Fern abseits der Wahlsieger und -verlierer kämpfen die Kleinparteien um jedes Zehntel. Die Wiederholungswahl wird somit zur Existenzprobe. Ein Streifzug.
Sonntagabend in Berlin Mitte. Die kleine Bar Parteso beherbergt heute geschlossene Gesellschaft. Die Stimmung ist ausgelassen. Bei Bier und Wein wird die Berichterstattung der Berliner Wiederholungswahlen verfolgt. Es werden Namenschilder getragen, die meisten kennen sich aber ohnehin. In den letzten 90 Tagen haben sie gemeinsam Wahlkampf für die junge sozialliberale Europapartei Volt gemacht und heute ist Wahlparty.
Dass die Stimmung so gut ist, liegt nicht nur in der Natur der Partei. „Wir rechnen uns auch gute Chancen aus, den Erfolg von 1,1 Prozent bei der Abgeordnetenhauswahl 2021 zu toppen“, sagt Laura Springmann, Wahlkampfmanagerin und Listenkandidatin für das Berliner Abgeordnetenhaus. Damals trat Volt erstmals auf Landes- und Bezirksebene an. Nach der Pannenwahl ist man nun zu einem zweiten Wahlkampf gezwungen. Der birgt viele Hindernisse, vor allem für Kleinparteien.
Wahlkampf auf Sparflamme?
Der vergangene Wahlkampf sei demnach ,,völlig anders“ gewesen als jener im September 2021. Und zwar kalt, dunkel und nass. Im Vordergrund aber standen die enorm geschmälerten Ressourcen. Die Partei lebt vor allem von freiwilliger Unterstützung. Im so spontanen Wahlkampf seien zum Beispiel viele Arbeitnehmer verhindert und in der heißen Phase versanken die Studierenden in ihren Prüfungen.
Ein Wahlkampf lässt sich eben nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln. Während große Parteien über Rücklagen verfügen, ist dies bei kleinen und häufig neueren Parteien nicht der Fall. Das Wahlkampfbudget von Volt sank von 100.000 Euro im Jahr 2021 auf nunmehr nur noch 30.000 Euro. Statt 12.000 wurden nur noch 3.000 Plakate platziert. Auf viele Veranstaltungen und Aktionen musste laut Springmann verzichtetet werden.
Aus dem Wahlkampf 2021 lernte man, seine begrenzen Mittel effizient einzusetzen. Werbung beispielsweise wurde beinahe komplett auf digitale Kanäle verlagert. Dennoch sehe man die Gunst der Stunde bei sich. Probleme und Krisen bestimmten die Stadtpolitik der letzten Jahre. Dabei entstünde bei vielen Bürger*innen das Gefühl der Unfähigkeit bei den etablierten Parteien. Der Umstand, dass jetzt eine gesamte Wahl wiederholt werden muss, unterstreicht diesen Eindruck. Die Wahlwiederholung könnte nun der Anlass sein, jenen frischen Parteien die Möglichkeit zu geben, es besser zu machen. Und tatsächlich: Bereits 2021 stimmten ganze 12,5 Prozent der Berliner für die sogenannten ,,Sonstigen“, also Parteien unterhalb der Fünfprozenthürde.
Grundsätzlich also eine komfortable Ausgangssituation für die bunte Mischung der Berliner Kleinparteien. Auch bei der Tierschutzpartei geht man entsprechend optimistisch in die erneute Wahl. 2021 ist sie mit 2,2 Prozent die größte unter den Kleinen gewesen. Und ähnlich wie bei Volt hat man in den vergangenen anderthalb Jahren weiter an Sichtbarkeit gewonnen. Zusätzlich konnte die Tierschutzpartei in drei Berliner Bezirksparlamente einziehen und dort auf sich aufmerksam machen. Zeitweise wurden ihr sogar bis zu vier Prozent prognostiziert.
Es geht um Alles
Doch lange nicht alle Kleinparteien gehen so zuversichtlich in die Wahl. Als „brutal ungerecht“ empfindet Florian Kobler die Voraussetzungen für die erneute Wahl. Er ist Wahlkampfleiter der Klimaliste, welche 2021 0,4 Prozent der Stimmen erhielt. Das Innenministerium habe die Pannenwahl zu verantworten. „Und während die etablierten Parteien jetzt um Sitze im Parlament kämpfen, kämpfen wir um unser politisches Überleben.“ Die Wahlkampfhelfer würden sich alle ehrenamtlich und aus Überzeugung engagieren. Einer gewissen Finanzierung bedürfe es trotzdem.
Für die Finanzierung von Kleinparteien sind zum einen Spenden relevant, zum anderen aber insbesondere staatliche Mittel in Form von Wahlkampfkostenerstattung. Dafür bedarf es auf Landesebene jedoch einem Zweitstimmanteil von mindestens einem Prozent. Diesen wiederrum ohne konkurrenzfähigen Wahlkampf zu erreichen, ist eine Herkulesaufgabe.
So geht es auch Sonntagabend in der kleinen Bar Parteso um mehr, als die muntere Atmosphäre es vermuten lässt. Während ab 18 Uhr erste Hochrechnungen eingehen und die CDU als großer Gewinner feststeht, muss man sich hier noch gedulden. Die Kleinparteien werden als sonstiger Block geführt, Rückschlüsse auf das Abschneiden von Volt lassen sich jetzt noch nicht ziehen.
Nachdem zehn Prozent der Stimmen ausgezählt sind, wird der Vorstand regelmäßig durch das Büro des Wahlleiters mit den vorläufigen Ergebnissen versorgt. Gegen 20 Uhr ist es dann erstmals an diesem Abend so weit: Volt steht bei 0,9 Prozent. „Jetzt müssen wir zittern“, urteilt Mitglied Anke bangend.
Die aussichtsreicheren Wahlkreise werden zwar noch ausgezählt, aber das Ergebnis will sich nicht mehr ändern. Cara Seeberg, die Vorsitzende von Volt Berlin, zeigt sich enttäuscht. „Das ist schade und unnötig, weil wir das Prozent ja eigentlich schon hatten.“ Das Geld hätte es der Partei in der nächsten Zeit deutlich einfacher gemacht. Dennoch bleibt ein Funke Optimismus: „Nach unseren Möglichkeiten haben wir trotzdem ein gutes Ergebnis erzielt und stehen sowieso erst am Anfang von noch viel mehr.“