Ein intensiver Winter-Wahlkampf liegt hinter den deutschen Bundesbürger*innen und Parteien. Eines der größten Themen: die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands. In diesem Sinne entwickelten Bündnis 90/Die Grünen, die CDU und SPD wirtschaftspolitische Ansätze, um die Wähler*innen zu überzeugen.

© Lennart Jördens / Jugendpresse Deutschland e.V.
Krise in der deutschen Wirtschaft
In den Medien dominierten in den letzten Monaten Schlagzeilen über Krisen in Unternehmen, Kurzarbeit und eine bröckelnde Wirtschaft in Deutschland. Namenhafte Konzerne, wie Volkswagen, thyssenkrupp oder auch Bosch gehörten jahrzehntelang zu den größten und sichersten Arbeitgebern Deutschlands. Vorbei sind jetzt die 2010er Jahre, in denen in der Bundesrepublik eine aufstrebende Wirtschaft zur Normalität gehörte. Die Realität zeigt, dass Deutschland seit der Corona-Pandemie in einer Wirtschaftskrise steckt, die durch den russisch-ukrainischen Krieg verstärkt wurde. Das zeigt auch das Bruttoinlandsprodukt (BIP), welches 2024 im Vergleich zum Vorjahr um -0,2 Prozent schrumpfte. Das zweite Jahr in der Rezession zeigt, dass Deutschland wirtschaftlich unter Druck steht.
Wirtschaftskonzepte von CDU, SPD und Grüne
Spätestens seit dem Wahlkampf erkannten die Bundestagsfraktionen die schwere wirtschaftliche Situation. Die Parteien CDU, SPD, aber auch Bündnis 90/Die Grünen entwickelten dementsprechend Strategien, die zur Stabilität, aber auch zum Wachstum der deutschen Wirtschaft beitragen sollen.
Getrieben von der Wirtschaftskrise einigte sich die Union hinter Friedrich Merz auf verschiedene wirtschaftspolitische Maßnahmen. Ziel: Wachstum und Innovationen in der Wirtschaft. Ein zentrales Anliegen der CDU ist die Senkung der Energiekosten. Geschehen solle das unter anderem, indem Netzentgelte reduziert und Stromsteuern gesenkt werden. Darüber hinaus setzt die Partei auf den Abbau von Bürokratie und eine verstärkte Digitalisierung. Auch steuerliche Erleichterungen spielen eine zentrale Rolle. So soll die maximale Besteuerung von Unternehmensgewinnen auf 25 Prozent begrenzt werden.
Ähnliche wirtschaftspolitische Ziele wie Innovation und Wachstum finden sich auch innerhalb der SPD, unterscheiden sich jedoch in ihrer konkreten Ausführung. Geplant ist in diesem Zusammenhang ein „Made-in-Germany“-Bonus, das heißt eine Investitionsprämie von zehn Prozent für Unternehmen. Der Vorschlag eines „Deutschlandfonds“ findet sich zusätzlich im Wahlprogramm. 100 Milliarden Euro, die aus öffentlichen und privaten Mitteln stammen, sollen dabei der Wirtschaft einen ersten Anschub verleihen. Um Investitionen weiter anzukurbeln, setzt die SPD zudem auf gezielte Steuersenkungen, Bürokratieabbau, Digitalisierung und günstige Energie.
Auch Bündnis 90/Die Grünen haben sich in der aktuellen Wirtschaftskrise intensiv mit der wirtschaftlichen Situation Deutschlands auseinandergesetzt und beschlossen, gezielte Impulse setzen zu wollen. Steuersenkungen, Bürokratieabbau, Digitalisierung und günstige Energie gehören auch hier dazu. Innovationen sollen in diesem Fall durch eine Investitionsprämie von 10 % angeheizt werden, die jedoch ganz explizit für den Bau von neuen Gebäuden ausgeschlossen wird. Die Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland sehen die Grünen zusätzlich zu CDU und SPD als wirtschaftspolitische Lösung, um die deutsche Wirtschaft langfristig wettbewerbsfähig zu machen. Letzteres soll eine Reform der Schuldenbremse mehr finanzielle Spielräume einräumen können.
Einordnung der Wirtschaftskonzepte
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, ordnete die Konzepte der möglichen Koalitionspartner CDU, Grüne und SPD ein:
Sehen Sie in den neuen Regierungsprogrammen der Parteien Chancen für die Nation hinsichtlich der Wirtschaft, Innovation oder auch der Infrastruktur?
„Die Hoffnung habe ich natürlich, aber auch wenn ich ein sehr optimistischer Mensch bin: Die Hoffnung ist begrenzt, denn die Versprechen der Parteien deuten in eine ganz andere Richtung.“
Wie würden Sie in Folge dieser ersten Einschätzung im Allgemeinen die Wahlversprechen einordnen?
„Die Parteien rechts der Mitte haben massive und völlig unrealistische Steuersenkungen versprochen. Die Parteien links der Mitte wollen eher eine Umverteilung von Jung zu Alt über die Sozialsysteme. Also Renten ausbauen – das heißt, die junge Generation muss dafür zahlen. Es geht den Parteien also nicht um Veränderung, sondern um die Zementierung des Status quo.“
Alle Parteien, CDU, SPD und Grüne sind sich innerhalb des Bürokratieabbaus einig. Wie stehen Sie dazu?
„Bürokratie und Regulierung sind ein wirklich dickes Brett. Natürlich stimme ich zu, dass der Staat effizienter, besser, schneller werden muss. Ein konkreter Vorschlag ist die Beweislast umzudrehen, sodass der Staat sich an Unternehmen orientieren muss.“
Im Wahlprogramm der SPD ist die Rede von einem „Deutschlandfond“. Inwieweit wird das vorgeschlagene Budget ausreichen und wie müssen die Gelder richtig investiert werden?
„100 Milliarden Euro ist eine arbiträre Summe. Es wird sicherlich für ein paar Jahre reichen – wenn man nur in eine gute Verkehrsinfrastruktur, Digitalisierung, Bildung und technologische Innovationen investieren würde. Also so gesehen ist es klug. Es ist letztlich eine Umgehung der Schuldenbremse – auch das muss man ehrlicherweise sagen. Aber besser die Schuldenbremse umgehen, als gar keine Investitionen zu tätigen.“
Investitionen spielen demzufolge eine wichtige Rolle. Die Grünen möchten hinsichtlich Investitionen eine Unternehmensprämie von zehn Prozent einführen. Wie schätzen Sie diese Maßnahme ein?
„Die Grünen wollen vor allem Investitionen fördern, heißt letztlich, dass die Industrieunternehmen mehr davon profitieren als Dienstleistungsunternehmen. Wenn ich ein kleines Geschäft habe, dann habe ich nicht so viele Investitionen, als wenn ich große Maschinen kaufen muss – dann schon mehr. Ich finde es klug, Unternehmen diesbezüglich zu entlasten, aber das alleine wird nicht den Wirtschaftsboom auslösen – es kann ein Element sein.“
Die CDU geht einen anderen Weg. Unternehmensgewinne sollen nur noch maximal 25 Prozent besteuert werden. Aber warum genau diese 25 Prozent?
„Die 25 Prozent der Union sind aus der Luft gegriffen. Wir haben zurzeit eine durchschnittliche Besteuerung von Unternehmen von 28/29 Prozent – das heißt, man will den Steuersatz ein bisschen senken. Auch mit der Logik, dass man im internationalen Wettbewerb nicht mehr so stark ein Hochsteuerland sein will, was die Unternehmensbesteuerung betrifft. Das wird aber auch keine Garantie dafür sein, dass Unternehmen mehr investieren.“
Aus der Sichtweise eines Ökonomen: Was glauben Sie, sind die wichtigsten wirtschaftspolitischen Aufgaben der Zukunft?
„Das ist die 1-Millionen-Euro-Frage. Ich glaube, wir brauchen: Erstens eine verlässliche Bundesregierung, die wieder Vertrauen schafft. Das heißt, die nicht ständig irgendwelche Rückzieher macht. Wirtschaft ist zu 80 Prozent Psychologie. Wenn dieses Vertrauen nicht da ist, dann werden wir keine Erholung haben. Zweitens brauchen wir eine riesige Investitionsoffensive. Und die dritte große Priorität wird es sein, Europa zu stärken. Wir müssen in Deutschland kapieren, dass uns die nationalen Alleingänge schaden.“
Regierungsbildung und die Zukunft der Wirtschaft
Das Ergebnis der Bundestagswahl zeigt, dass eine Kenia-Koalition aus CDU, Grüne und SPD eine der Möglichkeiten wäre. Umso wichtiger wird es in den Koalitionsgesprächen schnellstmöglich auf einen Nenner zu kommen, sodass Deutschland seinen Namen als Industrienation treu bleiben und stabilisieren kann. Langwierige Diskussionen ohne Kompromisse könnten der Bundesrepublik gerade hinsichtlich der Exportwirtschaft enorm schaden. Ein fehlender Regierungschef und eine handlungsunfähige Regierung würden die wirtschaftliche Unsicherheit weiter verstärken und das Vertrauen internationaler Akteure schwächen. Daher steht die mögliche neue Koalition unter großem Druck, zügig tragfähige Lösungen zu finden, um Deutschland wirtschaftlich auf Kurs zu halten.
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