Nicht alle aktuellen Bundesminister*innen werden der nächsten Regierung angehören und mindestens einer auf gar keinen Fall. Ein Überblick über die Zukunft der zentralen Akteur*innen von Christian Lütgens.
Armin Laschet hat zwar bereits ein sogenanntes Zukunftsteam vorgestellt, doch ob dessen Mitglieder tatsächlich auch bei einer schwarzen Regierungsbeteiligung einen Minister*innenposten erhalten würden, werten Beobachter als fraglich. Die anderen Parteien waren zurückhaltender, wenn es um die Vorab-Vergabe von Ämtern im nächsten Kabinett ging. Denn klar ist: Manche der aktuellen Bundesminister*innen haben zwar bereits Wünsche für ihre berufliche Zukunft geäußert, doch nicht alle von ihnen sind auch realistisch.
Olaf Scholz
Der Vize-Kanzler des aktuellen Bundeskabinetts hat gute Chancen auch künftig in der Regierung zu sitzen – immerhin tourt er seit Wochen durch die Nation, um für sich als Kanzlerkandidat für die SPD zu werben. Die letzten Umfragen geben ihm Rückenwind. Als Finanzminister war er nicht nur oberster Dienstherr von einem der mächtigsten Ministerien, auch konnte er sich im Rahmen der Corona-Krise und Flutkatastrophe als Mann mit dem Geld profilieren. Ob Unternehmen oder Bürger*innen, der Sozialdemokrat haushaltete sauber und holte dort die „Bazooka“ heraus, wo er es für nötig hielt.
Doch Scholz stolperte auch über so manche Affäre. Als ehemaliger Erster Bürgermeister von Hamburg verfolgt ihn ein Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft zu fragwürdigen Cum-Ex-Geschäften bis heute. Auch im Wirecard-Skandal oder der Debatte um die Geldwäscheeinheit FIU wurde Scholz lautstark kritisiert. Wohl nicht zuletzt dank seiner langjährigen Politerfahrung hat er – bislang – all diese Skandale scheinbar unbeschadet politisch überlebt.
Fazit: Wenn die SPD Teil der Regierung ist, wird Olaf Scholz höchstwahrscheinlich Kanzler werden.
Annegret Kramp-Karrenbauer
Mit dem eisernen Besen wollte sie aufräumen – aus Sicht vieler hat sie das auch getan, wenn auch mit überschaubarem Erfolg. Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) übernahm das Bundesministerium der Verteidigung von Ursula von der Leyen, die als EU-Kommissionspräsidenten nach Brüssel berufen wurde. Dies, so wurde Kramp-Karrenbauer nachgesagt, sei vor allem geschehen, um ihre Position in ihrem Amt für den Vorsitz der CDU und Kanzlerin-Aspirantin zu stärken. Freilich: Kramp-Karrenbauer gab den CDU-Vorsitz ab und stolperte wiederholt über Skandale in der Bundeswehr, wie beispielsweise über die berühmt-berüchtigte Schweinekopf-Party. Gleichzeitig äußerte die Saarländerin offen den Wunsch, sich auch künftig um das Verteidigungsressort kümmern zu wollen und erhielt Lob für den geglückten Rückzug aus Afghanistan sowie Reformen in der Elitetruppe KSK. Der Besen soll weiter fegen.
Fazit: Kramp-Karrenbauers Chancen weiterhin Bundesministerin zu bleiben, stehen nicht schlecht. Jedenfalls solange die Union Teil der künftigen Regierungskoalition ist.
Andreas Scheuer
Bei wohl keinem Kabinettsmitglied ist die Diskrepanz zwischen der Eigen- und Außenwahrnehmung so groß. Sieht sich Andreas Scheuer (CSU) als einer der erfolgreichsten Verkehrsminister aller Zeiten, konnte sich die Opposition an keinem anderen Mitglied mehr abarbeiten. Die gescheiterte, weil rechtswidrige und stümperhaft umgesetzte PKW-Maut war da nur die meist genannte Kritik. Doch nicht nur die Opposition forderte seinen Rücktritt. Sogar in den eigenen Reihen sah man für Scheuer keine Zukunft. Markus Söder wollte ihn schon zur Mitte der Legislatur austauschen und selbst das tiefschwarze Passau, für das Scheuer als Direktkandidat antritt, zweifelt. In der Bevölkerung gilt er als einer der inkompetentesten und unbeliebtesten Minister. Er selbst sieht dies vermutlich anders.
Fazit: Andreas Scheuer wird mit Sicherheit kein Bundesminister bleiben.
Hubertus Heil
Hubertus Heil (SPD) ist vielleicht einer der Bundesminister, der der breiten Bevölkerung weniger bekannt ist. Dennoch konnte er so manche Reform durchsetzen, beispielsweise zur Grundrente. Zwischenzeitlich harmonierte er öffentlichkeitswirksam und parteiübergreifend mit Parteigenossin Franziska Giffey und Jens Spahn (CDU). Im Wahlkampf attackierte sein Ministerium Spahn aggressiv für die Verwendung minderwertiger Masken. Insgesamt gilt Heil allerdings als leiser, obgleich fleißiger Minister.
Fazit: Die Chancen von Hubertus Heil, künftig auf Ministerebene in der Bundespolitik mitzumischen, stehen gut.
Jens Spahn
Jens Spahn (CDU) ist gegenwärtig zweifellos einer der bekanntesten Politiker*innen des Landes, wenn auch nicht unumstritten. Die Corona-Pandemie zeigte schonungslos die Probleme des deutschen Gesundheitssystems auf. Probleme, die er teilweise geerbt hat, und für die er dennoch gleichzeitig die politische Verantwortung tragen muss. Fast genauso bekannt wie die Personalie Spahnist sein Ehrgeiz, der zuweilen als etwas forsch wahrgenommen wird. Zuletzt wurde dies bei der ersten Wahl zum neuen CDU-Vorsitzenden moniert. Als ehemaliger lauter Merkel-Kritiker, erhielt er zwischenzeitlich ihren Segen („er schafft was weg“) und dürfte auch für künftige Jobs in einer CDU-beteiligten Koalition in Frage kommen. Denn: Spahn verkörpert – im Gegensatz zu den meisten Unionspolitiker*innen – authentisch eine gewisse Verjüngung der Politik, ganz im Sinne von Armin Laschet ausgerufenen Modernisierungsjahrzehnts. Spahn selbst wäre vermutlich der erste, der dies bestätigen würde.
Fazit: Jens Spahn kann darauf bauen, einer künftigen Regierung mit CDU-Beteiligung anzugehören.
Peter Altmaier und Helge Braun
Peter Altmaier hat einen schwierigen Stand – bei denen, die er als Bundeswirtschaftsminister vertreten sollte und bei denen, die ihn genau für diese Arbeit als Lobbyist der großen Unternehmen kritisierten. Kurzzeitig wurde es eng, als CSU-Chef Markus Söder eine Verjüngung des Kabinetts forderte, doch Corona kam dem engen Merkel-Vertrauen dazwischen, rettete ihn förmlich in die Zielgeraden der Legislaturperiode. Doch Altmaier steht durch ebendiese Nähe zur Kanzlerin kaum für die in den Wahlkämpfen aller Parteien so häufig geforderte Erneuerung. Gleiches gilt übrigens für Chef des Kanzleramts Helge Braun (CDU), der ebenfalls als enger Merkel-Vertrauter gilt.
Fazit: Peter Altmaier und Helge Braun können sich keine großen Chancen ausmalen, Teil des künftigen Kabinetts zu sein.
Heiko Maas
Der gelernte Anwalt und ehemalige Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hätte die letzten Wochen vor der Bundestagswahl wohl am liebsten übersprungen. Afghanistan war für die Opposition der Anlass, um auf dem höchsten deutschen Diplomaten rumzuhacken. In der Tat gilt Maas als kein allzu charismatischer Politiker, häufig wurde ihm mehr Verwaltungs- als Gestaltungswillen vorgeworfen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Mühlen in der Außenpolitik noch einmal deutlich langsamer mahlen, als in den übrigen Ressorts. Gesetzesinitiativen sind naturgemäß rar, öffentlichkeitswirksame Auftritte sind aufgrund der zunehmenden globalen Dauerkrisen schwierig geworden.
Gleichzeitig erfreuten sich viele frühere Außenminister, wenn auch mehr wegen des Amtes als wegen des Charakters, höherer Beliebtheit in der Bevölkerung. Nicht zu vergessen sind zudem die Ambitionen der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, bei einer künftigen Regierungsbeteiligung das Auswärtige Amt zu übernehmen.
Fazit: Der Stuhl von Heiko Maas als Außenminister wackelt.
Die anderen Minister*innen
Manche der aktuellen Kabinettsmitglieder haben ihr berufliches Jenseits bereits selbst in die Hand genommen, um ihren Rückzug aus der Bundespolitik bekannt zu geben. Darunter fällt zum Beispiel Horst Seehofer (CSU). Als Bundesinnenminister ist er einer derjenigen Politiker*innen im vierten und letzten Kabinett Merkel, die am längsten dabei sind. Zugleich hat er bereits angekündigt, sich nach der gegenwärtigen Legislaturperiode aus dem politischen Geschäft zurückziehen zu wollen. Gleiches gilt, zumindest auf Ebene des Bundesministeriums, für Gerd Müller (ebenfalls CSU). Müller jedoch wird nach seiner Zeit als Leiter des Ressorts für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bei der UN weitermachen.
Christine Lambrecht (SPD) geriet ziemlich zufällig in die aktuelle Bundesregierung. Als Nachfolgerin von Katarina Barley, welche 2019 nach Brüssel ins EU-Parlament wechselte, koordiniert die Sozialdemokratin seitdem das Ressort für Justiz und Verbraucherschutz. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl übernahm sie zusätzlich das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Franziska Giffey, die aufgrund einer Plagiatsaffäre ihren Rücktritt eingereicht hatte. Lambrecht hat allerdings ebenfalls angekündigt, dass sie nicht anstrebt, für den neuen Bundestag zu kandidieren. Ein Mandat als Bundesministerin kommt somit nicht infrage.
Weitere Personalien betreffen Svenja Schulze (SPD). Als Bundesumweltministern ist sie in der Bundesregierung die oberste Klimaschützerin der Nation. In dieser Position konnte sie sich gegenüber der Union, aber auch der SPD nicht in jedem ihrer gesetzlichen Vorhaben durchsetzen. Im Zweifel musste, wie im Falle des Klimaschutzgesetzes, das Bundesverfassungsgericht nachhelfen. Da die Grünen allerdings gute Chancen auf eine Regierungsbeteiligung haben, wird eine Führung des Bundesumweltministeriums unter ihrer Feder kaum verhandelbar sein.
Die Zukunft von Julia Klöckner als Ministerin für Ernährung und Landwirtschaft steht genauso auf der Kippe, wie die von Bildungsministerin Anja Karliczek (beide CDU). Letztere war die Überraschung im Kabinett Merkel IV. Sie sorgte aber vor allem wegen ihrer kaum vorhandenen Erfahrung für fast so viel kritische Aufmerksamkeit wie ihre Kollegin im Landwirtschaftsministerium. Klöckner ist nämlich zumindest Mitglied im CDU-Vorstand, eine Zukunft als Bundesministerin ist daher zwar fraglich, Teil der Berliner Blase wird sie aber auf jeden Fall bleiben. Karliczek sind kaum Zukunftschancen im Berliner Politbetrieb zuzusprechen.