Wissenschaftskommunikation braucht neue Formate. Ein Kommentar von politikorange-Redakteurin Sabrina Wagner zur Wissenschaftsvermittlung und unserem Interesse an Fiktion.
Dass Covid-19 eine ernstzunehmende Erkrankung ist, bestätigen uns wissenschaftliche Erkenntnisse. Auch sonst ermöglicht uns die Wissenschaft das theoriegeleitete Erklären der Welt. Für einige Menschen ist das absolut zufriedenstellend. Gerade in der Corona-Pandemie ist allerdings auch zu beobachten, dass sich manche Menschen die Welt lieber mit Verschwörungsmythen erklären. Klar ist, dass Verschwörungsmythen keinen Ersatz zur Wissenschaft darstellen. Dennoch stellt sich die Frage, warum gelegentlich Verschwörungsmythen bevorzugt werden und was sie auch für Menschen, die nicht daran glauben, interessant machen.
Wissenschaft ist kompliziert. Das Beispiel Corona hat gezeigt, dass die virologischen Zusammenhänge schnell über ein Alltagsverständnis hinausgehen, besonders, wenn Fachsprache verwendet wird. Dennoch, Wörter wie Sieben-Tage-Inzidenz werden inzwischen häufig auch außerhalb der Virologie gebraucht. Auch das Vertrauen in die Wissenschaft scheint mehrheitlich vorhanden zu sein. Das zeigt zum Beispiel das Wissenschaftsbarometer 2020, einer jährliche, repräsentative Umfrage der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ zur Einstellung von Bürger*innen zu Wissenschaft und Forschung. 60 Prozent der Befragten gaben an, Wissenschaft und Forschung eher oder voll und ganz zu vertrauen.
Faszinierende Fiktion und problematische Mythen
Schwieriger tun wir uns damit, dass Forschung eigentlich nie abgeschlossen ist und aktuelle Ergebnisse immer wieder überholt werden. Bis erste Forschungsergebnisse vorliegen, kann es auch mal eine längere Zeit dauern. Nicht ohne Grund benötigen Doktorarbeiten mehrere Jahre. Außerdem kann dabei einiges schiefgehen. Man kann sich irren. Wissenschaft ist das ständige Überprüfen und Überarbeiten eines aktuellen Standes. Genau dieser Punkt könnte es sein, den einige Menschen nicht akzeptieren wollen. Verschwörungsmythen machen es sich leicht. Sie erzählen vereinfachend. Für alles gibt es einen Grund und der ist bereits bekannt. Empirisch überprüfbar sind sie dabei nicht, weswegen hier auch der Begriff des Mythos verwendet wird. Sicher, harmlose Fiktion begegnet uns im Alltag oft. In Büchern, Serien, Filmen werden häufig unrealistische Handlungen und Zusammenhänge abgebildet. Unser Interesse an diesen Medien senkt das nicht. Es ist zu vermuten, dass viele Menschen sich auch mit Verschwörungsmythen wie beispielsweise der von der inszenierten Mondlandung aus Interesse und Faszination beschäftigen. Während Theorien die Realität fassen, erzählen Mythen Fiktion. Trotzdem können wir beides wollen. Mit Verschwörungsmythen gehen allerdings oftmals antisemitische Vorstellungen und andere menschenverachtende Ideologien einher. Deshalb stellen sie nicht nur keine Alternative zur Wissenschaft dar, sondern ihre Rezeption und Verbreitung zu Unterhaltungszwecken ist grundsätzlich abzulehnen.
Neue Medien als Chance
Für die Wissenschaft bedeutet das, dass neben den Erkenntnissen auch präsenter kommuniziert werden muss, wie Wissenschaft eigentlich funktioniert. Ein authentisches mediales Auftreten macht die Wissenschaftler*innen dabei nahbar. Gerade für junge Wissenschaftler*innen können soziale Medien eine Möglichkeit für direktes Feedback und mehr Akzeptanz seitens der nicht-wissenschaftlichen Öffentlichkeit sein. Dass das erfolgreich funktioniert, zeigen beispielsweise die inzwischen 79 Folgen des NDR Info-Podcasts „Coronavirus-Update“ mit Christian Drosten und Sandra Ciesek als Gäst*innen. Die Wissenschaftsjournalistin und Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim erklärt auf ihrem YouTube-Kanal „maiLab“ inzwischen 1,2 Millionen Abonnent*innen regelmäßig Ergebnisse wissenschaftlicher Studien oder klärt Mythen auf. Dabei darf nicht vergessen werden, dass mediale Aufmerksamkeit auch negative Reaktionen bis hin zur Bedrohung der eigenen Person oder der Familie bedeuten kann. Begleitenden Leitfäden und Richtlinien für die Wissenschaftskommunikation, Medienkooperationen oder Wettbewerben können dabei unterstützen, die gegenwärtige Wissenschaftskommunikation voranzutreiben.