Für ausschweifende Nächte ist Berlins Clubszene berüchtigt. Für viele gilt: keine Party ohne Drogen. Die Initiative SONAR klärt über sicheren Konsum auf. politikorange-Redakteur Johannes Knop hat Rüdiger Schmolke, den Koordinator des Projekts, getroffen.
Bunte Broschüren zu Verhütung, Crystal Meth, Alkohol und Nikotin liegen neben Traubenzucker, Kondomen und Aktivkohlefiltern – säuberlich aneinandergereiht auf Tischen in den Ruhebereichen der Clubs. „An unseren Ständen stehen häufig ehrenamtliche Helfer*innen gemeinsam mit Festangestellten* der Trägervereine, um mit den Partygänger*innen ins Gespräch zu kommen“, sagt Rüdiger Schmolke. Er ist Koordinator von SONAR, einem Gemeinschaftsprojekt der Berliner Clubkommission, der Szeneinitiative eclipse und verschiedener Suchthilfeträger. Was die Feiernden* beschäftigt, sei vielfältig. Am häufigsten gehe es aber um das Material selbst. Kann ich etwas davon gebrauchen? Sind neue Infos dabei, die ich noch nicht kenne? Das seien Fragen, die die Besucher*innen umtreiben. „Hin und wieder greift auch jemand im Vorbeigehen unauffällig ein Kondom oder etwas Ähnliches“, so Schmolke.
Politisch umstritten: Drug-Checking
Viele hätten auch ein großes Interesse am Thema Drug-Checking und fragen, wann endlich mit einer Einführung in Deutschland zu rechnen sei. Drug-Checking bezeichnet die Untersuchung illegaler Drogen auf ihre chemischen Bestandteile. Dadurch sollen besonders schädliche Substanzen ermittelt und potenzielle Konsumierende* gewarnt werden – eine Maßnahme, für die die rechtlichen Hürden in Deutschland sehr hoch sind. Informationsangebote und Apps, die sich mit dem Thema beschäftigen, müssen daher auf die Analyseergebnisse ähnlicher Projekte im Ausland zurückgreifen. Trotzdem helfe Betroffenen* im Zweifel jede Information bei der Bewertung einer Pille und der Vermeidung von Überdosierungen. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig kündigte gegenüber der „Rheinischen Post“ bereits im Januar an, sich in diesem Jahr mit Drug-Checking auseinandersetzen zu wollen. Eine vollständige Markttransparenz werde es laut Schmolke aber solange nicht geben, wie die jeweiligen Drogen selbst illegal sind.
Austausch über Gesundheit und Konsum
Besonders aufschlussreich seien die sogenannten Clubtalks, die SONAR regelmäßig organisiert. Sie richten sich an ein feierndes Publikum mit dem ZIel, einen möglichst offenen Austausch zu ermöglichen, etwa über sicheren Konsum („Safer Use“) oder Drug Checking. Zu Beginn der Talks werden dafür verschiedene Flyer und Info-Broschüren angeboten. Die Diskussion selbst sei jedoch ergebnisoffen und nicht an den jeweiligen Schwerpunkt gebunden, da auf Referent*innen verzichtet wird. „Meist haben wir etwa 20 bis 25 Teilnehmende*, für eine Gruppendiskussion genau die richtige Größe“, findet Rüdiger Schmolke.
Beratung während der Pandemie
Bei warmem Wetter und den derzeitigen Corona-Beschränkungen im Berliner Nachtleben, nimmt zurzeit aber nur knapp die Hälfte der Menschen teil. Um einen besseren Austausch mit den Teilnehmenden* zu ermöglichen, wird momentan über eine Vernetzung mit Hilfe des Messengers Telegram nachgedacht. „Besonders hilfreich für unsere Arbeit ist es immer, wenn wir Anfragen aus der Szene bekommen, ob wir nicht das ein oder andere Thema auch mal aufgreifen könnten“, sagt Schmolke. Zusätzlich zu den Clubtalks organisiert SONAR auch Schulungen für Clubbetreiber*innen und ihre Angestellten*. Schwerpunkte dort sind vor allem der Umgang mit Substanzkonsum ̶ sowie verschiedene Hygienefragen wie zum Beispiel das regelmäßige Reinigen von Tischen im Besucher*innenbereich oder das Bereitstellen von Tampons oder Kondomen. „Partys sollen Spaß machen, die Gemeinschaft fördern und gegenseitige Solidarität schaffen. Beim Thema Drogen sind viele aber manchmal überfordert“, so der Projektkordinator.
Projekt steckt noch in den Kinderschuhen
Aktuell befindet sich das Berliner Gesundheitsförderungsprojekt SONAR noch in einer Aufbauphase. Das Projekt benötigt noch mehr ehrenamtliche Helfer*innen und einer regelmäßigen Social-Media-Präsenz. „Was uns fehlt, ist ein längerfristiger, fester Teamstamm. Dadurch könnten wir geplante Veranstaltungen deutlich schneller umsetzen und besser an neuen Projekten arbeiten“, erklärt Schmolke. Ähnliche Initiativen gebe es bereits in anderen Bundesländern. In Bayern etwa engagiert sich die Initiative Mindzone seit 1996 mit Infoständen und Beratungsangeboten, fokussiert dabei aber direkte Präventionsarbeit. SONAR verfolgt einen anderen Ansatz, erklärt Rüdiger Schmolke: „Unser Anspruch ist vor allem die Aufklärung über den möglichst sicheren Konsum der verschiedenen Substanzen, um das Schadensrisiko der Gebraucher*innen möglichst gering zu halten.“