Die Westpfalz als neue rechte Hochburg des Westens? Ein Kommentar

© Dominik Türk / Pexels

Seit ungefähr Mitte Januar konnte ich auf meiner täglichen Pendelroute durch die Westpfalz immer mehr Wahlplakate beobachten. Zwar habe ich nicht konkret gezählt, aber ehrlich gesagt musste ich das auch nicht, denn das Übermaß an AfD-Plakaten war nicht zu übersehen. Doch dabei blieb es nicht. Im Verlauf des Februars durfte ich mit Schrecken auf meinen Busfahrten feststellen, dass immer mehr Wahlplakate anderer Parteien mit blauer Farbe und roten Schriftzügen beschmiert wurden, um denen von Weidels Partei zu ähneln.

Für diese kleinen westpfälzischen Ortschaften sind rechtsextreme Einstellungen keine Neuheit. Vor etwa zwei Jahren, am 18. Oktober 2023, gingen hunderte Bewohner*innen der Kreisstadt Kusel auf die Straße, um gegen die Pläne ihrer Landesregierung, weitere Geflüchtete vor Ort in Unterkünfte zu bringen, zu protestieren. Vorwiegend waren es Menschen mittleren bis hohen Alters, die an diesem Tag demonstrierten, deren Gesichter nicht zornig, aber stark besorgt und bedrückt. „Was ist nur aus unserem Kusel geworden?“: ein Banner mit dem einige an diesem Tag durch die Innenstadt laufen. Für die Kusler*innen ein letzter Hilferuf an die Verantwortlichen…

Gegenstand des Protests: wo früher Bundeswehrsoldaten auf Befehle gewartet hatten, sollten nun 800 Menschen auf dem Gelände eine Turnhalle, sowie in mehreren umfunktionalisierten Kasernenhausblöcken untergebracht werden. Zusätzlich dazu sollten etwa 200 Menschen auf dem Gelände in Zelten Schutz finden. Für die damals anwesenden Bewohner*innen ganz klar: genug ist genug!

Quelle: SWR

Jedoch lässt sich die Wahrnehmung der Marschierenden, dass sie von einer “Flüchtlingswelle” überrannt seien, von den Zahlen nicht bestätigen. 2023 waren diese nämlich bereits im Rückgang und waren von 34% (2019) auf 26% (2023) gesunken.

Scheinbar haben die damaligen Schlagzeilen auch die AfD erreicht, und somit besuchte letztens sogar Alice Weidel höchstpersönlich die Kleinstadt, um das zu tun, wofür ihre Partei bekannt ist: einfache “Lösungen” auf komplexe Anliegen zu bieten. Doch erfreulicherweise wurde mindestens in genauso großem Stil gegen den Wahlkampfbesuch demonstriert! Sogar mehr als doppelt so viele haben sich am 8. Februar dieses Jahres versammelt, um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Parallel trafen etwa genauso viele Menschen bei einer Wahlveranstaltung zusammen, um der AfD-Kanzlerkandidatin und dem lokalen AfD-Kanditaten zuzuhören.

Im Gegensatz zu damals war die Menge gemischt. Aus allen Generationen waren Vertreter*innen vor Ort und haben sich in ihrer Vielfalt vereint, um für den Erhalt von demokratischen Grundwerten zu kämpfen. Man konnte viele mühsam gebastelte Plakate mit provokanten Schriftzügen lesen. Die Demonstration selbst wurde einige Tage zuvor von Kommunalpolitiker*innen der etablierten demokratischen Parteien wie der SPD beworben und angekündigt. Es war nicht schwer in der Atmosphäre zu spüren, dass sich hier viele in dem Punkt einig sind, dass sie der AfD keine neue Hochburg hierzulande schenken wollen und dafür auch lauthals einstehen werden.

Interessant finde ich, wie beide Seiten, auch wenn sich nicht stärker unterscheiden könnten, mit derselben Energie auf die Straße gehen. Sie sorgen sich um ihre Zukunft.

In Betracht dieser beider sehr emotional geladenen Aktionen in meiner Kreisstadt stellt sich mir zum einen die Frage, ob es die Menschen waren, die 2023 gegen die Aufnahme von Geflüchteten protestieren, die auch diesen Februar Alice Weidel in Kusel willkommen hießen. Wie effektiv konnte die AfD die Frustration nutzen, die durch die Planung neuer Unterkünfte bei den Einwohner*innen entstanden war? Vor allem als Frau mit Migrationshintergrund wurde mir in den letzten Wochen etwas mulmig zumute. Ich blicke mit Ehrfurcht und kurzem Atem dementsprechend auf die kommende Bundestagswahl und kann nur hoffen das auch meine Mitbürgerinnen und Mitbürger sich den grundsätzlichen freiheitlich-demokratischen Werten besinnen können

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