In den letzten Jahren hat der Frauenfußball immer mehr an Akzeptanz gewonnen. In der Gesellschaft scheint der er angekommen zu sein, aber ist der Frauenfußball wirklich gleichberechtigt? Und geht es bei der Gleichberechtigung wirklich nur um Geld?
Wenn wir an die Gleichberechtigung im Fußball denken, dann schießt uns sehr häufig die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen in den Kopf. Aber geht es bei der Debatte um mehr Gleichberechtigung des Frauenfußballs wirklich nur darum oder fängt die Gleichberechtigung schon viel früher an? In den letzten Wochen gab es immer wieder Schlagzeilen zur (Un-)Gleichberechtigung im Fußball. Die Frauenmannschaft des MSV Duisburg stieg ab, weil die Herrenmannschaft in die Regionalliga abgestiegen ist und somit das Geld für die Frauen fehlte. Bei Manchester United musste die Frauenmannschaft in Container umziehen, da die Umkleidekabinen der Herren renoviert wurden und sie die Kabinen der Frauen nutzen. Eine gute Nachricht: kurz vor der EM in Deutschland kam die Nachricht aus Dänemark, die Spielervereinigung habe kürzlich mit dem dänischen Fußballverband (DBU) die neue Nationalmannschaftsvereinbarung beschlossen. In dieser wurde eine Gehaltserhöhung abgelehnt, bis die Frauennationalmannschaft gleich bezahlt werde. In einer Mitteilung der DBU heißt es, dass die Männer-Nationalmannschaft die Verantwortung dafür übernehme, bessere Rahmenbedingungen für die Frauen-Nationalmannschaft sicherstellen zu können. Der Kapitän der dänischen Nationalmannschaft Simon Kjær sei sehr zufrieden mit der Vereinbarung. In der Mitteilung der DBU erklärte er übersetzt folgendes, „Wir von der Herren-Nationalmannschaft sind sehr zufrieden mit der Einigung. Die Verhandlungen sind gut und konstruktiv verlaufen, was von beiden Seiten gewünscht wurde“. Doch geht es den Frauen nur um eine Gehaltserhöhung oder sind die Probleme deutlich struktureller?
Es geht um mehr
Im Gespräch mit der sportpolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, Tina Winklmann, wird deutlich, dass es um mehr geht. Das Thema der Gleichberechtigung des Frauenfußballs fängt bei den Strukturen im Verein an und endet bei der Ausstattung der Spielerinnen, wie etwa die Farbe der Hosen. Auch körperlich haben Frauen andere Voraussetzungen “Lasst uns über Zyklustraining sprechen, lasst uns drüber sprechen, dass unser Körper ein anderer ist, dass wir andere Voraussetzungen haben. Und lasst uns offen drüber sprechen und dann sind wir auf einem guten Weg. fordert Winklmann. Der Aspekt, dass Frauen beispielsweise für Kreuzbandrisse anfälliger sind, müsse auch beachtet werden. Ein gutes Beispiel dafür sei laut Winklmann der 1. FC Nürnberg. Dort hätten die Frauen ihren eigenen Trainingsplatz, der kein Kunstrasen ist, denn auf Kunstrasen sei das Verletzungsrisiko höher. Auch die Trainingszeiten sollten nicht vernachlässigt werden. So fordert Winklmanns Parteikollegin Klara Schedlich, Sportpolitische Sprecherin der Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, dass bei der Vergabe der Trainingszeiten die Frauenteams besser berücksichtigt werden sollten. “Zeiten, die für Frauen und auch für Mütter günstig sind, sollten ermöglicht werden, und es ist auch wichtig bei allen Frauen darauf zu achten, zu welchen Zeiten sie vielleicht lieber nicht durch lange, unbeleuchtete Straßen von der Trainingsstätte wieder weggehen möchten”, erklärt Schedlich im Interview. Es sei häufig so, dass die Frauenteams darum kämpfen müssen, Hallenzeiten zu bekommen. Aber auch generell Zeiten in Trainingsstätten zu bekommen, da die Männerteams oft schon länger bestünden und dadurch Zeiten reserviert hätten.
Unterschiede in Vereinen
Aber wie sieht es auf dem Platz aus? Teresa ist Spielerin bei den 1. Frauen des 1. FC Schönebergs. Im Interview erzählt sie mir, dass sie das Gefühl habe, dass die Frauen beim Training und bei Spielen sehr frühe Zeiten zugeteilt bekämen, zu denen viele keine Zeit hätten. Diese frühen Trainingszeiten würden wahrscheinlich weniger Spielerinnen ermöglichen, regelmäßig zum Training kommen zu können. Bei Spielen sei der Anpfiff am Sonntag um 10:00, also trifft sich die Mannschaft morgens um 9:15 am Platz. “Das ist so oder so unattraktiv, egal in welcher Lebenslage man ist, ob mit Kind oder ob man eigentlich noch feiern gehen will oder so. Egal ob Männer oder Frauen, niemand hat eigentlich so richtig Lust 09:15 Sonntag auf dem Platz zu sein“, so Teresa.
Die Frauenmannschaft des 1. FC Union Berlin spielt ab der kommenden Saison in der 2. Bundesliga und die Spielerinnen hätten alle Verträge, so die Geschäftsführerin des Frauenbereichs Jenny Zietz. Die Spielerinnen würden alle so viel Geld verdienen, dass sie davon leben können. Auch könnten die Frauen die Strukturen der Herren nutzen “Wir dürfen im Stadion spielen, wir haben auch den Bus bekommen, der Profimannschaft, mit dem wir zu unseren Auswärtsspielen fahren dürfen, wir dürfen grundsätzlich eigentlich auf das Gleiche zurückgreifen wie die Männer“, so Zietz. Natürlich muss man berücksichtigen, dass der 1. FC Union Berlin nicht zuletzt durch den Erfolg der Männermannschaft in den letzten Jahren die finanziellen und strukturellen Mittel hat, um den Frauenfußball besser zu fördern. Bei kleineren Vereinen sieht die Situation häufig ganz anders aus. Teresa, Spielerin beim 1. FC Schöneberg, erzählt mir, dass sie in ihrem Verein gar nicht so viel von der Männersparte mitbekommen würden. Sie hat die Sorge, dass es auch der Frauenfußball zu sehr in eine kommerzielle Richtung gehen würde, wie es häufig bei den höheren Männerligen der Fall sei. Dass also Sponsoren und große Firmen zu viel Macht bekommen würden. Sie findet die Stimmung im Frauenfußball sehr schön, da es viel Begeisterung gäbe.
Alle sind in der Verantwortung
Nicht nur die Vereine sind in der Verantwortung, sondern auch andere Akteur*innen, wie die Politik, die Verbände oder auch die Herrenteams. So müssen laut Klara Schedlich von den Grünen alle Seiten an der Gleichberechtigung im Fußball arbeiten. Es könne nicht sein, dass sich immer nur Betroffene wehren, laut werden und ihre Stimme gegen Diskriminierung erheben, so Schedlich. Klara Schedlich erklärt “was die dänische Nationalmannschaft da gemacht hat, wird hoffentlich Vorbild für andere Nationalmannschaften. Die Männer in der Nationalmannschaft kriegen so viel Geld, das würde nicht weh tun, Erhöhungen abzulehnen oder zu sagen, wir gehen runter und geben den Frauen etwas ab, das könnte man ja auch mal überlegen. Meine Hoffnung ist, dass da noch andere nachziehen. Denn natürlich ist es auch ihre Verantwortung”. Für die Bundestagsabgeordnete Tina Winklmann war es ein großes Anliegen einen Fokus auf das Thema Gleichberechtigung im Sport zu setzen. So gab es im Juli 2023 die erste Anhörung im Sportausschuss des Deutschen Bundestages zur “Entwicklung des Fußballs für Mädchen und Frauen”. Dies sei das erste Mal überhaupt gewesen, dass es eine solche Anhörung gab. Auch sei es ihr wichtig, Frauen als Expertinnen in den Ausschuss einzuladen. Winklmann sagt auch, dass wir die Fachfrauen hätten, wir ihnen aber die Chance bieten müssten sich zu präsentieren. Gleichzeitig sei es auch wichtig, dass die Männer für die Frauen einstehen. Zudem wünscht sie sich, dass sich mehr Männer für Gleichberechtigung einsetzen und sich hinter die Frauen ihres Vereins stellen. Außerdem brauche es mehr Nachwuchsförderung von Mädchen, das wünscht sich auch Teresa. Einmal in der Woche leitet sie eine Fußball AG für Mädchen von der Initiative “Alle kicken mit” an einer Berliner Schule. Der Vorteil sei, dass die Mädchen nicht extra zu einem Verein gehen müssten, sondern die AG direkt in der Schule stattfindet. Die Hürden seien dann nicht so hoch. Häufig sei es so, dass die Eltern bei Mädchen noch etwas zurückhaltender seien und es bei den Jungs normaler für die Eltern sei, dass sie so oft zum Fußballtraining müssen.
Es tut sich was
Der Frauenfußball wird in der Gesellschaft immer populärer. So spielten die Frauen am 31. Mai 2024 im fast ausverkauften Ostseestadion in Rostock und machten dort die EM-Qualifikation perfekt. Tina Winklmann beobachtet diese Entwicklung ebenfalls und stellt fest, der Frauenfußball bekomme eine höhere Akzeptanz. Diese Akzeptanz für den Frauenfußball machen auch die Zahlen einer Befragung von der Statistas European Football Benchmark 2023 deutlich, in der 58% der Befragten angaben, dass sie sich mehr Frauenfußball im Free TV wünschen. Bei Union Berlin etwa würden teilweise bis zu 18 000 Zuschauer*innen zu Spielen des Frauenteams kommen, so Geschäftsführerin des Frauenbereichs Jenny Zietz. Auch Klara Schedlich von den Grünen nimmt eine Entwicklung in der gesellschaftlichen Akzeptanz des Frauenfußballs wahr. So würde der Frauenfußball in der breiten Gesellschaft populärer werden, was sie sehr freut, jedoch findet sie es schade, dass viel mehr Aufmerksamkeit und finanzielle Mittel in den Männerfußball fließen würden.
In den letzten Jahren gab es viel Entwicklung um mehr Gleichberechtigung im Fußball zu schaffen. Auch in der Gesellschaft wird Frauenfußball immer populärer. Diese Entwicklungen sieht auch die Politikerin Tina Winklmann. Sie habe sehr viele Entwicklungsstufen vom Frauen- und Mädchenfußball gesehen und wir wären heute so weit, wie noch nie, sagt sie. Es sei aber auch wichtig dies auszubauen und dranzubleiben: “Ich freue mich auf alle, die mit mir kämpfen, mit mir fighten”. Winklmann betont auch, dass es wichtig sei von politischer Seite etwas zu unternehmen. Deshalb spiele sie als Frau beim FC Bundestag, denn für sie es sei wichtig dabei zu sein und aktiv zu sein. “Es braucht immer jemand, der irgendwie eine Vision hat, der vorweg geht”, so Jenny Zietz vom 1. FC Union Berlin. Auch Klara Schedlich ist es wichtig, dass es Projekte gibt, die den Frauen- und Mädchenfußball besser fördern. Für Teresa vom 1. FC Schönebergs ist der Nachwuchsfußball im Mädchenbereich ebenfalls sehr wichtig und sie findet, dass gerade Initiativen, wie “Alle kicken mit” unheimlich wertvoll sind, um Mädchen für den Fußball zu begeistern.
Es bleibt zu sagen, dass der Frauenfußball sich weiterentwickelt hat und immer mehr in Richtung einer Gleichberechtigung geht, solange alle an einem Strang ziehen.