Dass die Pressefreiheit durch die aktuell diskutierte Urheberrechtsreform der EU eingeschränkt werden könnte, sorgte noch vor ein paar Monaten für viele Diskussionen. Doch dann war das Thema wieder aus den Medien verschwunden. Zu schwer zu fassen, zu komplex, scheint es. Doch die Verhandlungen zur Urheberrechtsreform laufen immer noch. Die Meinungen dazu gehen auseinander. Der Hauptstreitpunkt ist Artikel 13. Erklären, was dieser besagt, kann scheinbar niemand so richtig. Was also steht in Artikel 13? Und wo liegt das Problem? Unser Redakteur Aaron S. Krings hat recherchiert.
„Man könnte damit tatsächlich das Netz in einer Weise regulieren, dass der Medienfreiheit und Pressefreiheit Schaden zugefügt wird“, sagt der Journalist und Direktor des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit, Lutz Kinkel.
Artikel 13 ist ein Teil der EU-Urheberrechtsreform, die erstmals im September 2016 vorgestellt wurde. Damit sollen Betreiber von Plattformen haftbar gemacht werden für die auf ihre Webseiten hochgeladenen Inhalte. Dadurch sollen die Urheberrechte von Rechteinhabern geschützt und die illegitime Verwendung von geschütztem Material unterbunden werden. Es geht bei der Reform also um eine Stärkung von Urhebern wie zum Beispiel Autoren, Fotografen und Musikern. Konkret würde das bedeuten, dass Inhaber von Plattformen die auf ihre Seiten hochgeladenen Inhalte filtern müssen. Nur so könnte garantiert werden, dass keine urheberrechtlich geschützten Inhalte verbreitet werden.
Bernd Fiedler, Projektmanager bei Wikimedia Deutschland mit Schwerpunkt Urheberrecht und Urheberrechtsreform, versucht es folgendermaßen auf den Punkt zu bringen: „Wenn ich sicherstellen muss, dass urheberrechtsverletzende Inhalte nicht auf meinem Service bereitgestellt werden, dann habe ich keine andere Möglichkeit als automatisierte Filter einzusetzen, die genau das gewährleisten.“ Ein solches System stellt das „Content-ID“-Programm auf YouTube dar. Rechteinhaber müssen dort Referenzdaten ablegen, die die hochgeladenen Daten automatisch abgleichen. Wird das Urheberrecht verletzt, wird der Rechteinhaber automatisch benachrichtigt. Er kann dann den Inhalt selbstständig entfernen oder eine Beteiligung an den Einnahmen des Videos fordern. Probleme machen solche Systeme jedoch immer wieder. Ein Filter, der zu fein ist, könnte dazu führen, dass es zu einem sogenannten „Overblocking“ kommt. Das bedeutet, dass zu viele Inhalte blockiert würden. Inhalte beispielsweise, die unter die Meinungs- und Pressefreiheit fallen, wären daher gefährdet. Das könnte beispielsweise Satire betreffen, die urheberrechtlich geschützte Inhalte zitiert. Die Befürchtung vieler Kritiker ist, dass automatisierte Filter nicht in der Lage seien, zwischen Satire und Nutzungen, die Urheberrechte verletzt, zu unterscheiden.
Bereits jetzt gibt es die Möglichkeit zur Löschung von Inhalten im Netz. So kann jeder Internetnutzer Urheberrechtsverletzungen melden. Bild-, Video-, Audio- und Textdaten werden von den Plattformbetreibern teilweise direkt gesperrt und aus dem Netz genommen, teilweise erst geprüft. Artikel 13 verpflichtet Plattformbetreiber jedoch, urheberrechtsverletzende Inhalte gar nicht erst auf der eigenen Plattform zuzulassen. In diesem Fall ist eine Filterung noch vor dem Upload notwendig. „Das heißt, du schaffst eine Zensurinfrastruktur, die vielleicht nicht missbraucht wird, aber die missbraucht werden kann. Wenn du das nicht nur runternimmst, sondern auch verhinderst, dass es neu hochgeladen wird, dann ist es Zensur“, kritisiert Bernd Fiedler, Projektmanager bei Wikimedia. Wikimedia ist eine gemeinnützige Gesellschaft, die sich dafür einsetzt, dass Wissen frei zugänglich gemacht wird.
Kann Artikel 13 folglich als Angriff auf die Presse- und damit auch die Meinungsfreiheit verstanden werden? Eine Beschränkung der hochgeladenen Inhalte könnte eine Auswirkung auf die Arbeit von Medien haben, kritisieren Vertreter von Wikimedia oder der Plattform netzpolitik.org. Sie fürchten, Bilder, Videos und Texte könnten nicht mehr einfach genutzt werden. Journalismus, der zur Dokumentation auch Inhalte von anderen Urhebern braucht, könnte hier beschnitten werden.
Angelique Geray, Volontärin bei BILD-TV, sieht genau hier das Problem. „Manchmal kann man Dinge nur kritisieren, wenn man sie auch zeigt. Ich kann schlecht etwas kritisieren, wenn ich es nicht einmal kurz anreißen darf. Diese Uploadfilter können meiner Meinung nach unterbinden, dass ich diese Ausschnitte zeigen kann.“
Lutz Kinkel hingehen sieht auch Chancen in der Urheberrechtsreform – konkret in Artikel 11. „Da ist immer noch meine Hoffnung, dass Leute, die copyrightgeschütztes Material erstellen, auch entsprechend entlohnt werden, wenn das Material weiter genutzt wird.“ Artikel 11 regelt die Leistungsschutzrechte neu. Dabei braucht jeder, der journalistische Inhalte auf Plattformen verbreitet, eine Lizenz des Herausgebers. Wer keine hat, darf den Inhalt nicht teilen.
Wird der Artikel 13 tatsächlich umgesetzt, werden sich die Bedingungen für Meinungsäußerung und Pressefreiheit grundlegend ändern, sagt Bernd Fiedler. „Ich überlege erst fünfmal, was ich tatsächlich hochlade und verpasse mir selber dadurch vielleicht einen Maulkorb.“ Er glaubt, dass die Medienwelt weniger vielfältig sein wird. Leute hörten auf, sich auszuprobieren und blieben einfach Konsumenten. „Mit dem Uploadfilter wird das Internet schwarzweiß!“ Für Bernd Fiedler ist das ein offensichtlicher Verlust von Vielfalt und Meinungsfreiheit und damit auch der Pressefreiheit.
Aktuell laufen die Verhandlungen zur Urheberrechtsreform noch. Zurzeit sitzen die Mitgliedsstaaten der EU im Rat der Europäischen Union zusammen und verhandeln mit der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament. Der Rat ist gespalten, die Mehrheitsverhältnisse für Artikel 13 schwanken. Ein Grundproblem ist laut Bernd Fiedler, dass es nur ein Ja oder Nein gibt. „Das wird ein Kunststück der Politik werden und selbst dann, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, wird man da nachsteuern müssen, um die negativen Effekte rückgängig zu machen“, sagt auch Kinkel.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Yalla Media Akademie, eine Kooperation zwischen der Jugendpresse Deutschland und dem Verein Eed be Eed (“Hand in Hand”) aus Berlin. Der Text erschien zuerst in der Printausgabe des Weser-Kuriers.