Gauland im Widerspruch

Auf dem diesjährigen BDZV-Zeitungskongress setzen sich Presse und Wissenschaft mit der Medienschelte Gaulands auseinander. Der zeigt sich in der Podiumsdiskussion überraschend defensiv und offenbart tiefe Widersprüche in sich und seiner Politik. Sandra Kluck kommentiert.

Foto: Jonas Walzberg
Gauland rechnet mit der Presse ab, wirkt aber in der direkten Konfrontation mit ihren Vertretenden äußerst zahm. Foto: Jonas Walzberg

Bereits zwei Jahre ist es her, dass der Begriff „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres gewählt wurde. In der Tat fällt mir kein anderes Wort ein, welches den Pressevertretenden auf dem diesjährigen BDZV-Zeitungskongress saurer aufstoßen könnte. Selbst heute ist die „Lügenpresse“ derart en vogue, dass der BDZV ihr eine eigene Podiumsdiskussion gewidmet hat.

Doch wie lange das Gespenst der Lügenpresse auch umhergeht: Die Diskussion wird nicht weniger relevant mit der Zeit. Vielleicht ist sie auch gerade jetzt so relevant wie nie zuvor. Unabhängig davon, auf welchen Platz PEGIDA auf der redaktionellen Agenda rutscht, gedeiht weiterhin eine Teilöffentlichkeit, die sich gegenseitig darin bestätigt, dass die Presse lügt wie gedruckt. Oder besser – Sie druckt wie gelogen und zwar die Lügen der Merkel-Autokratie.

Umso spannender ist es, wenn der Vorwurf nicht bloß vertikal „an die da oben“ gerichtet wird, sondern Redakteure und Redakteurinnen großer Zeitungen selbst dazu Stellung nehmen, wie auf dem BDVZ. Trotz der gelungenen Auswahl an Vertretenden aus Presse und Wissenschaft auf der Bühne lässt sich nicht leugnen, das einen die Schaulust hinsichtlich des einzigen Vertreters aus der Politik umtrieb: Alexander Gauland gastierte als Medienkritiker und Enfant Terrible in der Runde und wurde nicht müde, diese Rolle auch auszuleben. Doch im Vergleich zu anderen lautstarken Partei-Aushängeschildern ging er an diesem Nachmittag in einem mit starken Argumenten geladenen Wortwechsel unter.

Gauland spielt Außenseiterrolle aus

Dabei nahm diese Diskussion einen leicht nachvollziehbaren Lauf, ohne dass sich – um es mit den Worten von Chefredakteur Peter Pauls vom Kölner Stadtanzeiger zu sagen – „Bauklötze um die Ohren“ geschlagen wurden. Dreh- und Angelpunkt war die von Gauland unterstellte Verzerrung in der “Lückenpresse“. Von Beginn an spielte er die Underdog-Karte und beklagte die Ignoranz der Medien gegenüber der AfD samt Hofstaat. Dabei spielte es keine Rolle, was Nikolaus Blome (BILD) und Miriam Meckel (WirtschaftsWoche) für haltbare Einwände lieferten, wie sehr sie sich auch erklären mochten, das Dunkeldeutschland-Stigma bleibt Gaulands Herzensangelegenheit.

Erfreulicherweise gewann die Diskussion schon früh an Eigendynamik. Nicht zuletzt stellte jedoch Moderator Peter Stefan Herbst die treffsicheren Fragen und übernahm im richtigen Moment das Ruder, um auch einen zurückhaltenden Herrn Gauland aus der Reserve zu locken.

Viele Köche verderben nicht den Brei

Machen wir uns nichts vor: Das Stigma der fremdenfeindlichen Ostdeutschen, die mit Mistgabeln und Fackeln gen Flüchtlingsheim ziehen, hat sich tatsächlich in unseren Köpfen eingenistet. Genauso wenig sind eine Journalistin oder ein Journalist frei von Vorurteilen. Wird hier also womöglich eine Gruppe von Bürgern und Bürgerinnen zu wenig repräsentiert? Der letzte Gast, Prof. Werner J. Patzelt von der TU Dresden, legte dies zumindest nahe: In den Redaktionen der Bundesrepublik finde sich ein Querschnitt aus grünen Sozialchristdemokraten und -demokratinnen, in dem sich einige nicht wiederfinden können. Schwarz-grün-rot-roter Einheitsbrei sei das, spitzte Gauland noch zu.

Lieber Herr Gauland: Unter einem schwarz-grün-rot-roten Brei könnte ich mir noch eine kulinarische Skurrilität vorstellen – aber keine einseitige Berichterstattung. Tatsächlich klingt das nach einer recht guten Abdeckung verschiedener politischer Geschmacksrichtungen, die sicher ergänzt werden könnten und sollten, aber mitnichten einseitig sind. Was Ihnen nicht daran mundet ist, dass die AfD kein Teil dieses Rezepts ist.

Presse als Sprachrohr für Menschen in Not

Vielleicht ist es an der Zeit sich die Frage zu stellen, weshalb die Ansichten der AfD nicht auf Beliebtheit stoßen. Sie würden nun beteuern, dass eine beachtliche Anzahl an Mitbürgern und Mitbürgerinnen dem Credo „Wir schaffen das“ skeptisch gegenüberstehen. Skepsis wird aber der Komplexität der Situation nicht gerecht: Steht man der reibungslosen Unterbringung von Flüchtlingen skeptisch gegenüber? Durchaus. Wollen wir deswegen Grenzen mit Waffengewalt verteidigen? Spätestens an dieser Stelle ist sich eine große Anzahl an Deutschen schon deutlich sicherer, dass wir das schaffen. Der Unsicherheit folgt Menschlichkeit. Die schaffen das.

Bezeichnend fand ich Ihren kurzen Aussetzer, in dem Sie entgegneten, dass wir das gar nicht schaffen WOLLEN. Hier kam ans Licht, worum es im Kern geht: Unterlassene Hilfeleistung und die irrationale Angst vor dem Fremden. Und diese kann so oft intellektualisiert werden, wie es Doktortitel in der AfD gibt, aber am Ende ist Fremdenfeindlichkeit keine politische Heimat für besorgte Bürger und Bürgerinnen, sondern doch nur: Fremdenfeindlichkeit. Die Presse ist zudem nicht nur verpflichtet, Außenseitern der AfD eine Stimme zu geben, sondern auch Menschen in wirklicher Not. Und wem das nicht schmeckt, der wirft gegenteilige Meinungen gern in den Einheitsbreitopf der Lügen- und Lückenpresse. Diese hat sich in der Diskussion bestens geschlagen.

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Bernd Derksen
    27. September 2016 22:40

    Gibt es irgendwo eine Aufzeichnung davon?
    Ich vertraue halt medialen Berichterstattungen eher nicht mehr … Und würde mir gerne ein eigenes Urteil bilden können.

    Antworten
    • Hallo Bernd,

      eine Aufzeichnung der Diskussion findest du unter folgendem Link.
      Bei dem obigen Text handelt es sich nicht um einen Bericht, sondern um einen Kommentar, in dem ich meine persönliche Interpretation darlege.

      Beste Grüße

      Antworten

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