Zum dritten Mal dieses Jahr wurde in Sachsen gewählt. Nach den Kommunal- und Europawahlen standen am 1. September die Landtagswahlen an. Während Politiker*innen und ehrenamtliche Wahlhelfer*innen angestrengt versuchten, Menschen von ihren jeweiligen Positionen zu überzeugen und zum Wählen zu animieren, gab es einen großen Teil der Bevölkerung, der hierbei außen vor blieb – Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit.
Laut dem Statistischen Bundesamt lebten im Dezember 2023 rund 330.000 Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Sachsen. Das ist fast jeder Zwölfte. Im Gegensatz zu Kommunal- und Europawahlen sind bei Landtagswahlen auch Bürger*innen anderer EU-Mitgliedsstaaten von der Wahl ausgeschlossen.
Manche haben in unserer Demokratie keine Stimme
Davon betroffen ist auch Faez. Er kam 2022 aus Afghanistan nach Deutschland und lebt nun in Leipzig. Wählen darf er hier nicht, obwohl Politik für ihn ein wichtiger Teil seines sozialen Lebens ist: „In einer Demokratie zu leben, bedeutet für mich, in einem System zu leben, das allen die Möglichkeit bietet, sich einbringen zu können, ohne Angst haben zu müssen, dafür verfolgt oder zu Unrecht verurteilt zu werden.“
In Afghanistan habe er wählen dürfen, das sei aber eher symbolisch gewesen. „Ich hatte kein Vertrauen in die Wahlen, sie haben nie etwas bewirkt. Sie waren für die Taliban die Möglichkeit, sich als Demokratie zu präsentieren, zumindest auf dem Papier.“
Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen betrachte er mit Sorge. „Ich habe Angst, dass Rechtsextremist*innen mehr Macht erhalten und so bestimmten Menschen Restriktionen auferlegen können, die sich nicht in der Art wehren können, wie es deutsche Staatsbürger*innen können.“
Es braucht politischen Willen
Die sächsischen Linken wollten vergangenes Jahr dafür sorgen, dass auch Menschen wie Faez wählen dürfen. Anlässlich der Wahlen im Juni startete die Fraktion im Landtag die Initiative Wahlrecht für alle. Dabei forderte sie ein Wahlrecht für alle Menschen, die seit mindestens zwei Jahren in der Bundesrepublik leben, sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene.
„Es geht darum, Staatsbürgerschaft von Wahlrecht zu entkoppeln“, erklärt Juliane Nagel, Landtagsabgeordnete der Linken und Mitinitiatorin der Kampagne. In einer Einwanderungsgesellschaft wie der deutschen müsse man allen ermöglichen, an politischen Entscheidungen teilzuhaben. „Die Menschen haben ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland, zahlen Steuern und sind direkt von den politischen Entscheidungen hier betroffen.“
Orientiert habe man sich bei dem Antrag an anderen EU-Staaten wie Finnland. Dort haben alle Menschen unabhängig ihrer Staatsbürgerschaft das kommunale Wahlrecht, wenn sie dauerhaft in Finnland leben.
Die CDU stellt sich quer
Doch der Antrag der Linken wurde im sächsischen Landtag abgelehnt, weitere Pläne gibt es derzeit nicht. Die CDU spricht sich klar gegen ein Wahlrecht für alle in Deutschland aus, auch auf kommunaler Ebene. „Kommunalwahlen sind keine Wahlen zweiter Klasse“, sagte etwa CDU-Bundestagsabgeordneter André Berghegger im September vergangenen Jahres. „Es sollten sich alle Beteiligten stärker für die Integration der hier lebenden Ausländer engagieren, damit ihre Integration in eine deutsche Staatsbürgerschaft und dem damit verbundenen Wahlrecht mündet.“
Francesca Russo, Co-Vorsitzende des Migrantinnen- und Migrantenbeirats Leipzig, sieht das kritisch. So einfach sei eine Einbürgerung für viele Menschen nicht. „Häufig fehlen die nötigen Dokumente aus dem Ausland, oder andere Länder wollen nicht ausbürgern.“ Bürokratische Probleme und lange Bearbeitungszeiten erschwerten den Prozess zusätzlich.
Beiräte – ein erster Ansatz?
Migrant*innenbeiräte wie der in Leipzig sollen es Migrant*innen ermöglichen, sich politisch zu beteiligen. Dafür werden Migrant*innen in Entscheidungen der Stadträte einbezogen, die sie besonders betreffen. Bisher gibt es solche Beiräte in Sachsen aber nur in Leipzig, Dresden, Zwickau und Chemnitz. „Das ist schade“, sagt Russo. Die Repräsentanz von Migrant*innen sei noch immer sehr gering. „Es werden politische Entscheidungen über den Kopf der Migrantinnen und Migranten hinweg getroffen.“
Ein Wahlrecht auf kommunaler Ebene auch für Nicht-EU-Bürger*innen hält Russo für einen Anfang. „Natürlich ist das ein langer Prozess. Aber ich denke, dass wir so die politische Partizipation von Migrant*innen ermöglichen können.“
Student Faez kann sogar verstehen, dass er noch nicht wählen darf. „Ich finde es verständlich, dass es eine gewisse Zeit braucht, um sich zu integrieren und die politische Situation in einem Land kennenzulernen“, sagt er. „Aber ich denke auch, dass Menschen zumindest bei Diskussionen und Entscheidungen, die sie betreffen, einbezogen werden sollten.“