Die AfD fährt in Thüringen ihr bestes Wahlergebnis ein. Woher kommt ihre Popularität? Wie die Partei ihr Abschneiden begründet und was Experten als Gründe für ihre Stärke nennen.
Thüringen hat gewählt – und die Alternative für Deutschland (AfD) zur stärksten Partei gemacht. Sie steht bei 33 Prozent, weit abgeschlagen die CDU als zweitstärkste Kraft. Schon vor der Wahl warfen die Beliebtheitswerte der Parteien ihre Schatten voraus: Die anderen Parteien wirkten, wohl auch durch die starken Umfragewerte der AfD, während des Wahlkampfes eher defensiv. Die Grünen warben hauptsächlich um die Zweitstimme der Wähler:innen, wollten durch das Überschreiten der Fünf-Prozent-Hürde eine Sperrminorität der AfD im Landtag verhindern. Für das Direktmandat empfahlen sie lieber aussichtsreichere Kandidat:innen der Linken oder der SPD. Mit der Wahlauswertung zeigt sich: Die Bemühungen der Grünen haben nicht gereicht, die Partei verfehlte den Einzug in den Landtag.
Auch andere Parteien sahen die Stärke der AfD so kritisch, dass sie sie auf ihren Wahlplakaten zum Thema machten „Wer die AfD wählt, wählt Faschisten“, prangte es auf den Wahlplakaten der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD).
Doch wie kommt eine Partei, die in mehreren Bundesländern vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall und in Thüringen als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird, zu den Beliebtheitswerten einer Volkspartei? Warum verfängt sie gerade in Ostdeutschland, insbesondere in Thüringen, besonders stark?
Stefan Möller, neben Björn Höcke Vorsitzender der Thüringer AfD, kann mehrere Gründe für die Stärke seiner Partei nennen: Primär habe die AfD eine einzigartige Positionierung zu den bisherigen Krisen, angefangen bei der Flüchtlingskrise 2015, die laut Möller noch immer nicht gelöst ist. Die Partei sei vor allem so stark gewachsen, weil sie ihre Positionen glaubhaft vertrete. So habe man während der Coronazeit und im Feld der Windkraft neue Wähler:innengruppen erschließen können. Das Misstrauen gegenüber den etablierten Parteien habe zusätzlich zum Wachstum der AfD beigetragen.
Angesprochen auf die niedrigen Beliebtheitswerte seines Spitzenkandidaten Höcke macht Möller die Medien verantwortlich: Sie hätten Fehltritte Höckes hervorgehoben, Fehler der anderen Parteien kaum beleuchtet und Vorbehalte aufgebaut.
„Heute redet kein Mensch mehr über die beleidigenden Worte von Bodo Ramelow, es redet auch kaum einer über die autoritären Coronamaßnahmen von Georg Maier, dem Innenminister (…)“. Stattdessen würde immer noch aus seiner Sicht falsch verstanden werden, was Höcke vor 6 Jahren in seinem Buch veröffentlicht habe. Diese Ansichten sieht Möller nicht als Grund.
Ihr Programm sei allerdings nur ein Grund, warum die AfD in den ostdeutschen Bundesländern so populär sei, beschreibt Henry Bernhard, Thüringenkorrespondent für das Deutschlandradio. Er berichtet seit 2013 über Thüringen, hat das Bundesland also seit der Gründung der AfD erlebt. Bernhard sagt, einer der großen Faktoren für den Aufstieg der AfD sei die geringe Bindung der Parteien im ländlichen Raum, vor allem, weil Stammwählerschaften in ostdeutschen Bundesländern keine Tradition haben.
Die Statistiken geben ihm Recht: Zahlen der Bundeszentrale für politische Bildung zeigen, dass in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen insgesamt 65.779 Menschen Mitglied einer Partei sind. Zum Vergleich: In Hessen sind es 102.676, trotz geringerer Flächen- und Einwohnerzahl. In den drei ostdeutschen Bundesländern ist die AfD hingegen am erfolgreichsten, wenn es darum geht, neue Parteimitglieder zu gewinnen.
Für Henry Bernhard ist auch die Geschichte von Thüringen ein weiterer Grund für die hohen Stimmgewinne der AfD. Die zwei Diktaturen, der Nationalsozialismus und die SED-Diktatur, hätten noch immer einen starken Einfluss auf das Verhältnis der Ostdeutschen zur Politik. Das Vertrauen gegenüber der parlamentarischen Demokratie sei geringer als in Westdeutschland. Demokratie würde oftmals als eine „Diktatur der Mehrheit“ definiert, erklärt der Journalist.
Hinzu komme, ebenfalls aus dem historischen Kontext gewachsen, die Ansicht, dass öffentlicher Protest zu einer Politikänderung führen könne, wie es bei der friedlichen Revolution 1989 möglich war. Eine Aussage, die einleuchtet: politische Partizipation auf Ebene der Parteienarbeit hat in den neuen Bundesländern kaum Tradition und ist daher sehr wenig ausgeprägt, wie die Zahlen zeigen. Vielmehr scheint der Protest wahlbestimmend zu sein. Ein Narrativ, dass sich die AfD gern auferlegt.
Die geschichtliche Prägung, die Schwäche der etablierten Parteien, der Männerüberschuss in der thüringischen Bevölkerung und die Frustration über die Abwanderung junger Menschen- ein idealer Nährboden für den Populismus, den die AfD als Mittel der Wahl für sich nutzt.
Die etablierten Parteien in Ostdeutschland nehmen, spätestens nach dieser Wahl, wahr, dass ihre Strategien im Osten nicht funktionieren, sie sich anpassen und ihre Vorgehensweisen ändern müssen. Ob sie das schaffen, wird sich in Zukunft zeigen- ein Blick nach Thüringen und in den Osten lohnt sich also auch weiterhin. Um zu sehen, ob die Parteien Rezepte gegen die Strategie der AfD finden und ob sie es schaffen, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen.