand Spanisch verstanden. Ich schmunzele. Wallisch steckt sich derweil seine Sonnenbrille an den Hemdkragen.
Für Wallisch ist Musik ein Hobby, kleine Fauxpas sind da ruhig mal erlaubt. Ernsthaft studiert er derzeit Spanisch und Geschichte auf Lehramt. Was er studieren wolle, das habe er nach seiner Rückkehr aus Paraguay noch nicht gewusst. Letztlich entscheidet Wallisch sich für Fächer, mit denen er in seinem Auslandsjahr in Kontakt gekommen ist. In Paraguay hat Wallisch im Kindergarten eines Kinderdorfes gearbeitet und Deutsch in einem benachbarten Internat unterrichtet. „Vielleicht habe ich keinem Kind perfektes Deutsch beigebracht“, räumt er selbstkritisch ein, „aber sie konnten meine Kultur kennenlernen und ich ihre.“
Bilingualität und Bärte
Wallisch schätzt den interkulturellen Dialog. Als Studienfach ist Spanisch deshalb für ihn die erste Wahl gewesen. Geschichte ist hinzugekommen, weil Wallisch denkt, dass ein Verständnis von Welt nur durch ein Verständnis von Geschichte entstehen kann.
Ich nicke. Das Aufzeichnungsgerät ist aus und das Gespräch fast vorbei. Doch noch fehlt Wallisch und mir ein wichtiges Thema. Genauer gesagt: ein waschechtes Männerthema. Bärte. Während seines Jahrs in Paraguy hat sich bei Wallisch nicht viel an der Gesichtsbehaarung geändert. Noch immer ist sein Gesicht entgegen jeder Hoffnung eher glatt. Dass das eine kleine Enttäuschung ist, kann ich nachvollziehen. Wir zwei verstehen uns.
Genau um diese Zwischenmenschlichkeit geht es Wallisch oft in seinen Texten: Menschen müssen keine Helden sein, um für Freiheit und Einheit zu kämpfen. Sie müssen nur begreifen, dass sie eben Menschen sind. Das reicht schon aus, um die Welt zu verändern.