Was kann jeder von uns für ein friedliches Miteinander tun? Was bedeutet eigentlich „Konflikttransformation“ – und wie funktioniert sie? Das hat Marlene Jacobsen im Gespräch mit Christoph Bongard vom „Forum ziviler Friedensdienst“ herausgefunden.
In den 1990er-Jahren sieht sich die deutsche Zivilgesellschaft vor neuen Herausforderungen stehen: aufgrund der Balkankriege kommen hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland. Zusätzlich sorgen die ersten Auslandseinsätze der Bundeswehr für Skepsis innerhalb der Bevölkerung und den Wunsch nach einer alternativen Friedenspolitik. So entsteht das „Forum ziviler Friedensdienst (forumZFD)“ mit dem Ziel, Konflikttransformation in Krisenregionen zu leisten. Was das bedeutet, erklärt Christoph Bongard. Er arbeitet seit zwölf Jahren für das forumZFD und ist als Leiter der Abteilung Kommunikation beispielsweise für Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit zuständig. Konflikttransformation beschreibt er als langfristigen Prozess, der die hinter einem Konflikt stehenden Missstände auf eine gewaltfreie Weise verbessert. Dabei sei es wichtig, alle Beteiligten zu involvieren und den Konflikt nicht verhindern oder möglichst schnell lösen zu wollen. Auf diese Weise werde ein Streit beispielsweise nicht nur geschlichtet, sondern im besten Fall werde die Ausgangssituation verbessert, sagt Bongard. Demnach müssten Konflikte nicht als schlecht wahrgenommen werden, da die Auseinandersetzung mit ihren Hintergründen für Beteiligte viel verbessern könne.
Engagement im Balkan und im Nahen Osten
Um genau das zu erreichen, entsendet das Forum ziviler Friedensdienst Fachkräfte in Konfliktregionen, wo diese mit lokalen Organisationen zusammenarbeiten. Dieses Engagement geht über das Ende von Kriegen hinaus, indem danach an der Aufarbeitung von Verbrechen und Ungerechtigkeiten gearbeitet wird. Darauf aufbauend fördert das forumZFD beispielsweise die Begegnung von Serben und Kosovaren, um alte Feindbilder abzubauen. Wichtig ist auch, die Entstehung von Konflikten durch Präventionsarbeit zu verhindern. Dafür beteiligt sich das forumZFD im Libanon, wo viele Städte zehntausende Syrer aufgenommen haben. Um aus dieser schwierigen Situation eine neue Gemeinschaft zu schaffen, bildet das forumZFD Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen aus, die gemeinsame Projekte für Libanesen, Libanesinnen, Syrerinnen und Syrer veranstalten. Weitere Projekte in Jordanien und der Ukraine sind bereits geplant.
Währenddessen wird hier in Deutschland die Frage über die Gestaltung solcher internationaler Friedensförderung heiß diskutiert. Diesbezüglich hat das Forum ziviler Friedensdienst eine klare Forderung an die neue Bundesregierung: die Rüstungsexporte tatsächlich zu reduzieren. Darüber hinaus fehle im Koalitionsvertrag ein „friedenspolitisches Leitbild“, das den Frieden als oberstes Ziel definiere und über kurzfristige Sicherheitsinteressen stelle. Zurzeit werde am meisten Geld und Aufmerksamkeit in die Länder investiert, aus denen die meisten Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Doch Fluchtursachenbekämpfung sei nicht gleich langfristige Entwicklungszusammenarbeit. Daher wollen Christoph Bongard und seine Kollegen vom „Forum ziviler Friedensdienst“ weiterhin Lobbyarbeit betreiben.
Plädoyer für respektvollen Umgang
Wer jetzt den Eindruck hat, dass das Schaffen von Frieden nur auf politischer Ebene stattfindet, der irrt. Denn jeder und jede Einzelne kann durch eine respekt- und verständnisvolle Umgangsweise zwischenmenschlich zu Frieden beitragen. Laut Christoph Bongard ist hierfür die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, fundamental. Perspektivenwechsel in Konflikten geben allen Beteiligten das Gefühl, gehört zu werden – die Grundlage für eine konstruktive Auseinandersetzung mit der jeder Problematik. Das erfordert natürlich auch bestehende Ungerechtigkeiten ehrlich anzusprechen und „nicht zu schweigen“. Genau das tun Organisationen wie das Forum ziviler Friedensdienst und Menschen wie Christoph Bongard.