Frauenfußball: Der vergessene Sport

#EM2024

Während alle über den fraglichen nicht gegebenen Handelfmeter im Viertelfinale der EM 2024 im Spiel Deutschland gegen Spanien sprechen, kämpft der Frauenfußball um die Gleichberechtigung. Ein Kommentar.

Eine Frauen-Fußballmannschaft bespricht sich auf dem Platz.
Foto: Pixabay / Borg Mattison

Wenn ich erzähle, dass ich Fußball spiele, schaue ich oft in sehr überraschte Gesichter. Ähnlich überrascht, wie wenn der 1.FC Bayern München mal nicht die Bundesliga gewinnt. Viele Menschen trauen auch im Jahr 2024 einer jungen Frau nicht zu, dass sie in ihrer Freizeit gerne auf dem Fußballplatz steht und Tore schießt.

Warum ist es im Jahr 2024 noch nicht normal, dass der Sport keine Geschlechtsidentität kennt? Dieses Beispiel ist nur eines von vielen für die Diskriminierung des Frauenfußballs. Bei Manchester United müssen die Frauen Container zum Umziehen nutzen, da die Kabinen der Männer saniert werden. Anstatt, dass die Männer ausweichen müssen, werden die Frauen mal wieder weggeschossen. Beim MSV Duisburg reißt das Scheitern der Männer in der 3. Bundesliga auch die Frauen mit hinunter und sie dürfen nicht mehr in der 2. Bundesliga spielen.

Der Fußball hinkt hinterher

Während in anderen Bereichen der Gesellschaft die Gleichberechtigung von Frauen immer weiter vorangetrieben wird scheint es so, als sei der Fußball noch in einem vorherigen Jahrhundert stecken geblieben. Auch, wenn es in den letzten Jahren schon Veränderungen gab, scheinen wir im Fußball noch weit von Gleichberechtigung entfernt zu sein. Während wir über das pinke Auswärtstrikot der Männer diskutieren, verlieren wir die eigentlichen Probleme aus den Augen. Dass Frauen im Profifußball meist nicht vom Fußball allein leben können. Dass Frauen im Profifußball immer noch sexualisierten Kommentaren ausgesetzt sind. Dass Frauen im Profifußball nicht so sichtbar sind, wie ihre männlichen Kollegen. Das alles ist nicht fair. Diese Liste könnte man endlos weiterführen. Die EM 2022 hat zwar einen Hype ausgelöst, doch geändert hat sich nichts. Ein Jahr später wurde erstmal darüber diskutiert, ob sich die deutsche Bevölkerung die WM überhaupt im Free-TV ansehen kann. Doch hat diese Diskussion einen riesigen Aufschrei ausgelöst, denn die Bevölkerung will Frauenfußball sehen. Bei den Männern würde es eine solche Diskussion nicht mal im Ansatz geben. So war der Aufschrei riesig, dass einzelne Spiele der EM 2024 nicht im deutschen Free-TV übertragen wurden.

Warum muss der Frauenfußball noch vom Männerfußball abhängig sein? Warum können Frauen im Fußball nicht genauso sichtbar sein? Es fängt schon im Nachwuchsfußball an. Als ich in der Grundschule meine ersten Schritte in den Fußball machen wollte, wurde ich so abgebremst, wie Torschüsse auf das deutsche Tor durch Manuel Neuer. Ich durfte nicht in der Fußball AG mitspielen, weil ich ein Mädchen war. Das ist zwar schon einige Jahre her, doch auch 2024 nicht unrealistisch. Heute spiele ich Fußball, doch merke immer öfter, wie sehr der Frauenbereich unsichtbar ist. Auf unserer offiziellen Vereinshomepage finden sich keine Informationen über Spiele des Frauenbereichs. Es werden zwar seit kurzer Zeit die Spielzeiten der Frauen auf dem Instagram Account geteilt, aber ändern tut dies nichts. Doch gleichzeitig zeigen Vereine aus kleinen Orten, dass es funktionieren kann, hinter den Frauenteams zu stehen. So hatten wir nicht selten bei Heimspielen mehr Fans von dem Gastteam da.

Sichtbarkeit von Frauen im Fußbball

Wenn der Frauenbereich dem Verein nicht wichtig ist, dann wird sich nichts ändern. Wenn ein Männerteam eine/einen Trainer*in sucht, wird dies groß bekannt gegeben. Wenn ein Frauenteam jedoch auf der Suche nach einer/einem Trainer*in ist, weiß es die breite Öffentlichkeit meist gar nicht. Wie sollen die Frauen sich sportlich weiterentwickeln können, wenn es keine Person gibt, die sie trainiert? Wie sollen junge Mädchen sich für Fußball begeistern können, wenn niemand da ist, der sie dabei unterstützt? Es wirkt so, als würde man versuchen Mädchen und Frauen mit aller Kraft die Sichtbarkeit im Fußball zu nehmen, damit die Männer mehr scheinen. Doch die Frauennationalmannschaft war in den letzten Jahren durchaus sehr erfolgreich und stehen auf Platz 4 (Stand 14.06.2024) der FIFA-Weltrangliste. Die Männernationalmannschaft steht jedoch nur auf Platz 16 (Stand 20.06.2024). Warum geben wir den Frauen nicht ihre Sichtbarkeit, die sie sich verdient haben?

Im Frauenfußball sieht man noch etwas mehr die Leidenschaft und Begeisterung, während es bei den Männern sehr viel ums Geld geht. Doch würde eine Gleichberechtigung des Frauenfußballs nicht auch eine solche Entwicklung mit sich bringen? Nein, denn bei den Frauen wäre die Begeisterung immer noch da. Denn, wenn sie erstmal gleichberechtigt sind, könnten die Mädchen und Frauen ihr Potenzial erst richtig entfalten. Die Motivation würde steigen und die Nachwuchsförderung würde sich auch verbessern. Wir müssen den Frauen eine Stimme geben und zeigen, dass Frauen im Fußball längst angekommen sind. Wir müssen Frauen den Raum geben zu trainieren und sich weiterzuentwickeln. Wenn die Frauen immer nur auf dem Platz trainieren, der eigentlich dringend saniert werden müsste, dann wird ihnen nicht nur die Wertschätzung genommen, sondern sie werden auch in die Gefahr gebracht, dass sie sich verletzen. So ist es wissenschaftlich bewiesen, dass Frauen eine deutlich höhere Gefahr etwa für einen Kreuzbandriss und während Phasen ihres Menstruationszyklus ein deutlich höheres Verletzungsrisiko haben. Um Gleichberechtigung im Frauenfußball zu erlangen, brauchen wir diese Forschung, um die Bedingungen an Frauen anzupassen, denn wie sollen Frauen Fußball spielen können, wenn sie dauernd verletzt sind?

Es geht um viel mehr als viel Geld

Das Problem der mangelnden Gleichberechtigung im Frauenfußball fängt bei der deutlich geringeren Bezahlung an, aber ist noch viel tiefergehend. Es wird immer nur über das Geld gesprochen, wobei vergessen wird, dass es deutlich mehr Probleme gibt. Es wirkt in der öffentlichen Debatte oft so, als würden Frauen sich nur mehr Geld wünschen. Das Gegenteil ist der Fall, denn egal, wie viel Geld die Frauen bekommen, wenn die Akzeptanz da ist, wäre schon viel mehr erreicht als einfach nur bei einer Gehaltserhöhung. Die Männer sind auch in der Verantwortung. So hat die dänische Herrennationalmannschaft kurz vor der EM 2024 eine Gehaltserhöhung abgelehnt, bis die Frauen gleichbezahlt werden. Wo bleibt die Reaktion vom Männerfußball in Deutschland? Warum stellen sich die Männer nicht hinter die Frauen und zeigen, dass sie solidarisch sind, dass auch sie von einer Gleichberechtigung profitieren würden. Doch ist eine Reaktion bisher ausgeblieben. Doch auch die Reaktion der dänischen Nationalmannschaft ist nur ein kleiner Teil von dem, was notwendig ist. Eigentlich sollte viel mehr passieren und die Aktion zeigt deutlich, dass auch hier nur das Bewusstsein herrscht, dass das Geld ein Problem ist.

Man sollte nicht vergessen, dass es schon einige Veränderungen gab. Teilweise wurden Spiele der deutschen Frauennationalmannschaft fast gar nicht besucht. So spielte die deutsche Frauennationalmannschaft kürzlich in einem fast ausverkauften Ostsee-Stadion in Rostock, was schon fast ironisch ist, wo es in der Rostocker Ultra-Szene doch ein Verbot für Frauen in den ersten drei Reihen gibt und sich Frauen regelmäßig Belästigungen ausgesetzt sind. Gleichzeitig ist dies ein Signal, dass der Frauenfußball längst von den Fans akzeptiert wird. Aber es bleibt die Frage, warum dann Frauen als Fans nicht akzeptiert sind.

Was bleibt ist eine grundsätzliche Frage, warum wir im Fußball scheinbar noch nicht im Jahr 2024 angekommen sind und der Fakt, dass Frauen im Fußball nicht gleichberechtigt sind. Fußballerin zu sein, sollte ein normaler Beruf sein, so wie es auch bei den Männern der Fall ist. Frauen sollten sich auf diesen konzentrieren können, ohne noch zusätzlich arbeiten zu müssen. Doch wenn die strukturellen Bedingungen nicht stimmen, dann würde auch eine Gehaltserhöhung nichts ändern, denn Gleichberechtigung ist viel mehr als nur Geld. Wenn jedoch bei den strukturellen Bedingungen alles beim Alten bleibt, dann sind wir immer noch weit von einer wirklichen Gleichberechtigung entfernt. Ohne eine Veränderung der Strukturen wird es keine Gleichberechtigung geben, denn auch von Geld können sich die Frauen keine Veränderungen kaufen.

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