Ulrike Rodust (SPD/S&D) rückte einst für einen ausgeschiedenen Parteikollegen in den Schleswig-Holsteinischen Landtag nach und war dort von 1993 bis 2008 Abgeordnete. Im Alter von 59 Jahren rückte sie noch einmal nach, ebenfalls für einen ausgeschiedenen Parteikollegen. Statt an die Förde wechselte sie 2008 jedoch nach Brüssel ins Europäische Parlament, wo sie nun nach zehn Jahren nicht erneut kandidiert. Dabei gäbe es noch etwas zu tun, wie sie sagt. Mette Meyer hat mit ihr über die Meerespolitik, die EU und ihre politische Laufbahn gesprochen.
Guten Tag Frau Rodust, Sie sind sehr aktiv in der Fischerei- und Meerespolitik. Wieso sind Ihnen diese Themen so wichtig?
Weil ich finde, dass man damit sehr viel verknüpfen kann. Nicht nur die ökologischen Gegebenheiten, auch die Ernährungssicherheit. Nicht nur in Europa, sondern auch in der dritten Welt – wenn man es richtig macht. Ich bin fest davon überzeugt, wenn man Fischereipolitik richtig macht, kann man eben auch Fluchtursachen bekämpfen. Das heißt, die Fischer, die in der dritten Welt leben und früher die Fische gefischt haben, müssen das auch künftig wieder machen können. Das muss gesetzlich so geregelt werden, dass eben diese Menschen nicht ihre Lebensgrundlage verlieren, wenn große Unternehmen diese Fische wegfischen.
Wie stark werden diese beiden Bereiche vom Europäischen Parlament berücksichtigt? Wird die Meerespolitik ernst genommen?
Es wird sehr ernst genommen, denn es ist ein legislativer Ausschuss. Das heißt, wir sind ein Gesetzgebungsausschuss. Es gibt auch andere Ausschüsse, in denen man eigentlich immer nur Meinungen vertreten kann. Das ist bei uns nicht der Fall, wir machen knallharte Gesetzgebung. Der Fischereiausschuss steht für sich und die integrierte Meerespolitik befindet sich im Transportausschuss – zu meinem Entsetzten. Ich habe auch versucht dagegen anzukämpfen, aber das ist mir nicht gelungen, da ich dafür keine Mehrheit gefunden habe. Ich finde die ganzen ökologischen Hintergründe sind viel wichtiger. Darum habe ich mir gewünscht, dass sich die integrierte Meerespolitik im Fischererausschuss oder aber im Umweltausschuss wiederfindet.
Seit 2008 sind Sie im Europäischen Parlament tätig, zuvor waren Sie hier im Landtag. Sicherlich gibt es einige Unterschiede zwischen beiden Parlamenten?
In den nationalen Parlamenten, das ist in unserem Fall der Landtag und der Bundestag, wird ziemlich strikt nach Fraktionen gearbeitet. Also die Fraktion einigt sich auf eine Vorgehensweise und versucht das dann auch durchzuziehen. Im Europäischen Parlament ist das so nicht möglich. Ich versuch es mal zu erklären: Einen schwedischen Sozialdemokraten und einen italienischen Sozialdemokraten trennen oftmals Welten. Dann kann es also sein, dass ein Konservativer aus Schweden der Sozialdemokratie in Deutschland politisch und inhaltlich viel näher steht, als ein Sozialdemokrat aus Italien. Darum ist ein ganz wichtiges Instrument, dass man in der Lage ist, Kompromisse zu finden. Und zwar über die Parteigrenzen hinaus. Das ist im Europäischen Parlament tägliches Geschäft. Das würde hier im Landtag – ich war ja auch 15 Jahre hier – so nicht sein. Da würde man strikt nach Fraktionsinteressen arbeiten.
Welche Wünsche und Hoffnungen haben Sie für die EU in den kommenden Jahren? Gibt es ein Thema, dass Ihnen besonders wichtig ist?
Ja. Der Rechtspopulismus und der Rechtsnationalismus, der inzwischen in der EU oder auch im Europäischen Parlament sehr etabliert ist, bereitet mir Sorgen. Wir haben zu 30% Europagegner im Parlament sitzen. Ich würde mir wünschen, dass die Bürger über eine stärkere Wahlbeteiligung und zwar im Interesse der Demokratie, diese Parteien wieder dorthin schicken, wo sie hingehören: Jedenfalls nicht in ein Europäisches Parlament!
Wieso kandidieren Sie bei den Europawahlen 2019 nicht noch einmal für einen Sitz im Europäischen Parlament?
Weil ich 69 Jahre alt bin und glaube, dass es dann auch mal Zeit wird aufzuhören. Ich habe eine fantastische Familie und konnte mich in den letzten Jahren nicht so sehr um sie kümmern. Und ich gebe zu, dass es keine leichte Entscheidung war, aber sie ist jetzt getroffen. In Teilen war es auch eine Altersfrage. Aber es nicht fair, die Arbeit über eine Altersgrenze zu definieren. Ich glaube, es kommt darauf an, wie fit man ist, wie engagiert man ist und welche Ideen man hat. Dennoch wird in unserer Gesellschaft die Altersfrage oft sehr nach vorn geschoben. Ich wollte mich nicht vom Acker jagen lassen, sondern selber entscheiden, wann ich gehe. Von der Kraft und von den Ideen hätte ich noch genug übrig – eigentlich wollte ich noch ein Gesetz durchbringen, das ohne mich nicht zustande kommen wird, weil die Konservativen zu stark sind, wenn ich weg bin. Ich habe eine sehr starke Stimme im Fischereiausschuss. Wenn ich weg bin und das Gesetz nicht durchkommt, blutet mein Herz. Manchmal hab ich daher gedacht, nochmal zu kandidieren. Allerdings nur für zweieinhalb Jahre. Doch ich habe mich entschieden und das ist gut so.
Sie bekommen gleich von den Schülerinnen und Schülern Vorschläge zur Europapolitik präsentiert. Wie könnte man die umsetzen? Wie lässt sich die Jugend allgemein besser in die politischen Prozesse einbinden? Und wie wollen Sie speziell solche Ideen umsetzen, wenn Sie bald nicht mehr im Parlament vertreten sein werden?
Also ich arbeite intensiv auch neben dem Jugendforum intensiv mit Schülern zusammen, indem ich mindestens einmal pro Monat in eine Schule gehe und mit den jungen Menschen diskutiere. Ich nehme sie dann sehr ernst, denn das was ich im Parlament mache, heißt ja auch, dass die Zukunft der jungen Menschen gesichert ist. Ich glaube, es ist wichtig, auch von den jungen Menschen auf Politik zuzugehen. Es ist nämlich keine Einbahnstraße, sondern ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Wir müssen uns gegenseitig informieren. Es ist sehr fahrlässig, wenn ein älterer Mensch glaubt, er habe die Weisheit mit Löffeln gegessen. Ich glaube, wir müssen immer voneinander lernen, egal welcher Altersgruppe wir angehören. Die Inhalte, müssen auch schriftlich notiert werden. Ich habe immer viel im Kopf und werde nachher auch viel mitnehmen. Aber, wenn man das nochmal nachlesen kann, kann ich das auch den verantwortlichen Parlamentariern an die Hand geben – das ist hilfreich.