Ex-”Princess Charming” Finalistin Nina Burkhardt spricht im Interview über die Darstellung von Alkoholkonsum im Reality-TV und darüber, wie normalisiert die Volksdroge in unserer Gesellschaft ist.
Die Korken knallen und die Champagnergläser klirren. Der scheinbar grenzenlose Alkoholkonsum in Reality-TV-Formaten sorgt oft für große Schlagzeilen und wird heiß diskutiert. Doch wie viel davon entspricht der Realität? Um einen Blick hinter die funkelnden Kulissen zu bekommen, durfte ich Nina Burkhardt interviewen, die 2023 Kandidatin in der queeren Dating-Show „Princess Charming“ war und es bis ins Finale geschafft hat.
Nina, kommen wir direkt zum wichtigsten Punkt: Wie viel Alkohol wurde am Set von „Princess Charming“ Staffel 3 wirklich getrunken?
Nina: Also zu allererst: ich habe mich gewundert, als ich die Sendung im Nachhinein gesehen habe, weil es im Zusammenschnitt wirklich so aussah, als ob wir die ganze Zeit saufen.
Aber es war wirklich nicht so – es war im Schnitt ein Glas Sekt und eine Dose Bier für Jede da. Je weniger wir wurden, desto mehr Alkohol gab es natürlich für die, die noch übrig waren, weil sich die „Masse“ an Getränken nicht geändert hat. Aber es blieb immer sehr überschaubar.
Du meintest vor unserem Gespräch, dass es in vorherigen Staffeln von „Princess Charming“ trotzdem mehr Alkohol gab als in deiner Staffel? Woran liegt dieser Wandel?
Nina: Ich glaube, dass die Produktion was gelernt hat. Mit Leuten, die ultra hart betrunken sind, kannst du auch nicht mehr arbeiten. Und im Endeffekt ist es eine Arbeit, die da gemacht wird – sie sind da, um eine Sendung zu produzieren. Und wenn jemand gar nicht mehr geradeaus laufen kann und nur noch „reiert“, will das ja auch niemand sehen.
Gerade jetzt, wo viele Produktionen in einem ganz anderen Klima als in Deutschland produzieren, muss darauf geachtet werden, wie Alkohol auf die Teilnehmerinnen wirkt – da muss man vorsichtig sein.
Mich überrascht das total, weil ich mir gerade bei einem Dating-Format vorgestellt habe, dass die Produktion sagt: „Wir geben denen ganz viel Alkohol, damit Drama und Spiciness entsteht“. Warst du vor Ort überrascht als du gesehen hast, dass kaum Alkohol da war?
Nina: Mir war das ein bisschen egal. Ich wusste von vornherein, dass ich nicht trinken werde. Ich wollte selbst, dass ich immer genug da bin, um zu wissen, was ich von mir gebe. Und weil ich von vornherein Angst vor dem Schnitt hatte und nicht wusste, was die machen, wollte ich wenigstens so viel Kontrolle wie möglich haben. Und Alkohol hätte einen schon ein bisschen verändert.
Und ich glaube in einem Dating-Format steht allgemein etwas anderes im Vordergrund. Es geht vor allem darum, dass man sich, in unserem Fall vor der Princess, gut darstellen will. Es gibt ja aber auch andere Formate, wie zum Beispiel „Germany Shore“, wo das Konzept ein ganz anderes ist: Es ist ein Partyformat, es gibt Exzesse und Abstürze und zwischendrin ein paar Spiele, aber das war’s. Und dass da mehr Alkohol fließt, ist, glaube ich, von vornherein klar.
Bestimmt hat das aber auch viel mit Geld zu tun. Man kennt aus vielen anderen Formaten, dass es einen bestimmten Alkoholsponsor gibt. Und bei uns gab es den halt nicht. Vielleicht liegt es dann auch daran.
Aber wie stehst du dann dazu, dass es durch den Schnitt im Endeffekt so dargestellt worden ist, dass das Publikum dachte: “Hier ist viel Alkohol im Spiel“?
Ich glaube, das ist gar nicht so ein bewusster, alkoholverherrlichender Schnitt, sondern ich habe eher das Gefühl, dass es ein gesellschaftliches Problem mit Alkoholkonsum gibt. Alkohol wird sehr viel mit Spaß haben gleichgesetzt. So sind wir sozialisiert und so haben wir und die Leute, die die Shows und den Schnitt machen, das auch internalisiert.
Nach außen möchte dem Publikum eine gewisse Art an Ausgelassenheit zwischen den Teilnehmerinnen gezeigt werden. Und dazu gehört vor allem für unsere deutsche Gesellschaft Alkohol. Ich glaube, das ist eher das Problem.
Würdest du dir wünschen, dass zukünftige, ähnliche Reality-TV-Formate den Alkoholkonsum komplett unterbinden und das auch transparent nach außen kommunizieren? Gerade im Hinblick auf eine gewisse Verantwortung gegenüber jüngeren Zuschauer*innen.
Nina: Also generell bin ich für Transparenz. Immer. Ich glaube nur, dass es der Show nicht gut-tun würde, weil die meisten Menschen, die sowas gucken und die, die mitmachen, auch das Konzept von Alkoholkonsum in sich tragen. Und bei solchen Formaten geht es immer um die Masse: Was denkt die Masse und was kommt bei der Masse gut an?
Also glaubst du, es würde so „ganz ohne“ gar nicht funktionieren?
Nina: Ich glaube, es würde nicht funktionieren. Das habe ich ja auch gemerkt als wir gedreht haben. Viele der Teilnehmerinnen sind mit der Erwartung reingegangen: „Ey, zwei Wochen einfach ein bisschen die Sau rauslassen und Party hart“ – und das heißt Alkohol konsumieren. Der Wunsch nach mehr Alkohol war immer da und auch der erste Stichpunkt jeder Einkaufsliste.
Du kannst die Villa ja auch nicht verlassen; was machst du dann den ganzen Tag? Du frühstückst, gehst schwimmen und irgendwann chillst du am Pool und möchtest dir vielleicht den ersten Drink gönnen. Man hat keine Verpflichtungen und da verstehe ich den Wunsch von Vielen, das auszunutzen und nicht darüber nachzudenken, was in den nächsten Stunden oder Tagen ansteht. Alkohol kann natürlich auch Spaß machen, aber es kommt immer auf das Maß an!
Genau, es kommt immer auf einen verantwortungsvollen Umgang an. Und wenn es nicht ganz ohne Alkoholkonsum geht, dann sollte doch wenigstens eine Art Kompetenz vermittelt werden, oder?
Nina: Ja, aber das wäre leider konträr zum Entertainment. Und je länger Reality-TV-Formate existieren, desto mehr muss passieren und desto extremer muss vielleicht der Entertainmentgrat werden. Wünschen würde ich mir das natürlich total. Gerade weil solche Formate auch eine gewisse Vorbildfunktion haben sollten. Und klar wäre es dann wichtig einen bewussteren Umgang mit Alkohol oder generell mit anderen Dingen, wie zum Beispiel Konsens, zu thematisieren. Aber am Ende des Tages ist es einfach „nur“ Reality-TV mit einem hohen Entertainmentfaktor und vielleicht muss diese Aufklärungsarbeit vermehrt woanders stattfinden.