Achtung, Fake News! Die ganze Welt ist über das Internet verbunden. Umso höher ist die Gefahr von Falschnachrichten, die sich rasch verbreiten. Wie stark können Fake News die kommende Europawahl beeinflussen? Und was tut die Europäische Union dagegen?
Am 26. Mai wird in Europa gewählt. Für die nächsten fünf Jahre können Europäerinnen und Europäer, Abgeordnete aller Mitgliedsstaaten ins Parlament wählen. Hier wird über Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen abgestimmt. Sie gelten für mehr als 500 Millionen Menschen.
Doch durch die Digitalisierung haben sich neue Möglichkeiten der Parteien-Werbung und des Wahlkampfes ergeben. Werbespots im Internet und „Hetzkampagnen“ sind logische Ergebnisse. Das Internet und vor allem Social Media bieten Anknüpfungspunkte, um mit jungen Menschen in den Dialog zu treten. Im EU-Wahlkampf sorgen Desinformationen für eine verzerrte Meinungsbildung. So wurde der umstrittene UN-Migrationspakt beispielsweise von rechten Gruppierungen als „Todesurteil gegen den Nationalstaat“ beworben und im Internet rasch verbreitet.
Mobilisierung der Massen
Die Gesellschaft kann durch das Internet auch leichter von ausländischen Kampagnen beeinflusst werden: Bereits 2015 warf die EU Russland vor, strukturierte Manipulation und Propaganda zu nutzen, um die Annektierung der Krim weltweit zu rechtfertigen. Als Reaktion auf die gezielte Verbreitung von Falschinformationen pro-russischer Akteure, reagierte die EU mit der „East StratCom Task Force“ (deutsch: Strategisches Kommunikationsteam Ost), eine Einheit, deren Hauptzweck das Aufdecken von Falschmeldungen ist.
Die Europawahl soll nicht durch Panikmache und Gegenkampagnen beeinflusst werden. Elf Mitarbeiter beobachten dabei öffentliche Netzwerke wie Twitter und Facebook.
Bereits Ende 2018 erarbeitete die EU einen Aktionsplan, der vor allem die „bessere Erkennung“, „Koordinierte Reaktion“, sowie die „Sensibilisierung und Befähigung der Gesellschaft“ vorsah. Obwohl schon 2018 Facebook, Google, Twitter und Co. den EU-Verhaltenskodex, eine freiwillige Selbstverpflichtung, unterzeichneten, fehlt es an einer verpflichtenden Zusammenarbeit. „Gefühlt jede zweite Woche ist irgendwo ein Datenleck und man blick nicht mehr richtig durch, das ist schon erschreckend,“ bemerkt die besorgte Studentin Beza Tefera auf den Jugendpolitiktagen.
Nach dem Verhaltenskodex muss Facebook Wahlwerbung aus dem Ausland unterbinden, um die ausländische Einflussnahme auf die Abstimmungen zu verhindern. Alle in der EU geschalteten politischen Werbeanzeigen auf Facebook und Instagram müssen eindeutig als solche gekennzeichnet werden. Dennoch: Trotz dieser Vorkehrungen bleiben die für Desinformationen verantwortlichen Gruppen erfinderisch, wie sogar Facebook ganz offen zugibt.
Halbwahrheiten sind ganze Lügen
Aber auch innerhalb von Deutschland machen gezielte Falschmeldungen die Runde. Propaganda der Strömung „Neue Rechte“, die sich aus rechtsradikalen Parteien und politischen Begleiterscheinungen, wie dementsprechenden Magazinen und Initiativen zusammensetzt, sind alltäglich. Beim Streit um den UN-Migrationspakt wurde dieser von den rechtsradikalen Gruppen als Verschwörungspakt beworben.
Merkmal der „neuen Rechten“ ist laut der Bildungszentrale für politische Bildung (bpb), die Berufung auf Elite, Führung, Gott, Nation, Natur, Ordnung, Rasse und Volksgemeinschaft. Diesbezügliche Theorien und halben Wahrheiten werden im Netz verbreitet. Diskussion und Hysterie in der Gesellschaft sind die Folgen. So liegt es nahe, dass Europas Nationalisten ihre Chancen die Massen zu mobilisieren, besonders im EU-Wahlkampf verstärkt nutzen. „Der Rechtsdruck, die ganzen Trolle im Netzt und was für ein Netzwerk sie sich aufgebaut haben, da mache ich mir wirklich große Sorgen“, sagt die 18-jährige Tefera.
Trotz allem bietet das Internet Chancen: Junge Wähler und die Klientel der Politikverdrossenen kann so zumindest theoretisch erreicht werden. Die EU-Kampagne „Diesmal wähle ich“ oder auch der „Wahl-O-mat“ der bpb können helfen, die Massen für politische Beteiligung zu begeistern.
Aufpassen Europa…
Nicht nur junge Menschen können von den falschen Nachrichten beeinflusst werden. Wer keine Tageszeitung liest, Nachrichten verfolgt oder sich anders über „Mainstream-Medien“ informiert, läuft Gefahr, potentielle Fake News auf Facebook, Twitter und Co. nicht als Lüge enttarnen zu können. Selbst wer sich gut und vielfältig über Geschehnisse informiert, muss nicht unbedingt befähigt sein, falsche Fakten zu entlarven.
Falschmeldungen verbreiten sich einfacher, schneller und weitreichender über das Internet. Die EU ist momentan trotz ihres Aktionsplans mit elf Mitarbeiterin wahrscheinlich nicht ganz so gut vorbereitet und sollte wie Tefera vorschlägt, an Gesetzen und Abkommen arbeiten, die falsche Informationsverbreitungen stoppen können. „Du verlierst deine Rechte im Netz, man muss damit anfangen, dass wir feste Gesetze bekommen“, sagt die 18-Jährige.
Die Tatsache, dass an der internationalen Kampagne gegen den EU-Flüchtlingspakt die belgische Regierung zerbrochen ist und der Pakt fast nicht zustande gekommen wäre, zeigt wie zerstörerisch sich Falschinformationen und Halbwahrheiten auf die Gesellschaft auswirken können. 500 Millionen EU-Bürger können in ihrer Meinungsbildung manipuliert werden, wenn Falschmeldungen im EU-Wahlkampf kursieren.