In Deutschland gibt es mehr als vierzig Parteien. Ein paar der kleineren Parteien hat sich die politikorange-Redaktion näher Angeschaut. Linda Göttner hat mit Christian Bethke von „Neue Liberale – Die Sozialliberale“ über seine Partei gesprochen.
Gründung: Die Partei gründete sich am 24 September 2014. Unter den Gründungsmitgliedern waren einige ehemalige FDP-Mitglieder, darunter Gründungsvorsitzende Sylvia Canel. 2015 nahm die Partei in Hamburg an ihrer ersten Wahl teil.
Philosophie: Die Neue Liberale verfolgt den Sozialliberalismus. Im Zentrum steht die Freiheit des Menschen und die soziale Gerechtigkeit.
Mitgliederanzahl: 275 (Stand 21. März 2017)
Durchschnittsalter: 41,7 Jahre
Ergebnis der letzten Bundestagswahlen: –
Direktkandidaten für BTW 2017: Jim Preuß, Thomas Cohnen, Markus Jakupak
Vorsitzender: Christian Bethke ist Bundesvorsitzender der „Neuen Liberalen“. Gleichzeitig ist er auch Mitglied bei den Piraten und kandidierte für sie 2013 für den Bundestag.
Im Interview war der Parteivorsitzende Christian Bethke.
Warum lohnt es sich für Sie in einer Partei aktiv zu sein, die voraussichtlich 2017 nicht in den Bundestag kommt?
Es ist eine Überzeugungssache. Für mich spiegelt keine der etablierten Parteien den sozialen Liberalismus wieder, den ich gerne im Bundestag hätte. Eigentlich sind alle Parteien auf einer ganz anderen Linie. Beispielsweise versucht sich die SPD sozial darzustellen, doch politisch hat sie kaum soziale Ansätze. Von daher gibt es nur die Möglichkeit, sich in eine eigene, kleinere Partei zu begeben und daran zu arbeiten, dass auch sie Mandate erringt.
Warum sind Sie in einer kleinen Partei aktiv, statt in eine große einzutreten und diese auf den Kopf zu stellen?
Weil ich das Gefühl habe, dass die großen Parteien viel zu unbeweglich dafür sind. In den Altparteien durchläuft man die Institutionen und wird auf dem Weg in die Parteilinie zurechtgerückt. Das sieht man auch anhand derjenigen, die in diesen Parteien etwas zu sagen haben. Sie sind nicht wandlungsfähig genug, um sich politisch zu entwickeln, dass sie für mich interessant wären.
Was halten Sie von der fünf Prozent Hürde?
Ich halte sie persönlich für nicht notwendig. Ich habe keine Angst davor, dass man ohne der fünf Prozent Hürde, wieder in Weimarer Verhältnisse rutschen würde. Ich halte auch das Argument „Dann können ja rechtsradikale Parteien ins Parlament kommen“ auch für eine sehr schwache Begründung. Ja, das kann passieren, aber eine gut funktionierende Demokratie mit einer guten vierten Gewalt der Journalisten, sollte das problemlos aushalten können, wenn auch ein Nazi im Parlament sitzt. Gerade jetzt bei der Bundestagswahl haben wir mehrere Einthemenparteien dabei. Aber ich bin mir sicher, es würde der deutschen Demokratie nicht schaden, wenn auch von denen einer oder zwei im Bundestag sitzen würden.
Angenommen Ihre Partei kommt in den Bundestag: Mit wem könnten Sie sich eine Koalition vorstellen?
Bei allen etablierten Parteien würde es mir sehr schwer fallen. Wir bewegen uns nicht auf einer politischen Linie. Im Moment führen wir Gespräche mit der „Partei der Humanisten“ für eine Zusammenarbeit. Auch weitere Zusammenarbeit mit kleinen Parteien könnte ich mir vorstellen, zum Beispiel „Bündnis Grundeinkommen“ oder „Demokratie in Bewegung“. Es ist wichtig, dass es die sozialliberalen Parteien geht.
Ihre Partei ist liberal, sozial und nachhaltig ausgerichtet. Was unterscheidet sie von den etablierten Parteien FDP, SPD und Bündins 90/Die Grünen?
Eigentlich die Mischung. Nachhaltige Politik halten wir für absolut notwendig, weil unsere Freiheit nicht heißt mit irgendwelchen Dieselautos die Umwelt zu verpesten, um dann für nachfolgende Generationen den Schaden zu hinterlassen. Gleichzeitig sind wir im Gegensatz zu den Grünen aber eine Partei, die sich doch sehr intensiv die Freiheitsrechte der Menschen auf die Fahnen geschrieben hat. Da haben die Grünen leider lange Zeit auch ähnlich geklungen und man dachte, die scheinen sich auch im liberalen Sektor zu bewegen. Aber die Realpolitik dieser Partei zeigt dann doch, dass dies einfach nicht passiert. Ich meine, wir haben einen Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg sitzen, dem vom Gericht erzählt werden muss, dass er die Umwelt schützen soll. Das ist bei grüner Politik doch sehr komisch.
Die FDP halte ich nicht für eine liberale Partei. Sie ist eine Lobbypartei, die inhaltlich fragwürdige Positionen hat und mit der Freiheit der Menschen auf der Straße wenig zu tun hat. Fast alle großen Überwachungsgesetze in den letzten dreißig Jahren wurden von FDP-Regierungen mitgetragen. Aber alles, was mit Überwachung zu tun hat, halten wir nicht für liberal oder freiheitlich.
Die SPD möchte immer gerne ein soziales Image darlegen, das hatten sie lange Zeit auch. Doch es gab in den letzten Jahren viele soziale Einschnitte. Beispielsweise mit dem neuen Rentensystem. Jetzt haben wir vier Rentensäulen, die alle in die Richtung Privatwirtschaft gehen.
Aber wir wollen soziale Politik für die Menschen machen, haben dabei zum Beispiel auch Ideen wie Grundeinkommen und ähnliches. Zum Beispiel die Industrie 4.0. Wenn uns Maschinen die Arbeit abnehmen, können sich die Menschen mit anderen Dingen wie Kultur, Vereinsleben oder so beschäftigen. Wenn dadurch aber massenhaft Menschen arbeitslos werden und kein Auskommen haben, müssen wir als Politik eine Lösung finden und das werden mit Sicherheit nicht Hartz IV Lösungen sein.
In Ihrem Grundsatzprogramm fordern Sie, dass an der Sicherheit des Staates gearbeitet werden soll. Wie meinen Sie das?
Es geht weniger darum, Überwachungen hochzuschrauben. Überwachung verhindert keine Verbrechen. Man müsste aber auf jeden Fall mehr Polizei einstellen, damit die Polizei, nicht überlastet wird. Vor allem auch Personalausbau in der Justiz. Es kann nicht sein, dass Leute teilweise sechs bis zwölf Monate auf irgendwelche Verfahren warten. Das wären also Punkte, wo man aus unserer Sicht Geld investieren sollte. Und dann gibt es natürlich noch den dritten Punkt, da kommen wir dann wieder in den sozialen Bereich. Man sollte einfach an vielen Stellen versuchen die Gründe für Verbreche zu minimieren. Und das sind oft soziale Spaltungen. Viele Verbrechen passieren auch aus Not heraus. Da könnte man durchaus auch viel für die Sicherheit der Bürger tun. Wir könnten die Überwachung noch weiter aber es wird auch immer wieder Mittel geben, es zu umgehen. Wir sind gegen den Überwachungsstaat, weil so der Otto Normalbürger in den Fokus der Überwachung geraten und so immer mehr in ein Korsett gedrückt würde.
Warum ist Ihnen die Freiheit der Menschen so wichtig?
Weil es die Errungenschaft des letzten Jahrhunderts und auch unserer jetzigen Zeit ist. Und wenn es nicht um die Freiheit der Menschen geht, um was sollte es sonst gehen? Ich kann es gar nicht anders sagen. Da ist einfach für mich die absolute Grundlage unserer Demokratie und der Gesellschaft.
„Ein geeinigtes Europa muss von den Bürgern gewollt und gelebt werden.“ Das steht in ihrem Grundsatzprogramm. Bitte erklären Sie mir diese Aussage.
Das ist natürlich auch ein philosophischer Ansatz. Für uns ist Europa nicht einfach nur eine Idee und schon gar nicht einfach nur eine Wirtschaftsunion. Es ist eine Möglichkeit auf einem Kontinent des Krieges, der wir in den letzten tausend Jahren ausgiebig waren, langfristig Frieden und Sicherheit für die Menschen in Europa zu schaffen. Und unter Umständen auch, wenn es gut funktioniert, außerhalb von Europa. Aber wir haben momentan das Problem, dass Europa für Politiker der etablierten Parteien gerne als Sündenbock benutzt wird.
Wenn man versucht, Europa dafür zu benutzen, Gesetze umzusetzen, die man eigentlich im eigenen Land nicht durchbringen könnte, dann sorgt es nicht für ein positives Bild von Europa. Die Freizügigkeit Europas haben viele Menschen schon sehr verinnerlicht und wenn morgen Grenzen kämen, dann würden sich die Menschen umgucken.
Insofern denke ich, dass wir als politisch agierende Menschen, auf jeden Fall die Idee von einem Europa positiv weitergeben müssen und klar machen müssen, was sie für Vorteile aus Europa haben. Das würde ein europäisches Denken fördern. In den letzten Jahren ist in den europäischen Ländern vermehrt das nationale Denken wieder aufgekommen. Das hat damit zu tun, dass die europäischen Institutionen teilweise viel zu undemokratisch gestaltet sind.
Die „Ehe für alle“: Wie hätte Ihre Partei abgestimmt?
Definitiv dafür, weil jeder die Freiheit haben sollte, mit dem Menschen zusammenzuleben und Ehe schließen zu können, mit dem er möchte. Das ist glaube ich auch ein Konzept, das nicht freiheitlich ist, wenn man sagt, ihr dürft das nicht. Und es geht dabei vor allem auch um wirtschaftliche Fragen. Ich glaube für die Homosexuellen ist es auch eine Herzensfrage, sich wirklich gegenseitig das Ja-Wort geben zu dürfen. Aber aus meiner Sicht ist es bei vielen Gegnern dann doch eine sehr dogmatische Sache. Gerade christlich angehauchte Parteien versuchen sehr das Männlein-Weiblein-Konzept zu schützen, was soweit ich die Bibel kenne, auch nicht drinnen steht. Das ist eine ganz einfache freiheitliche Sache.
Was erhoffen Sie sich von den Bundestagswahlen?
Wir machen unseren Wahlkampf und haben ein paar Direktkandidaten ins Rennen geschickt. Der Wahlkampf wird vor allem dazu benutzt, uns als Partei bei den Menschen bekannter zu machen. Wenn wir auf der Straße Infostände haben und man sich mit uns unterhält, erleben wir oft sehr viel Zuspruch. Aber es ist natürlich ein weiter Weg von einzelnen Personen, bis hin zu einer parlamentarischen Größe.
Von der Bundestagswahl an sich, erwarte ich nicht viel. Es wird wieder eine große Koalition herauskommen oder es wird knapp für schwarz-gelb reichen. Bei Angela Merkel kann ich mir vorstellen, dass sie dann trotzdem eine große Koalition wählt. Die SPD war auch schon zuvor Erfüllungsgehilfen. So ist es ein entspanntes Regieren. Das Traurige wird sein, dass wahrscheinlich eine sieben- bis achtprozentige AfD im Bundestag sitzen wird und von denen halte ich inhaltlich wirklich gar nichts. Ich glaube nicht, dass es demokratiegefährdend ist aber das zeigt doch, dass wir momentan eine sehr unschöne politische Entwicklung haben.