Elmar Brok gilt als einer der einflussreichsten EU-Parlamentarier. Im Interview mit Henri Maiworm macht der Politiker deutlich, was er von den Protesten zu Artikel 13 hält und was der EU-Parlamentarier Martin Sonneborn mit Alexander Gauland zutun hat.
Das große Thema auf der Eine-Welt-Konferenz ist das Thema Afrika. Eng verbunden damit ist die Migration über das Mittelmeer: Dort ertrinken täglich Menschen. Dennoch werden private Seenotretter kriminalisiert. Ist das der EU würdig, die einst den Friedensnobelpreis bekommen hat?
Die EU hat den Preis zu Recht bekommen, weil sie die größte Friedensveranstaltung der Menschheitsgeschichte ist. Wir haben es hinbekommen, dass keine Menschen mehr in der Ägäis sterben oder zumindest fast keine mehr. Im Mittelmeerraum haben wir das noch nicht geschafft. Wir müssen aber überhaupt erst verhindern, dass die Menschen in die Sahara kommen. Deswegen sollten wir an die Ursachen herangehen, um bessere Lebensbedingungen für die Menschen in Afrika zu schaffen. Da gibt es viel zu tun. Aber im Zweifelsfall muss man im Mittelmeer Menschen retten, das hat immer Vorrang und ist auch europäische Gesetzgebung. Wenn Herr Salvini das anders macht, ist das EU-rechtswidrig. Wir haben heute 90 Prozent weniger Zuwanderung aus Afrika als im Herbst 2015. Das Sterben wird also geringer. Wir müssen aber auch gegen die Menschenhändler vorgehen, die die Menschen für 1200 Euro auf solche Boote setzen. Es muss unterbunden werden, dass die Menschen überhaupt auf diese Boote kommen.
Was einige Mitgliedstaaten der EU versuchen zu unterbinden sind doch eher private Seenotretter als Schleuser. Woran liegt das? Oder halten Sie das für gerechtfertigt?
Ich halte es nicht für gerechtfertigt, wenn sie Menschenleben retten. Ich finde es aber nicht gut, wenn Seenotretter mit den Schleusern zusammenarbeiten. Es gibt Einzelfälle, wo sie das tun. Dann machen sie sich schuldig.
Würden Sie sagen, dass die Politik der harten EU Außengrenze gescheitert ist?
Die Repression ist nicht gescheitert, sie hat nicht existiert. Es sollte immer die Frage nach dem klassischen Asylanspruch nach Genfer Konvention gestellt werden. Wer um sein Leben fürchten muss, aus politischen, rassistischen, sexuellen Gründen oder weil Krieg herrscht, muss geschützt werden. Alle anderen haben diesen Anspruch nicht und das muss klar sein. Die Zukunft bringt vielfältige Herausforderungen mit sich, wenn man daran denkt, dass der Klimawandel auch in Afrika Wirkung zeigen wird. Außerdem wird Afrika in den nächsten 25 Jahren eine Verdoppelung der Bevölkerung erleben.
Großes Thema ist die neue EU-Urheberrechtsreform und der Artikel 13 mit den Uploadfiltern. Was ist Ihre Position dazu?
Uploadfilter sind im Artikel 13 nicht vorgeschrieben, sie werden überhaupt nicht erwähnt. Es geht darum, dass die großen Plattformen verpflichtet werden, dass der Künstler, Schriftsteller oder Journalist sein Geld kriegt für sein Eigentum. Das muss gewährleistet werden. Auf welche Art und Weise ist völlig gleichgültig. Man kann auch beispielsweise Pauschalvereinbarungen mit Verwertungsgesellschaften schließen, wie man das auch im analogen Zeitalter gemacht hat. Aber es kann nicht sein, dass man Geschäftsmodelle aufbaut mit dem Eigentum anderer Leute.
Bei Youtube werden pro Minute über 450 Stunden Videomaterial hochgeladen. Experten und Expertinnen gehen also stark davon aus, dass es Uploadfilter bedarf, um der Masse Herr zu werden.
Also erstens sind diese dann nicht auf Dauer und zweitens werden Uploadfilter auch schon im Kampf gegen Kinderpornografie und andere bestimmte Fälle der Kriminalität eingesetzt. Da sagt ja auch niemand, man müsste die Filter wieder abschaffen, damit Kindervergewaltigung weiter präsentiert werden kann. Hier geht es doch nur darum, dass Eigentumsrechte geprüft werden sollen. Die Rechte der Informationsfreiheit und des Eigentums stehen immer miteinander im Konflikt. Aber wenn jemand meint, dass bei einem der Upload unrechtmäßig gestoppt wird, kann er zur Beschwerdeinstanz gehen.
Die Proteste gegen die Reform treibt tausende Menschen auf die Straße. Hat es nicht auch etwas positives, wenn sich die Leute für die EU-Gesetzgebung interessieren – obwohl sie für diese Reform sind?
Nicht wenn sie mit Unwahrheiten kommen und Algorithmen benutzen. In den letzten Tagen war mein Büro völlig blockiert, weil auch die Accounts meiner Mitarbeiter vollgestopft sind. Man darf die Freiheit des Abgeordneten nicht so zerstören, dass man ihn zerdrückt.
Was meinen Sie ganz konkret mit „Unwahrheiten“?
Da steht drin, dass es gegen die Kleinen geht, die Freiheit der Meinung gefährdet sei, es Zensur sei. Das ist doch alles Unsinn. Es gibt keine Zensur, auch nicht bei Satire, die natürlich freigestellt ist. Das ist doch systematisch gefördert worden durch die Googles und Youtubes dieser Welt, um auf die Art und Weise ihr Geschäftsmodell durchzusetzen. Die verdienen doch Geld damit – mit den Eigentum anderer Leute. Sie verdienen Geld damit, dass sie interessante Texte haben, bei denen sie Werbung schalten und damit Geld verdienen, von dem dann der Urheber oder die Eigentümer nichts bekommen. Da gehen Redaktionen im lokalen Bereich verloren. Wie soll denn auf Dauer eine Zeitung davon leben können und ihre Redakteure bezahlen?
Auf der anderen Seite von Google und Co. gibt es dann die Rechteinhaber, die großen Verlage, die durch ihre Lobby-Bemühungen die Urheberrechtsreform erst begründet haben, oder?
Das ging nicht von den großen Verlagen aus, sondern von den kleinen, wie dem Verband der Deutschen Zeitungsverleger. Wir möchten auch den Lokaljournalisten in Münster schützen.
Die Stimmung unter EU-Parlamentariern und Parlamentarierinnen ist nicht immer gut. Ich denke gerade an Sie und Herrn Sonneborn, der für die PARTEI im EU-Parlament sitzt. Jetzt sind Sie bald nicht mehr im Parlament. Gibt es irgendwas, dass sie Herrn Sonneborn schon immer mal sagen wollten?
Nein, Herrn Sonneborn habe ich nichts zu sagen. Wer in einem Parlament ist und dafür auch das Geld bekommt, sollte auch dafür arbeiten. Wenn jemand abwechselnd ja und nein stimmt macht er daraus Kabarett. Herr Sonneborn tut nichts außer demokratische Entscheidungen ins Lächerliche zu ziehen.
Über die Arbeitsweise des Abgeordneten Sonneborn kann man streiten. Dennoch hat er mit seinem Kabarett geschafft auf das EU-Parlament aufmerksam zu machen.
Das ist doch Unsinn! Machen Sie jetzt bitte nicht den Sonneborn zum Botschafter der Arbeit des Europäischen Parlaments. Da ist eine Lügengeschichte. Die Aufmerksamkeit brauchen wir nicht. Dann kann es auch der Herr Gauland machen. Das ist das gleiche Niveau.