Warum einen Unterschied zwischen Männern und Frauen machen? Die Genderpädagogin Stephanie Weber räumt im Workshop mit Geschlechterrollen auf und zeigt, wie man sich ganz nebenbei von der Kategorie Geschlecht frei machen kann.
„Stellt euch eine Frau vor, die stark, rational und aktiv ist. Wie würde sie aussehen?“, fragt Stephanie Weber, Genderpädagogin und Sozialarbeiterin in Köln. Sie bittet die Teilnehmenden des Workshops „Vielfalt in der Praxis – Genderkonstruktion, Stereotypen und Antidiskriminierungsarbeit“ die Augen zu schließen und sich genau so eine Frau vorzustellen. „Und jetzt einen Mann, der technisch unbegabt, mütterlich und sozial ist.“ Die Teilnehmenden kichern leise. Männer und Frauen werden mit Attributen beschrieben, die nicht wirklich zu passen scheinen.
Weber will den Teilnehmenden in ihrem Workshop vermitteln, dass sehr geschlechtsspezifische Stereotypen unsere Wahrnehmung beeinflussen. Dafür fragt die Genderpädagogin nach: Was ist für euch typisch weiblich, was typisch männlich? Bei der Kategorie Frau fallen Adjektive wie emotional, sensibel und schwach. Männer werden dagegen als stark, dominant und rational beschrieben. Was ins Auge sticht: Die Begriffe bilden oft Gegensatzpaare: starke Männer, schwache Frauen. Viele Begriffe meinen auch dasselbe. „Mütterlich und beschützend sind beides Worte, die das Gleiche ausdrücken – nur auf eine andere Weise“, erklärt Weber.
Geschlecht wird gemacht
Der Workshop der Genderpädagogin stützt sich auf Erkenntnisse aus den Geistes- und Sozialwissenschaften: Wir alle stellen Geschlecht jeden Tag in unserem alltäglichen Handeln her. Spätestens seit der These der amerikanischen Philosophin Judith Butler scheint klar: Geschlecht wird gesellschaftlich hergestellt. Jeder und jede macht demnach Geschlecht – und das jeden Tag.
Schon lange setzt sich die Genderpädagogin für Awareness und Antidiskriminierung ein – unter anderem als LGBTI*Q-Aufklärungsaktivistin. Außerdem gibt sie dekonstruktivistische Genderworkshops. Dabei lässt sie Frauen für ein Wochenende in die Rolle eines Mannes schlüpfen. Frauen bekommen einen aufgemalten Bart und mit Watte ausgestopfte Kondome – für die „Penisperformance“. „Wer kenntlich seine gesellschaftliche Geschlechterrolle verlässt, fällt auf und erntet oft irritierte Blicke“, sagt Weber.
Wenn Frauen zu Männern werden
Wie sich das mit dem Rollentausch anfühlt, sollen die Teilnehmenden gleich im Anschluss selber ausprobieren. Zuerst wie die Klischee-Frau sitzen, dann die Hände schütteln und am Ende sprechen: Beine werden überschlagen, es wird gelächelt, die Hüfte betont. Danach sollen die Teilnehmerinnen in die Rolle eines Mannes schlüpfen. Das ist für manche gar nicht so einfach. Trotzdem entsteht gleich ein ganz anderes Bild: Die Sitzposition ist breitbeinig, die Haltung dominanter.
Geschlecht bildet eine ordnungsstiftende Identitätskategorie, die uns Sicherheit vermittelt. „Wenn wir durch die Stadt laufen und die Leute anschauen, die uns entgegenkommen, wissen wir gleich: Das ist ein Mann oder das ist eine Frau!“, erklärt Weber. Weil es die spezifischen Geschlechterrollen in der Gesellschaft gibt, warten wir auf eine bestimmte Erwartung an das Aussehen und das Verhalten von Männern und Frauen, so die Genderpädagogin. Das Problem sei dabei, dass Frauen aufgrund der ihnen zugeschriebenen Geschlechtskategorie diskriminiert würden.
„To be a princess is to always look your best“
Wie das in der Praxis aussieht, könne man schon bei Disneyfilmen beobachten. Die weiblichen Figuren vermitteln das Bild der Klischee-Frau. Schneewittchen, die die Hausarbeit für die sieben Zwerge erledigt, zeigt: Frauen gehören vor den Herd und hinter den Putzeimer. Ariel muss einfach nur schön sein, auch wenn sie dafür ihre Stimme verliert. „Was die Darstellung in den Medien angeht, erscheint es mir, als wären Frauen eher unterrepräsentiert“, folgert die Genderpädagogin.
Manche der Teilnehmenden sehen das aber schon als eine Überinterpretation. „Männer sind halt häufig stärker als Mädchen – schon rein biologisch“, sagt eine der Teilnehmerinnen. Weber, die eine Ausbildung als Fitnesstrainerin absolviert hat, weiß: „ Die Biologie hilft oft dabei, gesellschaftliche Kategorien zu reproduzieren. Männer sind deshalb nicht generell stärker als Frauen.“ Auch die Tatsache, dass Frauen Kinder kriegen können und Männer nicht, mache sie nicht zu unterschiedlichen Menschen. Für Weber hat das nichts mit dem Wesen zu tun.
Stephanie Webers Botschaft: „Wir müssen Gender in unserer alltäglichen Praxis dekonstruieren.“ Wie das gehen soll: „Männer müssen sich mehr für die Rechte von Frauen einsetzen. Und Frauen müssen auch mal mehr Raum einnehmen.“