Jährlich bewerten Organisationen wie ‚Reporter ohne Grenzen‘ oder ‚Freedom House‘ die Medienfreiheit weltweit. Marie Illner hat mit Christian Gramsch, dem Direktor der Deutsche Welle Akademie und seiner Kollegin Vanessa Völkel auf der Zukunftstour gesprochen – über Medienfreiheit, Entwicklungspolitik und Meinungsäußerung.
Freiheit messen, das klingt zunächst einmal widersprüchlich. Wie gehen die einzelnen Organisationen vor?
Völkel: „Reporter ohne Grenzen, Freedom House, IREX, UNESCO und die Friedrich-Ebert-Stiftung erstellen regelmäßig internationale Vergleiche zur Medienfreiheit. Dabei haben alle Organisationen unterschiedliche Methodologien und konzeptuelle Hintergründe. Manche definieren Freiheit mit Blick auf die Medienentwicklung, andere achten vermehrt auf die Medienstabilität. In Journalisten-, Menschenrechts- und Expertengesprächen werden zum Beispiel Medienvielfalt, gesetzliche und politische Rahmenbedingungen, Freiheitsverletzungen und Unabhängigkeit hinterfragt.“
Die Kriterien, die Medienfreiheit bemessen, sind also weitreichend und dringen in die unterschiedlichsten Lebenssphären ein. Warum ist Medienfreiheit so wichtig?
Gramsch: „Freie Kommunikation ist essentiell für die Entwicklung freiheitlich- demokratischer Staaten. Für die freie Kommunikation wiederum sind Medien von enormer Bedeutung. Das können die klassischen Medien sein – Zeitung, Radio, Fernsehen – aber auch alles andere, was dazu beiträgt, dass Menschen miteinander reden und ein Weltbild entwickeln können. Auch soziale Medien wie Facebook oder Twitter gehören also dazu.“
George Orwell hat einmal gesagt: Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen. Welche negativen Konsequenzen folgen, wenn Medien dies nicht können?
Gramsch: „Unfreie Medien bedeuten, dass die Menschen nicht über jene Informationen verfügen, die sie notwendigerweise benötigen, um vernünftige Entscheidungen für sich selbst treffen zu können. Das fängt mit Fragen nach der Wohn- und Ausbildungssituation an, betrifft aber auch Fragen wie: Welche Rechte habe ich? Wie kann ich sie einfordern? Es treten sogar Situationen auf, in denen Menschen in die Flucht getrieben werden, weil sie falsche Informationen bekommen. “
Die Technik verbessert sich stetig. Innovation folgt Innovation. Wie steht es um die Medienfreiheit?
Gramsch: „Leider verschlechtert sie sich weltweit. Die neuen Möglichkeiten der Kommunikation werden auch zur propagandistischen Steuerung und Manipulation von Systemen genutzt. Wenn man zu Staaten wie Russland schaut, dann sieht man, dass Kommunikation unterdrückt und gesetzlich manipuliert wird.“
Reporter ohne Grenzen stufte Deutschland 2016 im Ranking um 4 Platze herab, sodass wir hinter Jamaica und Costa Rica auf Platz 16 landen. Wie steht es um die deutsche Medienfreiheit?
Gramsch: „Wir spielen in der oberen Liga. Wir haben eine freiheitliche Verfassung, wir haben klare Rechte, die man auch einfordern kann.Unsere Mediensysteme sind frei. Im weltweiten Vergleich schneiden wir gut ab. Dass man immer etwas verbessern kann, ist klar. Es lohnt sich auf die absolute Mehrheit der Menschen zu schauen, die in ihren Rechten völlig beschnitten sind, das sind immerhin 6/7 . Medienfreiheit ist keine Selbstverständlichkeit – im Gegenteil.
Entwicklungspolitik verbindet ein Großteil der Menschen mit Hunger- und Krankheitsbekämpfung. Wie sieht Entwicklungszusammenarbeit im Medienbereich aus?
Gramsch: „Zunächst gilt es ein gutes Vorbild zu sein und mit unserer Freiheit verantwortlich umzugehen; sie zu schützen und sinnvoll zu nutzen. Zweitens muss man denjenigen helfen, die an freier Kommunikation interessiert sind. Gemeinsam baut die Deutsche Welle Akademie im Auftrag der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit mit ihnen Strukturen auf, stärkt Institutionen und hilft entsprechende Gesetze zu verabschieden. Auch das journalistische Handwerk ist ein Element. Es ist zunehmend aber auch so, dass die Menschen selber zu Medien greifen, um sich zu artikulieren, Gemeinschaften zu bilden und Informationen auszutauschen. Das geht an vielen Orten auch ohne Journalist*innen und denen helfen wir ganz genauso.
Finnland Platz 1, Punktzahl 8,59, mit einer Punktänderung -1,07. Können Zahlen tatsächlich Freiheit widerspiegeln?
Gramsch: „Medienfreiheit ist natürlich mehr als das, was die Indikatoren messen. Sie gehen von verfassten Medien aus und wie freiheitlich diese arbeiten können. Sie messen nicht die Qualität der Medien. Man muss aber auch von einzelnen Menschen aus gehen und fragen, inwieweit sie die Möglichkeit haben sich zu informieren und ihre Meinung frei zu äußern. Da sieht die Lage teilweise noch etwas schlechter aus.
Auf der Seite der Deutschen Welle Akademie könnt ihr interaktiv die Medienfreiheit in der Welt vergleichen.