Nach der Bundestagsabstimmung mit der AfD erlebt die CDU in Hamburg heftigen Gegenwind. Wahlplakate werden besprüht, Parteigebäude beschädigt, Infostände abgesagt. Woher kommt die Wut? Und was bedeutet das für die politische Landschaft der Stadt und Deutschlands?

Bild: Die CDU-Landeszentrale in Hamburg.
© Paul Frigger/Jugendpresse Deutschland e.V.
In dem eher ruhigeren Hamburger Stadtteil Winterhude konnte man die CDU-Landeszentrale von den umherstehenden Villen vor allem durch die hellblauen Parteibanner und -Plakate unterscheiden. Seit Ende Januar zieren jedoch tellergroße Farbklekse die sonst so makellos erscheinende Villa – die Folgen eines Farbanschlags. Das Transparent, welches im Zuge dessen vor dem Eingang angebracht war, ist inzwischen abgenommen worden. „Hier sitzen die Straftäter – CDU raus“ konnte man darauf lesen. Doch nicht nur hier wird der Hass, den sich die Partei zurzeit in Hamburg ausgesetzt sieht, deutlich. Auch in den umliegenden Stadtteilen wurden Wahlplakate besprüht, CDU-Kandidat*innen als „Nazi“, „Verräter“, „Nazi-Helfer“ betitelt.
Nun ist die CDU nicht alleiniges Opfer von Vandalismus. So finden sich in Hamburg auch immer wieder heruntergerissene Plakate der Grünen oder mit Graffiti besprühte SPD-Plakate. Die meist sauberen FDP-Plakate erwecken da schon den Anschein von bestrafender Gleichgültigkeit. Dennoch scheint sich die Wut und Enttäuschung auf die CDU, nach der Abstimmung mit der AfD im Bundestag, über Nacht schlagartig entladen zu haben. Die CDU und die AfD sind in Hamburg für viele mittlerweile Synonyme geworden.
Auch in Bremen und Hannover wurden CDU-Gebäude beschmiert und Sachbeschädigungen begangen. Aus Sicherheitsgründen hat die CDU Infostände in Teilen Hamburgs ausgesetzt. Der CDU-Spitzenkandidat für die Hamburger Bürgerschaftswahl, Dennis Thering, machte vor allem SPD und Grüne dafür verantwortlich und warf ihnen „verbale Eskalationen“ vor.
Die CDU steht hier, wie in anderen Städten, mit einer historisch linken politischen Kultur auch und vor allem seit dem Fall der Brandmauer, für den Rechtsruck in Deutschland. Diese Stimmung wurde auch bei den bundesweiten Demonstrationen deutlich. In Hamburg kamen fast 100.000 Leute zusammen. Gegen die AfD, aber auch gegen Friedrich Merz und die CDU wurde demonstriert.
Programmatisch scheinen sich die Parteien beim Thema Migration jedenfalls wenig zu unterscheiden. Wie der Amnesty International Deutschland-Vergleich der Wahlprogramme von AfD und Union zum Thema Migration ergab, sind die Programme der Parteien in 9 von 15 Punkten fast identisch. Eine Mehrheit der Bevölkerung befürwortet eine Verschärfung der Migrationspolitik, wie unterschiedliche repräsentative Umfragen zeigen und die auf einem hohen Niveau stagnierenden Umfragewerte von Union und AfD untermauern. Bleibt die Ablehnung, welche die CDU in Hamburg erfährt, eher eine Randerscheinung in einer Gesellschaft, die insgesamt mehr nach Rechts gerückt ist?
Zurück in Hamburg Winterhude. Ein Mann steht vor der CDU-Landeszentrale und macht Fotos von der beschmierten Fassade, danach lädt er Kartons in sein Auto. Er ist Wahlkampfhelfer der SPD und holt Wahlkampfmaterialien ab, welche die CDU netterweise für ihn angenommen hat. Der 32-Jährige ist schon seit 10 Jahren SPD-Mitglied. Die Kritik an der CDU, Friedrich Merz und der Abstimmung mit der AfD sehe er als gerechtfertigt an. Dennoch mahnt er, im Diskurs gemäßigter zu sein und die CDU „nicht gleich als Nazis und Faschisten zu bezeichnen.“ Für ihn betreffen Farbanschläge und die Beschmutzung von Wahlplakaten alle Parteien. „Sachen zu beschmieren, kaputt zu machen ist undemokratisch und finde ich falsch“. Daran sehe man, wie vergiftet und rau der aktuelle Diskurs sei.
Etwa zwei Wochen nach der Abstimmung der CDU im Bundestag gibt es wieder eine Demo vor dem Hamburger Rathaus. Fridays for Future hat zum Klimastreik eingeladen. Auch hier finden sich viele Plakate gegen die AfD – und die CDU. Auf einem Lastenfahrrad thront ein kleines Schild mit der Aufschrift „Merz ist ekelhAfD“. Andrea* steht mit Helm dahinter und lässt das Schild von Mitdemonstrant*innen fotografieren. Andrea ist 55, selbständig und habe noch nie die CDU gewählt. Sie finde es in Ordnung, die CDU auf eine Ebene mit der AfD zu stellen. Wer mit Nazis zusammen arbeite, sei selbst ein Nazi.
Damit meine sie nicht die ganze Partei, sie könne Menschen wie Friedrich Merz nicht mit Hendrik Wüst vergleichen. Jedoch sei sie enttäuscht von der fehlenden Kritik innerhalb der Partei. Der Vandalismus gegenüber der CDU habe für sie nichts mit der Spaltung der Gesellschaft zu tun. „Wir Linken sind nicht gewalttätig. Ich bin innerlich gewalttätig – wütend. Ich bin super wütend.“
Die Demonstration in Hamburg passiert die Kennedybrücke. Hier, sagt Andrea, habe die CDU immer wieder Plakate neu bekleben müssen. Sie lacht und zeigt ein Foto. Zu sehen ist ein Großplakat von Friedrich Merz. Seine Augen, mit roten Stickern versehen. Weiter unten klebt mittig über seinen Lippen ein großer, rechteckiger Sticker.

Bild: CDU-Wahlplakat an der Kennedybrücke
© Paul Frigger/Jugendpresse Deutschland e.V.
*Name geändert
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Danke Paul,
ein interessanter Artikel, gut zu lesen!
Mehr davon!
Viele Grüße
Klaus