Wer entscheidet über meinen Körper? Die AG „My Body my Choice – (Sexuelle) Selbstbestimmung geht uns alle an!“ spricht auf den JugendPolitikTagen über Consent, sexualisierte Gewalt und darüber, wie Selbstbestimmung von Kinder und Jugendlichen gefördert werden kann.
Die Landesvertretung des Saarlandes in Berlin ist lichtdurchflutet, durch die hohen Fenster blickt man ins Grüne und die hellen Wände schaffen eine warme und offene Atmosphäre. Für die Teilnehmer*innen der AG „My body my Choice -(Sexuelle) Selbstbestimmung geht uns alle an!“ perfekte Voraussetzungen, um in den kommenden zwei Tagen über Consent, Schwangerschaftsabbrüche und sexualisierte Gewalt zu sprechen.
Mit dabei ist Leah, 19 Jahre alt. Der politikorange-Redaktion erklärt sie, warum sie sich besonders für diese Arbeitsgruppe interessiert: „Selbstbestimmung ist in der Gesellschaft immer noch nicht ganz angekommen. Oft wird nicht akzeptiert, dass Menschen selbst über sich und ihre Körper entscheiden können.“ Das individuelle Entscheidungen noch immer schnell verurteilt werden, stört sie besonders: „Wir Menschen sind keine Möbel. Man kann uns nicht einfach in Schubladen stecken.“ Finn, 17 Jahre alt, hat sich vor allem für die Arbeitsgruppe entschieden, um dazuzulernen: „Ich wusste über das Thema sehr wenig. Mir war beispielsweise nicht bewusst, dass Abtreibung so ein großes Thema ist.“
Rund 100.000 Frauen in Deutschland entscheiden sich pro Jahr dafür, eine Schwangerschaft abzubrechen. Was ist aber, wenn die betroffene Frau noch minderjährig ist? Darf sie die Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung ohne das Einverständnis ihrer Eltern treffen? Über diese und andere Fragen diskutieren die Teilnehmer*innen mit Thomas Knoll-Biermann, Referatsleiter für Kindschaftsrecht im Bundesjustizministerium. Doch es geht nicht nur um Schwangerschaftsabbrüche, sondern auch um die Frage, wieweit Kinder ein Vetorecht in Bezug auf medizinische Eingriffe haben, die an ihnen durchgeführt werden. Für Leah steht dabei fest: „Mein Körper gehört mir, und nicht meinen Eltern!“
Wann ist ein „Nein“ auch wirklich ein „Nein“?
Das Thema Selbstbestimmung umfasst aber nicht nur Schwangerschaftsabbrüche oder medizinische Eingriffe. Es geht auch um sexualisierte Gewalt und Consent. Die Teilnehmer*innen erzählen von ihren Erfahrungen mit Catcalling und Belästigung, sowie von der Machtlosigkeit, die Betroffene empfinden. Was auffällt: Bei diesem emotionalen und persönlichen Thema ist die Gesprächsatmosphäre besonders respektvoll und wertschätzend. „Es war eine gesunde Art von Emotionalität, die auch sachlich genug war, dass wir in unserer Diskussion weiterkommen“, sagt Finn. Im Voraus habe er befürchtet, dass die Debatte unsachlich werden könnte – zu seiner eigenen Überraschung waren seine Sorgen aber unbegründet.
Woran erkennt man sexuellen Consent? Eine Frage, die auch den Gesetzgeber beschäftigt: Seit 2016 gilt in Deutschland das Prinzip „Nein heißt Nein“. Wird also klar kommuniziert, dass eine*r der Partner*innen nicht mit sexuellen Handlungen einverstanden ist, gilt dies als Vergewaltigung. Für die Teilnehmer*innen steht auch die Frage im Vordergrund, woran man eine entscheidungsfähige Person erkennt. Sie einigen sich schließlich darauf: Frei entscheiden kann nur, wer nicht unter Drogen- oder Alkoholeinfluss steht und sich in keinerlei Machtgefälle befindet.
Am Ende von zwei Tagen intensivem Austausch stehen schließlich die Empfehlungen, die die Arbeitsgruppe „My body my choice – (sexuelle) Selbstbestimmung geht uns alle an!“ erarbeitet hat. Die Teilnehmer*innen fordern unter anderem kostenlosen Zugang zu Verhütungs- und Menstruationsartikeln, mehr Diversität in Lehrplänen und einen Ausbau von Schutzräumen für trans* Personen. Dazu außerdem vor allem eines: Aufklärung für junge Menschen über das, was sie und ihre Körper unmittelbar betrifft. „Ich kann verstehen, dass man bei manchen Dingen vorher Hilfe oder Erklärung braucht“, sagt Leah. Aufklärung ist für sie aber der Schlüssel zu mehr Selbstbestimmung von jungen Menschen, denn: „Dann kann niemand mehr sagen, dass wir zu jung und unerfahren sind, um mitzubestimmen. Wir sind die Zukunft, und wir sollten von Anfang an lernen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.“